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# taz.de -- Nordkorea und sein Atompropgramm: Kim Jong Uns Januar-Feuerwerk
> Sechs Raketentests hat Nordkorea in diesem Jahr durchgeführt – in ganz
> 2021 waren es acht. Der Konflikt um das Atomprogramm bleibt ungelöst.
Bild: Kim Jong Un während einer Sendung im Bahnhof von Seoul am Donnerstag
Berlin taz | Nordkorea? Richtig, da war doch was. Am Donnerstagmorgen
registrierte Südkoreas Militär bereits den sechsten nordkoreanischen
Raketenabschuss in diesem Jahr. Südkoreas Nachrichtenagentur [1][Yonhap]
berichtete unter Berufung auf den Generalstab in Seoul, dass der Norden im
Raum der östlichen Stadt Hamhung mutmaßlich zwei ballistische
Kurzstreckenraketen 190 Kilometer weit ins Ostmeer (Japanisches Meer)
geschossen habe. Sie seien 20 Kilometer hoch geflogen, bevor sie ins Meer
stürzten. In Seoul trat daraufhin der Nationale Sicherheitsrat zusammen und
bezeichnete den Raketentest anschließend als „bedauerlich“.
Das US-Indo-Pazifik-Kommando erklärte, der Raketenabschuss „stellt weder
für das Personal oder Territorium der USA noch für unsere Verbündeten eine
unmittelbare Bedrohung dar“. In Südkorea sind 28.000 US-Soldat*innen
stationiert.
Es ist bereits der sechste im Süden registrierte Raketentest des Nordens
allein im Januar. Damit hat Pjöngjang fast die Zahl von acht des gesamten
letzten Jahres erreicht. Auffällig ist, dass sehr unterschiedliche Typen
getestet wurden, nämlich sowohl Hyperschallgeschosse sowie
Kurzstreckenraketen als auch Marschflugkörper. Laut Beschlüssen des
UN-Sicherheitsrates darf die selbst erklärte Atommacht Nordkorea keine
Raketen abfeuern.
Doch ist auffällig, dass Nordkoreas diktatorisches Regime immer dann
besonders viele Raketen zündet, wenn die Aufmerksamkeit der Weltmächte
gerade anderen Ereignissen und Krisen gilt. So steht China kurz vor den
Olympischen Winterspielen in Peking, die am 4. Februar beginnen. Russland
und die USA und andere westliche Staaten konzentrieren sich gerade auf den
Konflikt um die Ukraine. Und in Südkorea beginnt jetzt die heiße Phase des
Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahlen am 9. März.
## Völker, hört die Signale aus Pjöngjang!
Pjöngjang scheint mit seinen Raketen daran erinnern zu wollen, dass der
Konflikt um sein Atomprogramm weiterhin ungelöst ist und die Weltmächte
gefälligst auf seine Forderungen nach einem Ende der UN-Sanktionen, nach
wirtschaftlichen Hilfen und einer Sicherheitsgarantie für das Regime
eingehen müssen.
Insbesondere Kim Jong Un, der anders als in vielen Hauptstädten erwartet
inzwischen seit zehn Jahren Nordkorea führt und längst unangefochten an der
Macht ist, hat die Tests als Methode der Öffentlichkeitsarbeit bei
gleichzeitiger Aufrüstung perfektioniert. Laut einer Zählung der [2][New
York Times] wurden unter Kim Junior mehr als 130 Tests durchgeführt
gegenüber 16 unter seinem Vater und 15 unter seinem Großvater.
Unter Kim Jong Un fanden auch vier der bisher sechs nordkoreanischen
Atomtests statt. Als er die Macht übernahm verfügte das Land über vier bis
sechs Atomsprengköpfe. Heute wird deren Zahl auf 40 bis 50 geschätzt.
Die Raketentests bedeuten auch oft ein Zurücknehmen vorheriger Zusagen
Nordkoreas, was es dann mit dem angeblichen Bruch der Versprechen der USA
begründet. Diese Taktik „des einen Schritt vor, einen Schritt zurück“
entpuppt sich dann vor allem als Zeitgewinn Pjöngjangs bei der
Weiterentwicklung seiner Waffen. Denn das Regime sieht seine Atomraketen
als seine wichtigste Lebensversicherung an.
## Erfolglose US-Politik gegenüber Nordkorea
Seit dem [3][Amtsantritt von Präsident Joe Biden] im Januar 2021 gab es
keine Gespräche Nordkoreas mehr mit den USA. Biden hat sich zwar offen
dafür gezeigt, aber die Denuklearisierung Nordkoreas als Ziel formuliert.
Pjöngjang erkennt das nicht an. Selbst hat Biden aber auch keine Initiative
gestartet.
Bisher haben sich alle US-Präsidenten an Nordkoreas diktatorischem Regime
die Zähne ausgebissen oder sich gar nicht erst ernsthaft um eine Befriedung
des Konflikts bemüht. Der selbsternannte „Dealmaker“ Donald Trump traf Kim
2018 und 2019 persönlich. Doch konnten sie sich nicht einigen, worauf Kim
die Raketentests wieder aufnehmen ließ.
Barack Obama hatte auf „strategische Stabilität“ gesetzt, also gehofft, den
Konflikt irgendwie einfrieren zu können. Das hielt aber Nordkoreas
Nuklearrüstung nicht auf. Sein Vorgänger George W. Bush hatte Nordkorea mit
starken Worten („Schurkenstaat“) verdammt und zur „Achse des Bösen“
gezählt, biss sich an den Kims aber die Zähne aus und unterminierte dabei
noch den damaligen Entspannungskurs des Südens. Allenfalls Bill Clinton
schien einem Abkommen mit Pjöngjang nah, doch wurde er von den
Republikanern im US-Senat ausgebremst.
Dass die jetzigen Tests nur Kurzstreckenraketen betreffen und keine
Interkontinentalraketen, die das US-Territorium erreichen können, werten
manche Beobachter als Taktik. „Kims Ziel ist es, mit diesen Tests von
Kurzstreckenraketen einen Gewöhnungseffekt zu erzielen, der dann keine
Konsequenzen mehr nach sich zieht, und danach dann Mittel- und
Langstreckenraketen zu testen sowie eine Atomwaffe,“ vermutet Lee Sung-yoon
von der Tufts University im UN-Bundesstaat Massachusetts laut [4][New York
Times].
Die Tests könnten auch von innenpolitischen Probleme ablenken. Denn
Nordkorea hat sich in der Corona-Pandemie so stark isoliert und seine
Grenzen geschlossen wie kein anderes Land. Das Regime hat erst zum
Jahreswechsel indirekt einige der daraus resultierenden Wirtschaftsprobleme
eingeräumt, welche die ohnehin strukturelle Krise des Landes weiter
verschärft haben. Erst kürzlich wurde gemeldet, dass [5][der erste Zug seit
zwei Jahren] aus China die Grenze überschritten habe.
28 Jan 2022
## LINKS
[1] https://en.yna.co.kr/view/AEN20220127001554325?section=nk%2Fnk
[2] https://www.nytimes.com/2022/01/25/world/asia/north-korea-launches-missiles…
[3] /Bidens-erstes-Jahr-als-US-Praesident/!5826079
[4] https://www.nytimes.com/2022/01/25/world/asia/north-korea-launches-missiles…
[5] /Nach-zwei-Jahren-Abschottung/!5826279
## AUTOREN
Sven Hansen
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