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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Südkorea: Konservative Wende in Seoul
> Wahlsieger Yoon Suk-yeol ist für die desillusionierte Jugend kein
> Heilsbringer, sondern nur das kleinere Übel. Die USA können sich freuen.
Bild: Der konservative Kandidat Yoon Suk-yeol jubelt vor Anhängern über seine…
Peking taz | Bis um vier Uhr in der Nacht musste Yoon Suk-yeol warten, ehe
er die Siegerfaust gen Himmel ragen konnte. Mit weniger als einem
Prozentpunkt Vorsprung gewann der konservative Politdebütant Südkoreas die
extrem eng umkämpfte Präsidentschaftswahl. Der 61-Jährige leitet damit auch
eine politische Zeitenwende ein, denn nach fünf Jahren unter dem
linksliberalen Moon Jae-in wird das Land nun erneut von einem Konservativen
regiert.
Yoons erste Worte nach dem Sieg klangen allerdings nach dem vielleicht am
stärksten polarisierenden Wahlkampf in Südkoreas Geschichte geradezu
versöhnlich: „Nationale Einheit wird meine erste Priorität sein“, sagte d…
frühere Staatsanwalt.
Doch ganz gleich, wie aufrichtig seine Intention auch sein mag: An dieser
Mammutaufgabe wird er, wie bislang alle Präsidenten vor ihm, garantiert
scheitern. Denn durch die Gesellschaft verlaufen nach wie vor tiefe Risse:
zwischen rechts und links, Alt und Jung, aber auch Männern und Frauen.
Die Wahl hat zudem gezeigt, dass die alten, regionalen Trennlinien nach wie
vor Bestand haben: Die Ostprovinzen hielten ausschließlich zum
konservativen Lager, während der Südwesten eine liberale Hochburg blieb.
Schlussendlich jedoch gaben die jungen Wähler der bevölkerungsreichen
Hauptstadt-Region den entscheidenden Ausschlag.
## Yoons Sieg erklärt sich auch aus Scheitern des Vorgängers
Wofür Yoon steht, werden genauso viele Südkoreaner begrüßen wie
gleichzeitig auch verdammen: Er möchte die Wirtschaft liberalisieren,
Unternehmenssteuern senken und im Glauben an den freien Markt neue
Investitionen anlocken. Sein Wahlprogramm liest sich dabei wie die genaue
Antithese seines Vorgängers Moon.
Die Wahl vom Mittwoch lässt sich daher auch als Abstrafen seiner Amtszeit
interpretieren. Denn der ehemalige Menschenrechtsanwalt Moon ist nach
langanhaltender Beliebtheit letztlich mit praktisch all seinen Vorhaben
gescheitert.
Seine wichtigsten Vorhaben konnte der 69-Jährige nicht erreichen: Dass sein
Annäherungskurs gegenüber Nordkorea im diplomatischen Nirgendwo endete, lag
wohl außerhalb seiner Möglichkeiten. Doch innenpolitisch hat er die rasant
steigenden Immobilienpreise durch seine Regulierungen nur weiter angeheizt.
Die seit jeher grassierende Korruption unter der Politelite konnte er trotz
hehrer Versprechen auch nicht eindämmen. Und seit Kurzem bröckelt auch die
zuvor erfolgreiche Corona-Strategie.
## Harter Kurs gegen Nordkorea
Wahlsieger Yoon ist außenpolitisch ganz nach dem Geschmack des Verbündeten
in Washington: Der 61-Jährige möchte an den drakonischen
Nordkorea-Sanktionen festhalten, solange das Regime Kim Jong Un nicht sein
Atomprogramm vollständig abgerüstet hat.
Zugleich möchte Yoon die Erstschlagfähigkeit seines Militärs ausbauen und
als glaubhafte Drohkulisse aufbauen – was Pjöngjang zweifelsohne als
Eskalation wahrnimmt und mit militärischem Säbelrasseln goutieren wird.
Das ist wenig ermutigend, da das durch die Pandemie extrem isolierte und
wirtschaftlich desolate Nordkorea seit einigen Monaten bereits wieder stark
am Zündeln ist.
Dass Yoon auch gegenüber Peking einen härteren Kurs einschlagen wird,
könnte sich schon bald als bloße Wahlkampfrhetorik herausstellen. Denn
zumindest vorübergehend wird Südkorea weder der von den USA angeführten
Quad-Allianz im Indopazifik beitreten, noch direkte Kritik an Chinas
Menschenrechtsverbrechen äußern.
Die Angst vor wirtschaftlichen Repressionen vom Reich der Mitte sind auch
im konservativen Lager größer als das Bekenntnis zur liberalen Demokratie.
## Herausforderung demografischer Wandel
Die noch größeren Herausforderungen liegen für Yoon im Inneren. Südkorea
hat nicht nur eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt, sondern ist auch
die am rasantesten alternde Bevölkerung. Die urbane Jugend ist zunehmend
desillusioniert, da sie als erste Generation im Nachkriegskorea trotz
immensen Fleißes und Wettbewerbs nicht mehr den sozialen Aufstieg schafft.
Unzählige Universitätsabgänger halten sich mit Gelegenheitsjobs oder
flexiblen Beschäftigungsverhältnissen über Wasser, ohne Hoffnung auf
Eigentum und Altersvorsorge. Yoon ist zwar ganz sicher nicht ihre Hoffnung
– aber, so glauben viele von ihnen, die zumindest beste Wahl, die sie
derzeit haben.
10 Mar 2022
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Präsidentschaftswahl
Nordkorea
Südkorea
Kolumne Drinnen und Draußen
Atomtest
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