Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Architektur-Ausstellung aus China: Anleitung zum Bewegen
> Zhang Li ist Designer der Free-Style-Piste der Winterspiele in Peking.
> Die Ausstellung „Urban Ergonomics“ in Berlin zeigt seine Arbeiten.
Bild: Big Air Shougang im Shougang Industriepark in Beijing von TeamMinus
Hier darf man sich bewegen. Gleich am Eingang der Ausstellung „Urban
Ergonomics“ ist eine Projektionsleinwand mit der Aufforderung, ein Spiel zu
starten, aufgebaut. Man wird im Spiel gebeten, verschiedene Körperhaltungen
einzunehmen, die in vorgegebene geometrische Muster passen: den Rücken
krümmen, Gliedmaßen abwinkeln, die senkrechte Stehposition verlassen. Wenig
später erhellt sich der Sinn dieses Ausstellungs-Yogas. Eine Figur rast auf
Ski einen Abhang hinunter, springt über Rampen – und nimmt dabei die
Positionen ein, die man gerade vollführt hat. Je besser der eigene Körper
in die Musterformen passt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die grafische Free-Style-Ski-Figur unfallfrei ans Ziel kommt.
Die virtuelle Rampe ähnelt jener, die der chinesische Architekt Zhang Li in
ein früheres Industriegebiet im Norden Pekings gebaut hat und auf der bei
den aktuellen [1][Olympischen Winterspielen Wettkämpfe in den
Free-Style-Ski-Wettbewerben und im Snowboard] ausgetragen werden. „Big
Air“, große Luft, ist der Name der Sportstätte, und hoch in die Luft kommt
man tatsächlich.
„Die Bevölkerung, die wir befragt haben, wollte etwas Leichtes, Filigranes
als Kontrast zu der Schwere des Stahlwerks“, erläutert der Architekt Zhang
Li in einem Video in der Ausstellung seinen Ansatz. Er zeichnet sich
einerseits durch Befragen potenzieller Nutzergruppen aus; wie diese
Befragungen erfolgten, wird freilich nicht erklärt. Andererseits geht es
ihm um Bewegung und wie sich aus Bewegung menschlicher Körper im Raum
Architektur kreieren lässt.
## Junges Buzzword der Architektur
Daher ist die Präsentation der Arbeiten dieses Architekten und
Architekturforschers auch mit dem Titel „Urban Ergonomics“ versehen. Dieses
noch verhältnismäßig junge Buzzword der Architektur legt auf die
Interaktion zwischen menschlichen Körpern und gebauter Infrastruktur Wert.
Das kann durchaus paternalistische Elemente enthalten. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO etwa befürwortet Urban-Ergonomics-Programme
in der Hoffnung, dass gebaute Infrastruktur Menschen zu mehr Bewegung und
damit größerer Fitness und geringerer Anfälligkeit für Erkrankungen führt.
Wie viel magisches Denken darin liegt und wie stark die Effekte tatsächlich
sind, müssen Statistiker und Prognostiker mit geeigneten Daten, Werkzeugen
und Modellierungen herausfinden. Eine Sportanlage, die über die Spiele
hinaus auch der Normalbevölkerung zugänglich sein soll, passt zumindest in
dieses Muster.
Auch andere Projekte des Büros TeamMinus von Zhang Li, das eng mit der
[2][Universität Tsinghua] verbunden ist, an der Zhang Li auch eine
Professur innehat, setzen stark auf den Faktor Bewegung. Beim Kulturzentrum
Gujiaying Village im Pekinger Vorort Yanqing ist das Dach aufgebogen.
Besucher können darauf herumlaufen. Die Rampenform führt zu
unterschiedlichen Positionierungen in Horizontale und Vertikale und damit
zu verschiedenen Blickachsen.
Das Rampenprinzip wendet TeamMinus auch im Aranya Ideas Camp and Community
Center an, einer privat betriebenen Bildungseinrichtung. Dort wird man über
die großflächigen Stege mitten in die Landschaft hineingetragen.
## Professor und Publizist
Zhang Li ist einer der ersten Architekten, die sich Anfang der 2000er Jahre
in China selbstständig machten. Für den Architekturdiskurs in China spielt
er als Lehrender an der Universität Tsinghua und als langjähriger
Chefredakteur des Monatsmagazins World Architecture eine bedeutende Rolle.
Er selbst charakterisierte die Architekturlandschaft in China von zwei
Strömungen gekennzeichnet. „Es gibt die unabhängigen, oft im Ausland
ausgebildeten Architekten, die privat finanzierte Büros leiten. Und es gibt
den großen Strom von Tausenden Architekten, die in den staatlichen
Institutionen sitzen und das Bild der chinesischen Städte prägen“, sagte
Zhang Li in einem Interview mit dem Magazin ArchDaily. Ihnen allen billigt
er immer höhere Qualität zu.
In Chinas Architekturszene tut sich also etwas. Sie ist weniger
monolithisch, als man vom Ausland aus denkt. Ikonische Bauten wie die
Abfahrtsloipe der Free Styler und Snowboarder passen allerdings auch
prächtig in die Propaganda-Offensive der Kommunistischen Partei. Unter
diesem Gesichtspunkt bekommen die Körperübungen, zu denen man eingangs der
Ausstellung animiert wird, einen ganz anderen Sinn. Man macht selbst brav
nach, was gefordert wird. Weil das virtuelle Spiel daran erinnert, kommt
ihm sogar subversives Potenzial zu.
9 Feb 2022
## LINKS
[1] /Hoffnung-im-deutschen-Wintersport/!5826413
[2] /Opposition-in-China/!5700451
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Architektur
Ausstellung
China
Olympische Winterspiele 2022
Olympische Winterspiele 2022
muslimische Uiguren
Obdachlosenunterkünfte
Architektur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Snowboard-Veteranin siegt bei Olympia: Dem Zufall trotzen
Mit der 36-jährigen US-Amerikanerin Lindsey Jacobellis gewinnt eine
Snowbaordcross-Pionierin die Goldmedaille. Wichtig, sagt sie, sei mentale
Stärke.
Olympische Spiele in China: Die zerplatzte Illusion
Während der Olympischen Spiele von 2008 wollte die Welt glauben, China
würde sich liberalisieren. Das war ein fataler Irrtum. Eine
Bestandsaufnahme.
Architekturmuseum TU München: Die Abschaffung der Obdachlosigkeit
Die Ausstellung „Who’s next?“ im Architekturmuseum München in der
Pinakothek der Moderne beschäftigt sich mit Obdachlosigkeit in der Stadt.
Arctic Nordic Alpine bei Aedes: Architektur mit Landschaft
Ob sie nun ein Opernhaus bauen oder ein Hotel: Die Architekturen des
norwegischen Büros Snøhetta tauschen sich mit der Umwelt aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.