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# taz.de -- Streit um Impfpflicht in der Pflege: Bautzen gibt seinen Senf dazu
> Erst kündigte der Vize-Landrat von Bautzen an, die Impfpflicht bei
> Pflegepersonal nicht umsetzen zu wollen. Nun ruderte er zurück. Was ist
> da los?
Bild: Mal eben während einer Kundgebung gegen Coronamaßnahmen reden: Udo Wits…
Dresden taz | Nicht genug, dass ein Vize-Landrat am Montagabend zu Gegnern
der Coronaschutzmaßnahmen spricht und Jubel erntet. Udo Witschas (CDU)
kündigte vor mehreren Hundert Demonstranten auch an, dass der Landkreis
Bautzen die ab Mitte März geplante Impfpflicht für Personal von Kliniken
und Pflegeeinrichtungen nicht durchsetzen werde.
„Das Gesundheitsamt des Kreises wird Mitarbeitern in der Pflege und im
medizinischen Bereich kein Berufs- und Betreuungsverbot erteilen“, erklärte
er unter dem Beifall der Menge. Schon mit nur zehn Prozent ungeimpftem
Personal weniger könnten die Einrichtungen ihren Auftrag nicht mehr
erfüllen, warnte er.
Die Ankündigung eines bewussten Verstoßes gegen das am 10. Dezember vom
Bundestag beschlossene Bundesgesetz erhält unmittelbar vor der
[1][Bundestagsdebatte zur Impfpflicht am Mittwoch] besonderes Gewicht. Sie
hat aber auch eine Vorgeschichte in Sachsen und in der Person des
stellvertretenden Landrats Witschas.
Nach den rassistischen [2][Krawallen 2016 in Bautzen] redete Witschas im
August 2017 drei Stunden mit dem NPD-Kreisvorsitzenden Marco Wruck.
Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) rügte dieses Treffen. Der
damalige CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich forderte Aufklärung. Ein
Abwahlantrag von Grünen, SPD und Linken scheiterte, aber Witschas wurde
vorübergehend die Zuständigkeit für das Ausländeramt entzogen. In diesem
Jahr will er bei den Wahlen für das Amt des Landrats kandidieren.
## Landkreis fordert Land heraus
Am Montag hatte sich auch Landrat Michael Harig (ebenfalls CDU) in einem
Brief an seinen Parteifreund und Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
gegen eine Impfpflicht im Gesundheitswesen ausgesprochen. Kretschmer möge
sich auf Bundesebene für eine Änderung einsetzen. „Gesetzliche Regelungen
sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit
verbundene Ziele erreichbar sind“, heißt es in dem Schreiben Harigs.
Deshalb solle die einrichtungsbezogene Impfpflicht verschoben oder komplett
aufgehoben werden.
Proteste von Querdenkern und Impfgegnern waren in Bautzen und in der
umgebenden Lausitz stets besonders ausgeprägt und militant. Sprichwörtlich
waren die jeden Sonntagvormittag stattfindenden Demonstrationen von
restaurativen und kaisertreuen Kräften entlang der Bundesstraße 96 zu
beobachten.
In Freiberg, einer weiteren sächsischen Protesthochburg, solidarisierte
sich der Orthopäde Olaf Fischer Anfang Januar in einem spektakulären
Aushang mit den Gegnern einer Impfpflicht in medizinischen Bereichen.
Lieber wolle er seine Praxis schließen, als sich impfen zu lassen. Mehr als
50 Freiberger Ärzte verfassten daraufhin eine Gegendarstellung.
Eine allgemeine Impfpflicht lehnt auch Klaus Heckmann als Vorsitzender der
Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ab. Seit der Verbreitung der
Omikron-Variante sei eine Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben. Vor einem
Rückzug weiterer Pflegekräfte bei einer berufsbezogenen Impfpflicht hatte
schon im Oktober die Geschäftsführung der Thüringer Ilmkreis-Kliniken bei
einem taz-Besuch gewarnt.
## Es hagelt Kritik
Am Dienstag nun ist der Bautzener Vize-Landrat Witschas in die
Landesdirektion als Kommunalaufsichtsbehörde einbestellt worden. In der
Staatsregierung setzte sich Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am
klarsten von dessen Ankündigung ab. Witschas’ Verhalten sei „inakzeptabel
und ein Aufruf zum Rechtsbruch“. „Grundsätzlich hat sich jeder Landrat an
Recht und Gesetz zu halten“, betonte auch seine SPD-Kollegin vom
Sozialressort, Petra Köpping.
Mit Blick auf mögliche Ermessensspielräume der Gesundheitsämter verwies sie
auf einen noch abzustimmenden konkreten Erlass zur Gesetzesdurchführung.
„Die Versorgungssicherheit steht im Mittelpunkt“, blieb sie in ihrer
Aussage interpretierbar.
Ähnlich salomonisch antwortete auf taz-Anfrage der sächsische
CDU-Generalsekretär Alexander Dierks, zugleich sozialpolitischer Sprecher
der Landtagsfraktion. „Bundesgesetze sind nicht fakultativ, sondern durch
die zuständigen Stellen anzuwenden.“ Die Pandemie könne nur durch
Solidarität und Rücksicht, also durch Impfungen beendet werden. Einen
solchen Aufruf zur Impfung habe auch Ministerpräsident Kretschmer in den
Äußerungen der Bautzener Kreisspitzen vermisst, ließ Regierungssprecher
Ralph Schreiber ausrichten.
Nach seinem „Vortanzen“ bei der Landesdirektion am Dienstag ruderte
Witschas auf Twitter wieder ein Stück weit zurück. Der Kreis könne die
Impfpflicht nicht aufheben, die Verwaltung sei zur Umsetzung verpflichtet,
schrieb er dort. Die Aussetzung oder Aufhebung bleibe aber weiter die
politische Forderung des Kreises. Eine Abfrage der Impfquoten in Kliniken,
Heimen und Pflegediensten habe „wesentliche Impflücken“ ergeben. Aus
Gesprächen im Januar folge, dass eine Notfallplanung praktisch nicht
möglich sei, so Witschas. Bei Ausfall dieser Kräfte drohe in der Pflege ein
Notstand.
25 Jan 2022
## LINKS
[1] /Gewissensentscheidung-Impfpflicht/!5828442
[2] /Nach-Gewalt-in-Bautzen/!5341958
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
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