# taz.de -- Konflikt um die Ukraine: Der Ton wird rauer | |
> London wirft Moskau vor, eine pro-russische Führung in Kiew etablieren zu | |
> wollen. Derweil muss ein Bundeswehr-Vizeadmiral seinen Posten räumen. | |
Bild: Ukrainischer Soldat an der Frontlinie zu den Separatistengebieten in der … | |
LONDON/KIEW/BERLIN dpa/rtr | Mit einer beispiellosen Warnung hat die | |
britische Regierung dem Kreml unterstellt, Moskau wolle massiv politischen | |
Einfluss in der Ukraine nehmen. „Uns liegen Informationen vor, die darauf | |
hindeuten, dass die russische Regierung versucht, eine pro-russische | |
Führung in Kiew zu etablieren, während sie erwägt, ob sie in die Ukraine | |
einmarschieren und sie besetzen soll“, hieß es am Samstagabend in einer | |
Mitteilung des britischen Außenministeriums. | |
Aus Moskau kam eine scharfe Reaktion. Die Verbreitung dieser | |
„Desinformationen“ durch britische Medien sei einmal mehr der Beweis dafür, | |
„dass gerade die Nato-Länder, angeführt von den Angelsachsen, eine | |
Verschärfung der Lage rund um die Ukraine betreiben“, verlautete aus dem | |
russischen Außenministerium. Das britische Außenministerium wurde | |
aufgefordert, „die Provokationen und das Verbreiten von Unsinn | |
einzustellen“, erfuhr die Agentur Tass aus nicht genannter Quelle im | |
Außenamt in Moskau. | |
Als möglicher Kandidat für die Führungsposition in der Regierung in Kiew | |
wird von britischer Seite der frühere ukrainische Abgeordnete Jewgenij | |
Murajew genannt. Der von London als potenzieller Moskauer Statthalter | |
genannte Kandidat steht allerdings selbst seit 2018 auf einer russischen | |
Sanktionsliste. Murajew sagte der Sonntagszeitung The Observer, das | |
britische Außenministerium scheine „durcheinander“ zu sein. „Es ist nicht | |
besonders logisch. Ich bin aus Russland verbannt.“ Darüber hinaus sei Geld | |
von der Firma seines Vaters dort konfisziert worden. | |
Das britische Außenministerium teilte weiter mit, man habe außerdem | |
Informationen, dass weitere – namentlich genannte – ukrainische | |
Ex-Politiker in Kontakt mit den russischen Geheimdiensten stünden. Einige | |
hätten demnach Kontakt mit Sicherheitsdienstlern, die „an der Planung eines | |
Angriffs auf die Ukraine beteiligt“ seien. | |
## Ärger zwischen Ukraine und Deutschland | |
Unterdessen hat der Inspekteur der Deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, | |
nach umstrittenen Äußerungen zum Ukraine-Konflikt seinen Posten geräumt. | |
Das teilte das Verteidigungsministerium am Samstagabend den Obleuten im | |
Bundestag mit, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Zuvor hatte das | |
ukrainische Außenministerium die deutsche Botschafterin in der Ukraine, | |
Anka Feldhusen, einbestellt. Das Verteidigungsministerium in Berlin | |
distanzierte sich von Schönbachs Äußerungen. Dieser werde „auf eigene | |
Bitte“ abgelöst und zunächst von Konteradmiral Jan Christian Kaack ersetzt, | |
bis eine Nachfolge gefunden sei. | |
Vizeadmiral Schönbach hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für | |
den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. „Was er wirklich will, | |
ist Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt | |
entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich | |
fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert – und den | |
er vermutlich auch verdient.“ | |
Schönbach sagte zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: „Die | |
Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen.“ 2014 hatte Russland | |
die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert. Im Osten des Landes | |
kämpfen seither von Moskau unterstützte Rebellen gegen die prowestliche | |
Regierung in Kiew. Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches | |
in der Nähe der Ukraine wird [1][im Westen befürchtet], dass der Kreml | |
einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Schönbach sagte, dass | |
sich Russland ukrainisches Territorium aneignen wolle, sei „Nonsens“. | |
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der dpa: „Die Äußerungen | |
entsprechen in Inhalt und Wortwahl in keiner Weise der Position des | |
Bundesverteidigungsministeriums.“ Schönbach selbst teilte am Abend über die | |
Pressestelle der Marine mit: „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der | |
Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur | |
der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden.“ | |
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisiert die [2][Weigerung | |
der Bundesregierung], Waffen an sein Land zu liefern. „Wir sind enttäuscht | |
über Deutschlands anhaltende Weigerung, die Lieferung defensiver Waffen in | |
die Ukraine zu genehmigen, besonders in der derzeitigen Situation“, sagte | |
Kuleba der Welt am Sonntag laut Vorabbericht. „Wir wären noch enttäuschter, | |
wenn Deutschland nicht nur ablehnte, uns defensive Waffen zu liefern, | |
sondern auch noch andere daran hindern würde, dies zu tun.“ | |
Die US-Zeitung Wall Street Journal hatte am Freitag berichtet, Deutschland | |
blockiere die Lieferung deutscher Waffen durch Estland an die Ukraine. | |
Kuleba betonte, die Ukraine stehe unter keinem Waffenembargo. Sie habe nie | |
militärische Angriffsoperationen geplant und tue das auch jetzt nicht. Je | |
stärker die Ukraine jetzt sei, desto niedriger sei das Risiko eines | |
weiteren militärischen Konfliktes mit Russland. „Wir sind eine Nation, die | |
seit 2014 angegriffen wird, und wir wollen einfach in der Lage sein, uns zu | |
verteidigen und einen größeren Konflikt zu verhindern“. | |
23 Jan 2022 | |
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