| # taz.de -- Widerstand gegen Klimazerstörung: Gewalttätig sind die Konzerne | |
| > Der Druck muss erhöht werden: Sabotageakte gegen klimaschädliche | |
| > Produktionsformen sind legitim – nicht aber Zerstörungen von | |
| > Privateigentum. | |
| Bild: Extinction Rebellion besetzen Büroräume im Haus der Wirtschaft | |
| Brauchen die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegungen neue Strategien? | |
| Darüber wird [1][gerade kontrovers diskutiert]. Im Fokus steht unter | |
| anderem der Akt der friedlichen Sabotage. Nach meinem Verständnis stellt | |
| das eine Aktionsform dar, die darauf abzielt, zerstörerische Vorgänge von | |
| fossilen, agroindustriellen und sonstigen ressourcenraubenden Konzernen zu | |
| sabotieren. Stets, ohne Menschen dabei in Gefahr zu bringen. | |
| Was genau friedliche Sabotage meint, [2][ist diskutabel]. Das können | |
| Gruppen oder ganze Menschenmassen sein, die die Mittel des zivilen | |
| Ungehorsams ausweiten. Blockaden und Besetzungen werden länger als ein paar | |
| Stunden oder Tage gehalten und so Prozesse der Zerstörung zum Erliegen | |
| gebracht. Ebenso kommen kleinere Aktionsformen in Frage, in denen | |
| Gleisbette nutzungsuntauglich gemacht oder Gerätschaften wie Gasterminals, | |
| Kohlebagger oder -förderbänder demontiert oder abgeschaltet werden. Auch | |
| das Sabotieren von Tiermastanlagen, Produktionsstätten und Lieferstrukturen | |
| – etwa von Verbrennungsmotoren oder giftigen Pflanzenschutzmitteln – ist | |
| vorstellbar. | |
| Kürzlich hallte eine öffentliche Empörung auf, als ein Klimaaktivist mit | |
| einer Warnung für Aufsehen sorgte: Tadzio Müller meinte [3][in einem | |
| Spiegel-Interview], wenn die Regierung nicht endlich adäquate Maßnahmen zur | |
| Bekämpfung der menschengemachten Klimaerhitzung vollziehe, gebe es ab dem | |
| kommenden Sommer „brennende Autos“ in deutschen Innenstädten. | |
| Im selben Interview warnt er schließlich vor der Entstehung einer grünen | |
| [4][RAF]. Das Ergebnis war eine reißerische Debatte, die an den Anliegen | |
| und Entwicklungen innerhalb des breiten Spektrums der deutschen Umwelt- und | |
| Klimagerechtigkeitsbewegung vorbeigeht, indem sie diese mit gefährlichen | |
| Straftaten in Verbindung bringt. Denn was mit der RAF verbunden ist, sind | |
| Gewalt, Terrorismus, Entführungen und Mord. | |
| ## Debatten, die von den eigentlichen Problemen ablenken | |
| Die Medienresonanz darauf war bezeichnend. Von „Klimaschutz heiligt keine | |
| terroristischen Mittel“, „Sabotageakte[n] im Sinne einer grünen RAF“, ei… | |
| „selbsterfüllende[n] Prophezeiung“ oder „Fridays for Terror“ war die R… | |
| ebenso von „zerdepperte[n] Autoshowrooms, zerstörte[n] Autos …“. Das | |
| Zerstören von Privatautos oder Showrooms jedoch hat wenig mit friedlicher | |
| Sabotage zu tun. Individuelles Privateigentum zu zerstören, ist | |
| individuelle Konsumkritik, mehr nicht. Der Produktionsprozess ist längst | |
| abgeschlossen. Was bliebe, wäre eine weitere Spaltung der Gesellschaft – | |
| Autofahrende gegen Aktivist*innen. | |
| Die Maschinerien des zerstörenden Kapitals laufen im Hintergrund eifrig | |
| weiter. Dass Außenstehende oder konservative und rechte Kräfte nun das | |
| friedliche Vorgehen gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mit einer | |
| terroristischen Vereinigung in Verbindung bringen, war zu erwarten. Doch | |
| diese Debatte lenkt vom eigentlichen Thema ab. | |
| Einige Inhalte des neuen Koalitionsvertrags sind das Verdienst von Klima- | |
| und Umweltaktivist*innen. Ins Auge fallen besonders der Kohleausstieg | |
| und der Bürger*innenrat. Doch das Versprechen eines früheren und | |
| sozialverträglichen Kohleausstiegs bleibt so lange eines, bis es | |
| tatsächlich Realität geworden ist. Ein Bürger*innenrat ist erst | |
| gelungen, wenn seine Forderungen erfüllt sind. | |
| Damit aber nicht genug: Von einer tiefgehenden sozialökologischen | |
| Transformation sind wir noch meilenweit entfernt. Weder steht eine | |
| ernsthafte Verkehrswende oder der Ausstieg aus der fossilen Verbrennung | |
| bevor, noch gibt es adäquate Maßnahmen gegen das Massensterben der Arten | |
| oder die Vernichtung natürlicher Böden. Der Mythos vom grünen Kapitalismus | |
| als Lösung aller Probleme wird weiter aufrechterhalten. | |
| ## Den Druck erhöhen | |
| Es ist daher wichtig, den Druck zu erhöhen. Friedliche Sabotage kann dabei | |
| ein weiteres Instrument sein – basierend auf der Analyse, dass es fossile | |
| Konzerne sind, die für die menschengemachte Klimaerhitzung und | |
| Ökosystemzerstörung verantwortlich sind. Friedliche Sabotage eröffnet die | |
| Möglichkeit, lebensfeindlichen Konzernen auf direktem Wege das Handwerk zu | |
| legen und ihre zerstörenden Praktiken zum Investitionsrisiko zu machen. | |
| Gewalttätig sind Konzerne, die millionenschwere Schmutzkampagnen in Auftrag | |
| geben, Fake News verbreiten oder mit manipulativen Werbekampagnen die | |
| Menschen vom Kindesalter an mit nicht lebensnotwendigen Scheinbedürfnissen | |
| vollpumpen. Terror gegenüber dem Leben ist es, die Erdoberfläche in ein | |
| irreparables Schlachtfeld zu verwandeln, während die menschengemachte | |
| Klimaerhitzung und Ökosystemzerstörung bereits schwere Folgen nach sich | |
| ziehen. Diesen Praktiken gilt es den Kampf anzusagen. Bevor die gesamte | |
| Erdoberfläche zerrissen, vergiftet und verödet ist. | |
| Die Mittel des friedlichen und kreativen zivilgesellschaftlichen | |
| Widerstands sind noch lange nicht ausgeschöpft. Das Mantra der | |
| Gewaltfreiheit ist dafür grundlegend. Warum? Weil Gewalt gegen Menschen aus | |
| der privilegierten Position der deutschen Klimagerechtigkeitsbewegung | |
| heraus moralisch und strategisch abwegig ist. Die gewaltfreien Mittel sind | |
| in dieser Demokratie längst nicht ausgeschöpft. Zerstörende Gerätschaften, | |
| Infrastruktur und Produktionsstätten mit Werkzeugen oder dem eigenen Körper | |
| zu sabotieren, ist keine Gewalt. Wichtig ist es, professionelle | |
| Aktionskonzepte zu entwickeln sowie wissenschaftlich fundierte Begründungen | |
| und bildgewaltige Erzählungen anzubieten. | |
| Affektiv, wütend und chaotisch wirkender Aktionismus wird keine Früchte | |
| tragen. Weder wird er die kapitalistische Produktionsweise verhindern, noch | |
| wird man gesellschaftlichen Zuspruch bekommen. Viele von uns sind wütend. | |
| Wie diese Wut in gut durchdachte Strukturen transformiert werden kann, | |
| haben die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegungen in den vergangenen | |
| Jahren aufgezeigt. | |
| 10 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Radikalisierung-der-Klimabewegung/!5818370 | |
| [2] /Klimabewegung-und-Radikalitaet/!5818080 | |
| [3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/tadzio-mueller-wer-klimaschutz-v… | |
| [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Armee_Fraktion | |
| ## AUTOREN | |
| Tino Pfaff | |
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