# taz.de -- Unklare Coronaregeln in Flüchtlingsheim: Wenn die linke Hand nicht… | |
> Verwirrung um ein Geflüchtetenheim in Bremen: Der Flüchtlingsrat irrt | |
> sich bezüglich einer Quarantäne, die Behörde widerspricht den eigenen | |
> Zahlen. | |
Bild: In Quarantäne müssen auch in Bremer Geflüchtetenheimen nur Infizierte … | |
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel vom 21. Januar ist am 24. Januar | |
ergänzt und korrigiert worden. Neu ist der Teil rund um die unklare | |
Belegungsgrenze des Geflüchtetenheims an der Alfred-Faust-Straße. | |
Bremen taz | Es klingt drastisch: „Seit gestern werden alle 200 | |
Schutzsuchenden im Asyllager in der Alfred-Faust-Straße in eine pauschale | |
Corona Quarantäne gezwungen“, schreibt der Bremer Flüchtlingsrat am Sonntag | |
vor einer Woche auf Facebook. Doch so pauschal stimmt der Post nicht. Was | |
wahr ist: Mit Stand vom vergangenen Donnerstag waren 32 der 169 | |
Bewohner*innen positiv auf Corona getestet; 36 weitere mussten als | |
Kontaktpersonen in Quarantäne. | |
Laut der neuesten Quarantänerichtlinien durch die neue Bremer | |
Coronaverordnung müssen dreifach oder frisch Geimpfte ohnehin nicht mehr in | |
Quarantäne. Schon lange zuvor aber galt: Quarantäne [1][für ganze | |
Einrichtungen wie im April 2020] verhängt das Gesundheitsamt nicht mehr, | |
„auch wenn das für uns in der Sozialbehörde organisatorisch leichter wäre�… | |
so ein Sprecher der Sozialsenatorin. | |
Für die Quarantäne in der Erstaufnahmestelle Alfred Faust-Straße mussten | |
Infizierte laut Sozialbehörde nun innerhalb des Hauses auf einen | |
gemeinsamen Flur umziehen, Kontaktpersonen der Kategorie I auf einen | |
weiteren Flur. Dort teilen sich jeweils mehrere Familien oder | |
Einzelpersonen ein Bad. Das Essen wird vor der Zimmertür abgestellt. Die | |
Kinder der Quarantänisierten dürfen bei ihren Eltern im Zimmer bleiben – | |
auch wenn sie selbst nicht infiziert sind. Die Flurquarantäne gilt damit | |
aber auch für sie. | |
Dass es zu dem Missverständnis um die pauschale Quarantäne gekommen ist, | |
erklärt der Flüchtlingsrat auch mit der Informationspolitik in den | |
Geflüchtetenwohnheimen. „Unser Eindruck ist immer wieder: Es gibt keinen | |
Willen zu guter Kommunikation“, so Sprecherin Gundula Oerter. „Eine | |
Quarantäne ist und bleibt ein Ausnahmezustand, die Betroffenen haben ein | |
Recht auf Information. Und zwar solche, die auch nützlich sind.“ | |
## Intransparenz der Behörde zur Belegungsgrenze | |
In der ersten Coronawelle hatten sich in einer anderen Erstaufnahmestelle | |
in Bremen in der Lindenstraße zeitgleich 300 Geflüchtete infiziert. Damals | |
hatte die Gesundheitsbehörde der Sozialbehörde schließlich einen | |
Belegungsstopp auferlegt – und die maximale Belegungsgrenze für die | |
Übergangswohnheime während der Pandemie herabgestuft. | |
In der Alfred-Faust-Straße wohnen aktuell 169 Menschen. Wie viele es sein | |
dürften, darum gibt es auch innerhalb der Verwaltung einige Verwirrung – | |
und Intransparenz. 180 der 240 theoretisch vorhandenen Plätze dürften | |
belegt werden, schreibt die Sozialbehörde auf Anfrage der taz. | |
Laut einer [2][Deputationsvorlage derselben Behörde] für die Sitzung am 13. | |
Januar dieses Jahres aber dürften es nur 120 sein, merkte der | |
Flüchtlingsrat nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels an. | |
„Aufgrund des […] Anstiegs der Zugangszahlen ist diese Begrenzung […] auf | |
bis max. 120 Personen am Standort Alfred-Faust-Straße während der | |
Corona-Pandemie im Moment nicht einzuhalten“, heißt es in der Vorlage. | |
Diese Aussage aus dem Sachstandsbericht für die Deputation (und damit die | |
Öffentlichkeit) sei ein Fehler seiner Behörde, so Bernd Schneider, Sprecher | |
der Sozialsenatorin; 180 sei die korrekte Zahl. | |
Das Problem: Die Zahl 180 geht nur auf einen internen Verwaltungsbeschluss | |
zurück, der nach außen bisher nie kommuniziert wurde, schriftlich auch nur | |
in internen Verwaltungsdokumenten festgehalten ist und innerhalb der | |
Verwaltung offenbar auch nicht zu jedem Zeitpunkt bekannt war. Beschlossen | |
wurde sie innerhalb der Sozialbehörde – also nicht etwa vom | |
Gesundheitsressort, das 2020 die Obergrenze eingefordert hatte. | |
## Es fehlt an dezentraler Unterbringung | |
Mehr Klarheit gibt es zur Landesaufnahmestelle Lindenstraße, die 2020 durch | |
den massiven Coronaausbruch überregional bekannt geworden ist. Dort werden | |
[3][seit Herbst die Belegungsgrenzen ganz eindeutig nicht eingehalten], | |
auch laut Behörde. Anfang vergangener Woche lebten dort laut Sozialbehörde | |
346 statt der erlaubten 250 Menschen. | |
Sechs Außenstellen gibt es bereits, um die Erstaufnahmestellen zu | |
entlasten, weitere sollen laut Behörde geschaffen werden – ausreichend | |
dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für alle gibt es damit aber nicht. | |
Der Geflüchtetenrat fordert schlicht Wohnungen auch für die neuankommenden | |
Geflüchteten im Asyl- oder im langwierigen Duldungsverfahren. | |
Denn für Gundula Oerter zeigt auch der aktuelle Ausbruch mit 32 | |
Infizierten: „Alle sind gefährdet, sich anzustecken. Das wird in Kauf | |
genommen“, sagt sie. „Gerade in einer Pandemie, aber auch sonst, ist | |
Massenunterbringung grundsätzlich abzulehnen. Sie gefährdet die | |
Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit.“ | |
21 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268 | |
[2] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZX3_Lr_i… | |
[3] /Ueberlastung-der-Bremer-Erstaufnahme/!5809346 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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