# taz.de -- Sexuelle Gewalt: Die doppelte Flucht | |
> Die Syrerin Nimat muss eine Zwangsehe eingehen. In Deutschland wird sie | |
> Erfahrungen von Vergewaltigungen nicht los, setzt die Scheidung durch. | |
Endlich ließ sie sich von ihm scheiden. „Acht Jahre lang waren wir | |
verheiratet, acht Jahre ohne Liebe und ohne dass ich auch nur einen | |
Orgasmus hatte. Pausenlos dachte ich nur daran, was ich alles verloren | |
hatte. Aber das Schlimmste war für mich, zu begreifen, dass ich in all den | |
Jahren nur vergewaltigt worden war“, sagt Nimat. | |
Bei Zoom beschränken sich Begegnungen auf einen kleinen rechteckigen | |
Bildausschnitt, und die Person, mit der man spricht, wird zu so etwas wie | |
einem Krümel ihrer selbst. Auf dem Monitor sehe ich eine Frau Ende zwanzig | |
mit kurzem, nur lässig gepflegtem Haar. Sie schiebt einen Haufen Bücher und | |
Zettel weg, die rechts von ihr liegen, um ihren Arm frei bewegen zu können. | |
Das Chaos möge ich bitte entschuldigen. Sie habe keine Lust, sich ein | |
Bücherregal zu kaufen, denn die meisten ihrer Sachen verwahre sie in nur | |
zwei Taschen auf dem Schrank, um sie jederzeit dahin mitnehmen zu können, | |
wo sie einen Job oder ein besseres Leben findet. Es sei denn, dass Alltag, | |
Rechnungen und Steuermahnungen sie eines Tages so vereinnahmen, dass sie | |
keine Zeit mehr zum Träumen habe. | |
Nimat ist nicht ihr richtiger Name. 2015 ist sie mit ihrem Mann aus Syrien | |
geflohen, setzte wie Zigtausende von der Türkei nach Griechenland über, | |
gelangte von dort zu Fuß nach Deutschland. Geheiratet hatte sie schon Ende | |
Februar 2011, wenige Tage nach ihrem achtzehnten Geburtstag. Es war eine | |
arrangierte Ehe. „Achte nicht auf das, was sie sagt“, riet ihre Mutter dem | |
frischgebackenen Schwiegersohn zu. „Heute ist dein Tag.“ | |
Gleich in der ersten Nacht sollte die Ehe vollzogen werden, da konnte Nimat | |
noch so sehr um Zeit bitten, um sich erst einmal darauf einzustellen. Ihre | |
Mutter hatte nie mit ihr über den weiblichen Körper oder die Natur | |
sexueller Beziehungen gesprochen, auch in der Schule fand Sexualunterricht | |
nicht statt. | |
Es gab so viele Fragen, die zu stellen sich nicht gehörte, daher verstand | |
Nimat überhaupt nicht, warum ihre sonst so liebevolle Mutter ihrem | |
Bräutigam auftrug, ihr vom ersten Tag an die Jungfräulichkeit zu nehmen. | |
Jene Hochzeitsnacht voller Anspannung und Unwissenheit prägte ihr | |
Verhältnis zu ihrem Mann und prägt ihr Leben bis heute. | |
## Nimat verstand ihren Körper nicht mehr | |
Zehn Jahre später fragte Nimat ihre Mutter einmal während eines | |
Telefongesprächs, ob sie eigentlich beschnitten sei. „Natürlich nicht! Was | |
ist los mit dir?“, wunderte sich die Mutter. Tatsächlich wird | |
[1][Genitalverstümmelung] in Syrien nicht praktiziert. | |
Aber Nimat verstand ihren Körper nicht mehr. Sie kann sich nicht | |
entspannen. Ihr Körper lässt keine Berührung zu, sie akzeptiert von | |
niemandem auch nur Zuneigung, und bis heute, obgleich sie seit einigen | |
Jahren geschieden ist und seitdem mehrere Partner hatte, hat sie noch | |
keinen Höhepunkt erlebt. | |
Gemäß den Traditionen ihres Dorfes nördlich von Damaskus wartete der | |
Frischvermählte mit seinem zweiten nächtlichen Angriff mindestens zwei | |
Tage, damit die durch die Deflorierung der Braut hervorgerufene Wunde | |
verheilen kann und der Schmerz nachlässt. Aber Nimats Schmerzen hörten | |
nicht auf, und weder ihr Mann noch Mutter oder Schwiegermutter konnten | |
daran etwas ändern. | |
Die Apothekerin, zu der die Mutter sie mitnahm, sollte helfen. Diese gab | |
Nimat ein Betäubungsmittel, das die Braut „da unten“ auftragen sollte, um | |
den Schmerz zu lindern. Niemanden, schon gar nicht den Ehemann, kümmerte | |
es, dass Nimat nun überhaupt nichts mehr fühlte. „Ich ertrug es jeweils | |
eine Viertelstunde, dass er auf mir lag, und auch er machte schnell, weil | |
er merkte, wie er mich anwiderte.“ | |
Ein ganzes Jahr lang war sie nun schon verheiratet, und sie hätte wohl nie | |
begriffen, was an Sex so bedeutsam sein sollte, hätte sie nicht zu Beginn | |
des Aufstandes in Syrien Vertriebene versorgt und erlebt, wie Dutzende | |
konservativer Familien notdürftig in einer Schule am Stadtrand von Damaskus | |
einquartiert wurden. Die Toiletten wurden kurzerhand umfunktioniert, indem | |
Duschen in die winzigen Kabinen eingebaut wurden. Vor den sechs | |
„Badezimmern“ standen nun Ehepaare an, um darin einen schnellen ehelichen | |
Verkehr zu vollziehen, nur um die Räume gleich danach wieder anderen zu | |
überlassen. | |
Niemand störte sich an den Geräuschen, die durch die dünnen Türen drangen, | |
denn zum einen taten diese Menschen eine religiöse Pflicht, und zum anderen | |
waren Essen, Toilettengang und Geschlechtsverkehr das Einzige, was sie dem | |
Tod entgegenzusetzen hatten. Nimat verstand nur nicht, was an Sex so | |
unaufschiebbar war. | |
## Hass und Selbstverachtung | |
Einmal drehte sie ihrem neben ihr schlafenden Mann den Rücken zu und | |
spielte mit sich selbst. „Was treibst du da?“, schrie er, als er aufwachte, | |
und schlug ihr auf die Hand. Nimat spürte Hass und Selbstverachtung. „Ich | |
war für ihn so etwas wie eine Toilette, in die er hineinpinkelt und dann | |
weggeht. Ich hoffte, dass ich ihn dafür wenigstens hier in Deutschland zur | |
Rechenschaft würde ziehen können, selbst wenn ihm vielleicht nie klar war, | |
dass er mich bisher vergewaltigt hatte.“ Nimat läuft heute noch vor Wut rot | |
an und ihre Stimme stockt. | |
In manchen religiösen Familien wird Mädchen beigebracht, Sex so | |
einzusetzen, dass sie ihre Ehemänner damit kontrollieren können. „In | |
unserer Familie lasen sich die frommeren Frauen aus [2][Hadith-Sammlungen], | |
Traditionsbüchern und der Prophetenbiografie das an, was sie zum eigenen | |
Besten einsetzen konnten“, berichtet Nimat. Aber weder sie noch ihr Mann | |
waren religiös, sodass ihr auch dieser Weg nicht offenstand. Sie räumt | |
offen ein, dass sie genauso wenig über Männer wusste wie er über Frauen, | |
sonst hätte sie vielleicht gelernt, wie sie mit ihm umgehen kann, ohne ihn | |
ihrerseits durch ihre ständige Geringschätzung und Ablehnung zu verletzen. | |
Nimats sexuelle Frustration wurde zu einem psychosomatischen Leiden. Ihre | |
deutsche Ärztin meinte, so etwas kenne sie gut von Frauen aus dem Nahen | |
Osten, und verschrieb ihr ein Aphrodisiakum. Nimat kommt beim Gespräch über | |
Zoom immer näher an ihren Monitor und schreit fast: „Ich habe kein Problem | |
mit meiner Libido! Ich brauche keine Sexpillen! Der Fluch, der auf mir | |
lastet, ist meine Weiblichkeit. Diese Ärztin fragte mich nicht einmal, | |
worunter ich leide.“ Vielleicht habe sie auch nicht gewusst, was sie eine | |
junge Frau mit Kopftuch fragen sollte, überlegt Nimat. | |
Nimat hatte sich immer für stark gehalten. Mit zehn Jahren machte sie einem | |
Freund ihres Vaters einen Skandal, nachdem dieser sie sexuell belästigt | |
hatte. Sie wollte nicht aus Scham und Schande schweigen, so wie die anderen | |
Mädchen. Und während des Bürgerkrieges fuhr sie jede Woche von ihrem Dorf | |
zum Ingenieursstudium nach Damaskus, allen Lebensgefahren zum Trotz, und | |
sie dachte immer, dass sie diese Stärke der ganzen Welt entgegensetzen | |
könnte. | |
Aber als sie 2015 nach Deutschland kam, war sie ausgebrannt und wollte nur | |
noch im Dunkeln sitzen. Anders als die meisten ihrer Landsleute hasste sie | |
die Sonne, so depressiv war sie. Der Psychiater wollte nicht viel über ihr | |
Privatleben wissen: „Er begnügte sich damit, dass ich aus einem Krieg | |
geflüchtet war, und sprach von Dingen, die alle meine Bekannten hier zu | |
hören bekamen: Trauma, Vitamin D, viel Wasser trinken …“ | |
Unter Geflüchteten ist diese Empfehlung deutscher Ärzte oder Psychologinnen | |
ein beliebter Witz geworden. In den Chatgruppen der syrischen Diaspora | |
klagen viele darüber, dass ihre persönlichen Leiden und physischen Symptome | |
nicht ernst genommen, sondern als Folgen von Flucht und Krieg | |
verallgemeinert werden. | |
Nimat erzählt: „Anders als ich immer geträumt hatte, wollte ich nicht als | |
Erstes zu einem Besuch nach Syrien reisen, als ich meinen deutschen Pass | |
bekam. Nicht nur aus Angst vor allem, was mir dort passieren könnte, | |
sondern auch, um die Bilder meiner Kindheit und Jugend zu schützen, die ich | |
von Syrien noch im Gedächtnis habe. Außerdem ist meine Kommunikation selbst | |
mit meinen besten Freunden dort mühevoll geworden. Ich fühle mich so | |
ohnmächtig, dass ich nur noch, so oft es geht, Geld schicke.“ | |
Nimat betrachtet ihre Beziehung zu Deutschland als eine des wechselseitigen | |
Nutzens und sieht sich in einer Art Vertrag, seit sie als Geflüchtete hier | |
ankam: Dieses Land bietet ihr relativen Schutz, Bewegungsfreiheit, soziale | |
Absicherung und die Möglichkeit, zu studieren und zu arbeiten. Sie bietet | |
dafür ihre Arbeitskraft an, zahlt Steuern und muss sich nicht vor einer | |
Ausweisung fürchten, weil sie gelernt hat, ganz anders als in Syrien, auf | |
den Rechtsstaat und seine Institutionen zu vertrauen. | |
Die deutsche Staatsbürgerschaft war für sie so etwas wie „ein Zeugnis der | |
Anerkennung für sechsjährige Mühen und Kämpfe, wie ein Deutscher sie sich | |
nicht vorzustellen vermag, wenn er Noten für Integration verteilt, und | |
dafür, dass ich in jedem Moment unter Beweis stellen muss, dass ich es | |
verdiene, gleichberechtigt hier zu leben“. | |
## Die Scheidung | |
Ihre deutschen Altersgenossinnen sind finanziell abgesichert, haben | |
Lebens-, Liebes- und sexuelle Erfahrungen gemacht, während sie eine Lücke | |
von zehn Jahren, wenn nicht ein ganzes Leben, überbrücken muss. „Es ist ein | |
Wettlauf, der nie enden wird, solange ich einen ausländischen Namen und | |
Akzent habe“, sagt Nimat. 2017 schrieb sie sich an einer thüringischen | |
Universität ein, weit genug entfernt von ihrem ursprünglichen | |
Aufenthaltsort in Deutschland, um dorthin ziehen zu müssen, und kehrte nie | |
wieder in die eheliche Wohnung zurück. Sie reichte die Scheidung ein, in | |
die ihr Mann 2018 einwilligte. Ein Jahr lang versuchte er, sie | |
zurückzugewinnen. | |
Nimat begann nach Heilung zu suchen. Ihr Körper war verwundet und sie | |
verstand ihn nicht. „Ich dachte, vielleicht ist Liebe die Lösung“, sagt | |
sie. „Im Herbst 2019, eineinhalb Jahre nach meiner Scheidung, habe ich mich | |
hier in einen jungen Mann verliebt, der wie ich Gewalt und Entfremdung | |
erlebt hatte. Aber selbst das bewahrte mich nicht davor, einen Orgasmus | |
vorgaukeln zu müssen. Mein Körper spielte einfach nicht mit, und ich | |
glaubte, es liege daran, dass mein Partner mich nicht genug liebte und | |
nicht genügend für mich da war. Mir wurde klar, dass wir uns gegenseitig | |
wohl nicht würden heilen können, und so trennten wir uns wieder.“ | |
Nimat bezog zum ersten Mal in ihrem Leben eine eigene Wohnung, in einem | |
kleinen Dorf bei Weimar, und setzte ihr Bauingenieursstudium fort. Schon | |
vor Beginn der Coronapandemie gab es dort nicht viele Möglichkeiten, | |
jemanden kennenzulernen, und Glück hatte sie in ihrem kleinen | |
Bekanntenkreis nur mit Männern, die aufgrund unglücklicher Erfahrungen ein | |
gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper hatten. Sie wussten so wenig über Sex | |
wie sie oder kannten ihn nur aus Pornos. Sie hatten falsche Vorstellungen | |
von Frauen und hatten bisher nur geheime Beziehungen gehabt, die mit | |
Schuldgefühlen einhergingen und bei denen sie ihren Glauben austricksten | |
und Gott vorspielten, sie seien keine Sünder. | |
„Ich kann nicht verstehen, wie solche Versager glauben, ein Anrecht auf | |
eine Jungfrau mit glattem Bauch und großen Brüsten zu haben, möglichst mit | |
Kopftuch“, sagt Nimat, steht auf und führt wütend die Zellulitis an ihrem | |
Bauch vor, die das Ergebnis von wiederholter Gewichtszunahme und -abnahme | |
ist. Und sie erinnert sich dann an die beste Beziehung, die sie bisher | |
hatte: mit einem Mann, der zuvor mit einer Deutschen zusammen gewesen war. | |
„Die deutsche Frau hatte ihm beigebracht, wie er mit einem weiblichen | |
Körper und seinem eigenen umgeht. Aber später hat er sich daran erinnert, | |
dass ich ja Araberin bin, und nahm sich ein Verhalten heraus, dominant, | |
eifersüchtig, das er sich bei keiner Deutschen erlaubt hätte.“ | |
## Das Kopftuch | |
Nimat traf irgendwann eine schwierige Entscheidung: Sie legte das Kopftuch | |
ab und zeigte sich öffentlich. Nichts deutete nun mehr darauf hin, woher | |
sie kam. Ab nun sollte alles nach Plan laufen, mit einem flexiblen | |
Zeitrahmen zwar, aber in Einklang mit einer Zukunft, von der sie, wenn auch | |
mit unruhigem Herzen, noch immer träumt. | |
„Mit Kopftuch war ich nicht gläubiger gewesen, und ohne bin ich es nicht | |
weniger. Allerdings bin ich jetzt mit dem Groll vonseiten meiner Familie | |
konfrontiert und in den sozialen Netzwerken werde ich angegriffen und | |
blockiert. Aber zumindest muss ich mich nicht mehr mit Leuten | |
auseinandersetzen, die mich wegen meines Kopftuchs bevormunden, heiraten | |
oder gar ‚retten‘ wollten. Und vor allem bin ich das Framing der Deutschen | |
los, die mich zuvor als schwach und unwürdig angesehen haben.“ | |
Den [3][Hidschab] abzulegen, erfordert Mut, besonders für eine geschiedene | |
Frau. Wäre Nimat noch in ihrem kleinen Heimatort in Syrien gewesen, dann | |
hätte sie diesen Schritt nie gewagt – auch überhaupt nur daran gedacht. | |
Sich scheiden zu lassen, gilt als unehrenhaft und ist schambesetzt. Ein | |
Teil von Nimats Familie weiß deshalb bis heute nichts von der Trennung, | |
würde möglicherweise den Kontakt zu ihr abbrechen. | |
Bei Eheproblemen wird meist die Frau verantwortlich gemacht, und nur wenn | |
sie auf Zeugungsunfähigkeit des Gatten plädiert, kann sie eine Scheidung | |
vor Gericht erreichen, die auch gesellschaftlich akzeptiert wird. Zwar | |
steigt die Scheidungsrate in Syrien, aber Tadel, Ablehnung und | |
Schuldvorwürfe bleiben an den Frauen hängen. Selbst körperliche Gewalt | |
zählt als Argument nicht, es heißt dann, die Frau habe die Prügel wohl | |
verdient. | |
## Es geht vielen Frauen so wie Nimat | |
Nimats Geschichte ist kein Einzelschicksal. Es gibt keine Statistik | |
darüber, wie viele Syrerinnen sich nach ihrer Flucht in Deutschland von | |
ihrem Mann trennten. Doch in den entsprechenden Gruppen der sozialen Medien | |
über Frauensolidarität wird intensiv über das Wie und Ob von Scheidungen | |
diskutiert. Das führt häufig dazu, dass die verlassenen Ehemänner und | |
enttäuschte Verwandte den Frauen vorwerfen, nur deswegen nach Deutschland | |
gekommen zu sein, um sich dort scheiden zu lassen. | |
Nur wegen ihres neuen Äußeren fühlt sich Nimat jetzt nicht freier oder | |
stärker als zuvor. Ihr fliegendes Haar trägt sie nicht in eine Welt, in der | |
alle Frauen frei sind. Sie bejubelt auch nicht jene, die meinen, der Islam | |
verhülle nicht nur die Haare, sondern auch den Verstand. | |
Eigentlich hat sich gar nichts verändert. Ihre Kommilitonen an der | |
Universität begrüßen sie ganz normal und sprechen wie immer darüber, wo sie | |
sich für einen Job oder ein Praktikum beworben haben. Niemand | |
beglückwünschte sie zu ihrem mutigen Schritt, und niemand versuchte Kritik | |
oder Erstaunen zu verbergen. Und auch sie sieht andere Studentinnen nicht | |
schräg an, wenn diese ebenfalls plötzlich ohne ein Kopftuch durch die | |
weiten Gänge laufen. Es schien, dass viele ihrer muslimischen | |
Kommilitoninnen ganz ohne Absprache dieselbe pragmatische Entscheidung | |
getroffen hatten: So kurz vor dem Studienabschluss und dem Eintritt in den | |
Arbeitsmarkt werden sie ohne Kopftuch bessere Chancen haben. Auch wenn es | |
bestimmt nicht gerechter zugehen wird als zuvor. | |
In der arabischen Gesellschaft, die Frauen glorifiziert, solange sie dem | |
Ideal der Keuschheit entsprechen, erfordert es viel Mut von ihnen, ihr | |
Recht auf sexuellen Genuss einzufordern. Ein Dildo, der nicht mehr als 15 | |
Euro kostet, kann eine günstige Alternative sein im Vergleich zu all den | |
Problemen, die sie bekommt, wenn sie auf ihrem Recht besteht, selbst bei | |
ihrem Ehemann. Geht sie außereheliche Beziehungen ein, wird sie oft als | |
Hure stigmatisiert. Und dies trifft nicht nur muslimische Frauen, denn | |
Sitten und Traditionen, was Frauen dürfen und was nicht, ähneln sich in der | |
arabischen Welt. Vergewaltigung in der Ehe stellt in keinem dieser Länder | |
einen Straftatbestand dar. | |
„Ich spüre, dass ich göttlich bin, ich habe mich selbst erschaffen und | |
liebe diesen Menschen. Ich liebe auch das Leben, ich bin dankbar dafür, | |
trotz allem, was mir gestohlen wurde: meine Kindheit, meine sexuelle | |
Gesundheit und meine Träume. Aber vor allem betrachte ich meinen Unterleib | |
nicht mehr als Fluch“, sagt Nimat. | |
Übersetzung aus dem Arabischen: Günther Orth | |
Die Veröffentlichung dieses Textes wurde unterstützt durch ein Stipendium | |
des [4][NewsSpectrum Fellowship Programm]. Zeitgleich erscheint sie auf der | |
Website von [5][Syria Untold] in [6][Arabisch] und [7][Englisch] | |
31 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Tag-gegen-weibliche-Genitalverstuemmelung/!5749099 | |
[2] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/islam-lexikon/21426/hadith | |
[3] https://www.ndr.de/kultur/Burka-Niqab-und-Hidschab-Das-sind-die-Unterschied… | |
[4] https://newsspectrum.eu/ | |
[5] https://newsspectrum.eu/ | |
[6] https://syriauntold.com/ar/ | |
[7] https://syriauntold.com/en/ | |
## AUTOREN | |
Souad Abbas | |
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