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# taz.de -- Illegale „Heimführungen“ nach China: Unfreiwillige Rückkehrer…
> China soll flüchtige Bürger mit systematischer Erpressung zurück in die
> Heimat führen. In Europa ist vor allem ein Land dabei behilflich.
Bild: Beijing: Ein NGO-Bericht kritisiert Chinas sogenannte „Heimführungen“
Peking taz | Wang Jingyu ist gerade einmal 19 Jahre alt, und dennoch wird
er vom Sicherheitsapparat seines Heimatlands [1][China] wie ein
Spitzenkrimineller gesucht. Der Student hatte in einem Online-Post die
offiziellen Todesangaben der Volksbefreiungsarmee bei einem Grenzkonflikt
mit indischen Soldaten angezweifelt. Was nach einer Banalität klingt, ist
in China eine hochgradig „verräterische“ Angelegenheit.
Wang, der sich im Juni 2020 per Flugzeug auf den Weg in seine Wahlheimat
USA machte, wurde bei der Zwischenlandung kurzerhand von den Behörden in
Dubai festgesetzt. In seiner Heimatstadt Chongqing bedrohten chinesische
Polizisten gleichzeitig seine Eltern.
„Sie haben meinen Eltern gesagt, dass sie mich zum Aufgeben drängen
sollen“, berichtet Wang später. Erst als internationale Medien über den
Fall berichteten, wurde der junge Chinese freigelassen. Doch in seine
Heimat wird Wang wohl so schnell nicht wieder zurückkehren können. Derzeit
beantragt er humanitäres Asyl in den Niederlanden.
Was nach einem Einzelfall klingt, hat System: Bereits 2014 initiierte die
chinesische Regierung eine Kampagne namens „Operation Fuchsjagd“. Diese
hatte sich zum Ziel gesetzt, als Teil von Staatschef Xi Jinpings
Anti-Korruptionskampagne wohlhabende Chinesen im Ausland, die aufgrund
mutmaßlicher Veruntreuung von öffentlichen Geldern geflohen sind, in ihre
Heimat zurückzuholen. Damals behauptete Peking, dass rund 18.000
Regierungsbeamte außer Landes geflohen seien.
Doch bei vielen Staaten sind Chinas Versuche, bilaterale
Auslieferungsabkommen abzuschließen, auf Granit gestoßen. Und selbst wenn
diese zustande gekommen sind, wurden sie in der Praxis kaum angewandt.
## Illegale Methoden
Wie nun ein am Dienstag publizierter [2][Bericht] der schwedischen
Menschenrechts-NGO Safeguard Defenders aufzeigt, ist der chinesische Staat
in den letzten Jahren bei der „Heimführung“ flüchtiger Bürger zunehmend …
moralisch hochgradig fragwürdige und oftmals schlichtweg illegale Methoden
ausgewichen.
„Wir haben herausgefunden, dass die absolute Mehrheit der Fälle auf drei
verschiedene Weisen gehandhabt wird“, heißt es in dem Report. Entweder wird
eine Kombination aus Überzeugung und Einschüchterungsversuchen gegen
Familienangehörige des Betroffenen in China angewandt. Oder aber der
Flüchtige wird direkt im Ausland von entsandten Agenten bedroht, etwa von
verdeckt arbeitenden chinesischen Polizisten oder privat angeheuerten,
lokalen Detektiven. Im chinesischen Rechtsjargon fallen beide Methoden
unter den Sammelbegriff „Überzeugung“ oder „verhandelte Rückführungen�…
Als „irreguläre Methoden“ wird das bezeichnet, was die NGO Safeguard
Defenders für staatlich orchestrierte Entführungen hält. Dabei wird die
Zielperson zunächst unter falschen Versprechen in einen Drittstaat gelockt,
der ein Auslieferungsabkommen mit China unterzeichnet hat.
2020 hat ein illegaler Rückführungsversuch in den USA für öffentliche
Kritik gesorgt. Ein US-Bürger, dessen Verwandte in China leben, wurde Opfer
einer mutmaßlich von der chinesischen Regierung orchestrierten
Erpressungskampagne. „Wenn du zurück ins Mutterland gehst und zehn Jahre
hinter Gittern verbringst, dann wird es deiner Frau und deinen Kindern gut
gehen“, stand auf einer schriftlichen Notiz, die der Mann vor seinem Haus
in New Jersey vorfand.
## Chinas Polizisten mit Schweiz-Visum
Die NGO Safeguard Defenders hat laut eigener Aussage solch illegale
Abschiebungen in über 120 Ländern dokumentiert – in Europa sind die
Niederlande und Großbritannien betroffen. Doch auch die Schweiz wird in dem
Bericht kritisiert: 2015 habe das Land ein geheimes „Rückführabkommen“ mit
der chinesischen Regierung abgeschlossen, das entgegen jedweder Praxis
nicht öffentlich gemacht wurde.
Dieses genehmigte die Visa-Vergabe an chinesische Polizisten, um in der
Schweiz „Interviews“ mit chinesischen Staatsangehörigen zu führen.
Besonders heikel: Die ausgestellten Visa waren Touristenvisa, mit denen die
chinesischen Polizisten prinzipiell den gesamten Schengen-Raum hätten
bereisen können.
Hinter Safeguard Defenders steht der Schwede Peter Dahlin, der die
Schattenseiten des chinesischen Sicherheitsapparats aus eigener Erfahrung
kennt. Nach seinem Politikstudium kam der Schwede in den 2000er Jahren
erstmals als Backpacker nach China. Später leitete er sieben Jahre lang in
der chinesischen Hauptstadt eine Bürgerrechtsorganisation namens „Chinese
Urgent Action Working Group“. Dessen Ziel war es, Chinas sogenannte
„schwarze Gefängnisse“ ausfindig zu machen, in denen das Regime regelmäß…
Dissidenten verschwinden lässt.
Dahlin identifizierte über ein halbes Dutzend solcher Einrichtungen in
Peking, doch im Januar 2016 landete der Menschenrechtsaktivist selbst 23
Tage in einem solchen „schwarzen Gefängnis“. Dort wurde er täglich verhö…
oftmals zu späten Nachtstunden und mit Hilfe eines Lügendetektors.
Schlafentzug sollte seine Willensstärke brechen. Schlussendlich wurde er
des Landes verwiesen.
Dahlin streitet nicht ab, dass er in verdeckter Mission agiert habe und
seine Bürgerrechtsorganisation nicht in Festlandchina gemeldet war. Um
seine Freilassung zu beschleunigen, kooperierte er mit dem Staatsfernsehen,
das sein „Geständnis“ zur besten Sendezeit ausstrahlte. „Mir wurde gutes
Essen gegeben, ich hatte genug Schlaf und habe keine Fehlbehandlungen
irgendwelcher Art erlitten“, las der deutlich abgemagerte Dahlin von einer
vorgefertigten Antwort ab.
18 Jan 2022
## LINKS
[1] /China/!t5007543
[2] https://safeguarddefenders.com/en/blog/involuntary-returns-report-exposes-l…
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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