# taz.de -- Niedriglöhne und Arbeitsmarkt: Sortierer leben bescheiden | |
> Fast ein Fünftel der Vollzeitbeschäftigten verdient weniger als 1.580 | |
> Euro netto – oft in der privaten Dienstleistung. Der Ausländeranteil ist | |
> hoch. | |
Bild: Harte Arbeit für wenig Geld: am Fließband von Amazon | |
BERLIN taz | Mit diesem Einkommen muss man hart rechnen, auf vieles | |
verzichten und kann kaum sparen: Mit monatlich 2.284 Euro brutto oder | |
weniger für einen Vollzeitjob muss fast ein Fünftel der | |
Vollzeitbeschäftigten in Deutschland auskommen. „Darunter sind viele | |
Tätigkeiten in der privaten Dienstleistung, die keine dreijährige | |
anerkannte Berufsausbildung erfordern“, sagt Eric Seils, Sozialexperte am | |
WSI-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. | |
Seils ist Co-Autor einer [1][Studie zur Entwicklung des „unteren | |
Entgeltbereichs“]. Die Schwelle von 2.284 Euro brutto definiert zwei | |
Drittel des mittleren Monatslohns, 18,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten | |
liegen darunter. Teilzeitarbeitende sind aus Vergleichsgründen in dieser | |
Rechnung nicht enthalten. Für eine alleinstehende Person ergibt dies einen | |
Netto-Monatslohn von weniger als 1.585 Euro. | |
Laut der Erhebung haben Vollzeitbeschäftigte in der Zeitarbeit, im Hotel- | |
und Gaststättengewerbe, in der Forst- und Landwirtschaft, in | |
wirtschaftlichen Dienstleistungen Monatseinkommen im niedrigen Bereich, | |
[2][Frauen eher als Männer.] Schaut man in die [3][Statistik der | |
Bundesarbeitsagentur] mit Zahlen von Ende 2020, auf die sich die | |
WSI-Forscher:innen beziehen, finden sich die bescheidenen Einkommen unter | |
Reinigungskräften, wo 66 Prozent der Vollzeiter:innen nicht über die | |
Niedrigschwelle kommen, im Gastgewerbe sind es 64 Prozent. | |
Unter Post- und Paketboten und in der Lagerwirtschaft bleiben 40 Prozent im | |
Niedrigbereich, bei Lkw-Fahrer:innen sind es 35 Prozent, bei | |
Altenpflegehelfer:innen 25 Prozent. Wer eher in östlichen Regionen | |
lebt, eher im Kleinbetrieb arbeitet als im Großunternehmen, eher auf dem | |
Land wohnt als in der Stadt, verdient tendenziell weniger. | |
## Vier Millionen Geringverdiener:innen | |
Auffällig ist die Entwicklung bei den Ausländer:innen. Insgesamt ist der | |
prozentuale Anteil der Bescheidenverdiener:innen unter | |
Vollzeitkräften in den vergangenen Jahren nämlich etwas zurückgegangen, was | |
der insgesamt guten Beschäftigungsentwicklung geschuldet ist. Die absolute | |
Zahl blieb von 2014 bis 2020 in etwa gleich, rund vier Millionen | |
Vollzeitbeschäftigte arbeiten im Bereich der unteren Entgelte. Aber: „Der | |
Anteil der Ausländer am unteren Entgeltbereich hat deutlich zugenommen“, | |
sagt Seils. Vor sieben Jahren zählte die Statistik noch 586.000 Ausländer | |
im unteren Verdienstbereich, im Jahr 2020 hatte sich die Zahl auf 1.060.000 | |
fast verdoppelt. | |
In Werbeanzeigen der Zeitarbeitsfirma Randstad auf Facebook, mit denen | |
diese Personal für ihren Kunden Amazon sucht, fällt auf, dass als | |
„Sortierer“ und „Versandmitarbeiter“ meist Personen mit | |
Migrationshintergrund gezeigt werden. | |
Man adressiert offenbar bestimmte Gruppen für diese Anlerntätigkeiten, für | |
die nicht zwingend Deutschkenntnisse erforderlich sind. Bei Amazon reichen | |
für viele Tätigkeiten im Lager Englischkenntnisse aus. Auch Randstad wirbt | |
mit der „Vielfalt“ im Unternehmen. In Helfertätigkeiten aber „ist das | |
Risiko groß, dass man in den unteren Entgeltbereichen arbeitet“, sagt | |
Seils. Laut der WSI-Studie liegt der Anteil der Geringverdiener:innen | |
unter den Ungelernten bei gut 40 Prozent, unter den Beschäftigten mit | |
anerkanntem Berufsabschluss nur bei 18 Prozent, unter Akademiker:innen | |
bei fünf Prozent. | |
6 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008216 | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_106_621.h… | |
[3] https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## TAGS | |
Niedriglohn | |
Migration | |
Dienstleistungen | |
GNS | |
Schwerpunkt Armut | |
Bundesagentur für Arbeit | |
Hubertus Heil | |
Arbeitsmarkt | |
Schwerpunkt Armut | |
Mittelschicht | |
Weiterbildung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schlechte Löhne auf dem Arbeitsmarkt: Fast ein Viertel unter 14 Euro | |
Knapp 24 Prozent der Beschäftigten in Deutschland verdienen weniger als 14 | |
Euro pro Stunde, etwa 15 Prozent nur Mindestlohn. Die Linke fordert | |
deutliche Erhöhung. | |
Neue Chefin der Agentur für Arbeit: Nahles bekommt Job vermittelt | |
Die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles soll neue Vorstandschefin der | |
Agentur für Arbeit werden. Die Bundesregierung muss noch zustimmen. | |
Zuschuss für Haushaltshilfen: Eine Frage der Prioritäten | |
Arbeitsminister Hubertus Heil will legale Haushaltshilfen bezuschussen. | |
Eine gute Idee – so lange nicht nur die Mittelschicht profitiert. | |
Niedriglöhne im Versandhandel: Sackgasse Amazon | |
Migrant:innen werden gezielt für prekäre Hilfsjobs angeworben, ihr | |
Anteil steigt. | |
Studie zu Armut trotz Arbeit: Aufstocken könnte wegfallen | |
Hunderttausende sind trotz Job auf Hartz IV angewiesen. Manche Pläne der | |
neuen Regierung könnten helfen – andere könnten das Problem verfestigen. | |
Studie über Mittelschicht: Abstiegsrisiko ungleich verteilt | |
„Bröckelt die Mittelschicht?“, fragt eine Studie von OECD und Bertelsmann | |
Stiftung. Für eine einfache Antwort aber ist „die Mittelschicht“ zu | |
komplex. | |
Gewerkschaftlerin über Gastro-Jobs: „Es geht nicht Monate so weiter“ | |
Beschäftigte der Gaststätten können von Kurzarbeit nicht leben, warnt | |
Gewerkschaftlerin Silke Kettner. Die Zeit sollte für Bildung genutzt | |
werden. |