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# taz.de -- Schulöffnungen in Uganda: Erster Schultag seit März 2020
> Die längste Schulschließungen weltweit ist zu Ende: 15 Millionen Kinder
> und Jugendliche kehren zurück in den Unterricht.
Bild: Auch an der Kitante-Grundschule in Ugandas Hauptstadt sind die Kinder wie…
Kampala taz | Als die achtjährige Hala auf dem Schulhof der Makindye Junior
School in Ugandas Hauptstadt Kampala ihre Klassenkamerad*innen sieht,
lacht sie glücklich und fällt ihrer Freundin um den Hals. Fast zwei Jahre
lang waren in dem ostafrikanischen Land die Schulen geschlossen.
Schüler*innen wie Hala saßen zu Hause, haben kaum ihre Freunde gesehen.
Es war die längste [1][Schulschließung aufgrund der Coronapandemie
weltweit].
Am Montag öffnete Uganda jetzt wieder die Bildungseinrichtungen:
Kindergärten, Schulen, Universitäten. Über 15 Millionen Kinder und
Jugendliche strömen seitdem landesweit in die Klassenzimmer. Hala, in
gescheckter Uniform und Schleife im Haar, wirkt überglücklich. Mit ihrer
Freundin an der Hand hüpft sie die Außentreppen zu den Klassenzimmern im
ersten Stock empor.
Halas Vater Khasim Mulumba reiht sich unterdessen im Schulhof in die
Warteschlange für die Anmeldung ein. Auf dem Schulhof steht ein Zelt mit
Plastikstühlen mit Abstand, wo die Schulgebühren bezahlt werden müssen. Die
Schulleitung bemüht sich um die Einhaltung der Coronahygienemaßnahmen:
Maskenpflicht, Hände desinfizieren, Social Distancing.
Während Mulumba im Schatten des Zeltes auf einem Plastikstuhl wartet,
blättert er in den Papieren, die er in einem Umschlag mitgebracht hat:
Halas Kinderausweis, die Quittungen der Schulgebühren vom vergangenen
Schuljahr. Umgerechnet rund 170 Euro betragen die Gebühren für das kommende
Trimester. Er hat Sorgenfalten auf der Stirn: „Ich habe drei Kinder im
schulpflichtigen Alter und habe in der Coronazeit selbst nicht viel Geld
verdient“, klagt der Taxifahrer. Denn auch der Transportsektor war lange
geschlossen.
## Wie viele kommen zurück?
„Jetzt weiß ich nicht, wie ich mir die Schulgebühren für alle leisten
kann“, seufzt Mulumba. Er wolle mit dem Direktor verhandeln, ob er heute
nur eine Anzahlung machen und den Restbetrag später begleichen könne, sagt
er. Er habe Angst, seine Kinder verpassen den Schulanfang: „Die Schule
diszipliniert die Kinder“, sagt der Vater: „Gelangweilt zu Hause, stellen
sie nur viel an.“
Die Schulgebühren bereiten auch Isaac Ssempija Sorgen. Der junge
Schuldirektor im knallblauen Anzug mit dazu passender Gesichtsmaske sitzt
im ersten Stock des orangenen Schulgebäudes in seinem Büro und zählt die
Anmeldebögen. Über 800 Grundschüler besuchten die Makindye Junior vor der
Schließung. Ob nun alle zurückkehren, hänge von der wirtschaftlichen Lage
der Eltern ab: „Ich muss von den Eltern die Gebühren jetzt zu Beginn des
Trimesters einfordern, sonst können wir uns den Schulbetrieb nicht
leisten“, klagt er. Als Privatschule muss er die Gehälter seiner 75
Lehrer*innen zahlen, Strom, Wasser und Reinigungskosten begleichen. Doch
das Schulkonto sei leer.
Ugandas Schulöffnung wird seit Monaten vorbereitet. Die Herausforderungen
sind enorm. Fast die Hälfte der Bevölkerung besucht die ein oder andere
Bildungseinrichtung: von der Babykrippe zur Universität. Uganda hat eine
der jüngsten Bevölkerungen und einer der höchsten Geburtenraten weltweit.
Wenn nun alles gleichzeitig wieder aufmacht, ist Chaos programmiert.
Kilometerweit reihten sich am Montag in Kampala die Autos vor den
Schulgebäuden, vor allem vor den großen Internaten mit Tausenden Schülern.
Kinder und Eltern mussten Koffer, Matratzen, Bettdecken und Waschbehälter
huckepack durch den Stau tragen, um die Schulgebäude zu erreichen.
## Angst vor Superspreader
Die Einkaufsstraße in der engen Altstadt Kampalas, wo sich die
Schreibwarenläden aneinanderreihen, war voll, die Menschen warteten dort
dicht gedrängt. Millionen von Eltern versuchten Schulhefte, Kugelschreiber
und Wachsmalstifte zu ergattern. Social Distancing war schier nicht
möglich. Inmitten der derzeitigen Omikron-Welle, die auch in Uganda die
Coronafallzahlen wieder in die Höhe schnellen lassen, wirkt die
Schulöffnung wie ein potenzielles Superspreading-Event.
Doch die Regierung hatte keine Wahl. Internationale
Nichtregierungsorganisationen sowie das UN-Kinderhilfswerk (Unicef) haben
Uganda wegen der langen Schulschließung kritisiert – vor allem in
Anbetracht der Tatsache, dass selbst Kirchen und Moscheen wieder voll
besetzt sind.
Denn die Langzeitfolgen der fast zweijährigen Schulschließung sind enorm.
Das ohnehin marode Schulsystem stand kurz vor dem Kollaps. [2][Zahlreiche
Privatschulen gingen pleite], weil sie laufende Mietkosten nicht decken
konnten. Die Kinderarbeit schnellte rasant in die Höhe. Die
Kriminalitätsrate stieg stark an. Viele Mädchen aus ärmeren Familien wurden
zwangsverheiratet. Die Zahl der Schwangerschaften bei jungen Mädchen
erreichte Rekordwerte weltweit. Sprich: Die lange Schulschließung ist für
viele ein krasser Einschnitt – verheerend in einem Land, in dem die Jugend
bereits vor Corona mit einer hohen Arbeitslosenrate zu kämpfen hatte.
Doch die Bildungsministerin und Ehefrau des Präsidenten, Janet Museveni,
war lange zögerlich. Der Grund: Als einige Schulen im vergangenen Frühjahr
für die Abschlussklassen wieder aufgemacht hatten, um Examen zu schreiben,
verbreitete sich das Coronavirus in rasendem Tempo in den Schlafsälen der
Internate. Einige Ausbrüche waren unkontrollierbar.
## Strikte Regeln, strikte Kontrollen
Für die Öffnung hat Bildungsministerin Janet Museveni deswegen strikte
Regeln aufgestellt: Alle Lehrer*innen müssen geimpft sein, ungeimpfte
werden nicht in ihren Job zurückgelassen. Es muss ausreichend
Handwascheinrichtungen geben. Die Hygieneregeln werden in jeder Schule von
Vertreter*innen des Gesundheitsministeriums überprüft. Laut einem
internen Untersuchungsbericht sind nur knapp 70 Prozent der Schulen in der
Lage, diese Maßnahmen umzusetzen. Die übrigen bleiben geschlossen.
Für Schuldirektor Ssempija sind diese Regeln eine Herausforderung. Er
musste ausreichend Desinfektionsspray und Seife einkaufen,
Fieberthermometer anschaffen. Das war teuer, klagt er. „Solange die Eltern
die Gebühren nicht bezahlen, können wir uns das kaum leisten.“ Dann zieht
er eine Mappe aus der Schreibtischschublade und schlägt sie auf: Darin sind
Kopien der Impfausweise seiner Angestellten. „Alle 75 Lehrekräfte haben
sich impfen lassen“, sagt er stolz. „Darüber bin ich sehr erleichtert, denn
wir brauchen sie jetzt alle.“ Landesweit ist die Impfquote in der
Bevölkerung eher gering. Immerhin sollen laut Bildungsministerium rund 75
Prozent der rund 500.000 Lehrer*innen landesweit doppelt geimpft sein.
Geärgert habe er sich über die Direktive der Bildungsministerin, keine
Covid-Schnelltests in den Schulen zuzulassen, gibt er zu: „Wir wollten
eigentlich alle Schüler verpflichten, sich vor Schulbeginn zu testen“, so
Ssempija. „Doch das wurde uns untersagt.“ Als Grund nannte das Ministerium
die hohen Kosten für Tests, während die Eltern bereits mit den
Schulgebühren überlastet seien.
Gesundheitsministerin Ruth Aceng hat angekündigt: „Die Regierung wird die
Schulen nicht wieder schließen.“ Sie ermutigte stattdessen Lehrer*innen
und volljährige Schüler*innen zu einer Booster-Impfung. „Das Virus wird
nicht wieder verschwinden“, warnte sie: „Wir müssen lernen, damit zu
leben.“
14 Jan 2022
## LINKS
[1] /Schule-und-Corona/!t5710764
[2] /Schule-in-Uganda/!5797979
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Schule und Corona
Uganda
Bildung
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