| # taz.de -- Christmas Garden in Hannover: Ostalgisches Jahresanfangsgefunkel | |
| > Die Kolumnistin steht lange nach Weihnachten für den Christmas Garden an | |
| > und fragt sich, wer hier eigentlich ihren Blick auf Selfie-Kulissen | |
| > prägt. | |
| Bild: Für die zauberhaften Lichinstallationen musste man mehrfach anstehen | |
| Mit den Kindern und meiner Schwester war ich kürzlich im Christmas Garden | |
| [1][im Zoo Hannover]. Es war schon weit nach Christmas, aber trotzdem | |
| schön, die eigentlich vertrauten Zoopfade im Dunkeln entlangzustolpern und | |
| die Lichtinstallationen zu bestaunen. | |
| Der Auftakt war allerdings etwas holprig. Oder anders ausgedrückt: Er hatte | |
| einen hohen Ostalgiefaktor. Jedenfalls kenne ich die DDR so, aus den | |
| Erzählungen meiner Freunde. Man stand da doch dauernd irgendwo an. | |
| Im Zoo stand meine Schwester mit den Kindern auch erst eine halbe Stunde | |
| lang in der Schlange, bevor sich herausstellte, dass es die Schlange für | |
| die online vorbestellten Karten war und die für die Abendkasse sich daneben | |
| befand. | |
| Mit den endlich erbeuteten Karten wurde ihnen auch ein Zeitfenster für den | |
| Einlass mitgeteilt, das in diesem Fall wiederum noch eine Dreiviertelstunde | |
| in der Zukunft lag. Das war gut für mich, weil ich viel später von der | |
| Arbeit dazustoßen konnte als gedacht. Die Kinder nahmen es mit | |
| Gelassenheit, ihre Tante war allerdings schon nicht mehr ganz so amüsiert. | |
| Gemeinsam stellten wir uns dann in die nächste Schlange zur Kontrolle der | |
| Impfnachweise, reihten uns danach brav ein in die – nunmehr dritte! – | |
| Schlange zur Kontrolle der Karten und des erfolgten Check-Ins vor dem | |
| endgültigen Einlass. | |
| Als an dieser Stelle allerdings unsere Karten nicht gescannt werden | |
| konnten, weil sie angeblich das falsche Datum aufwiesen, durchlief ein | |
| gefährliches und mir sehr vertrautes Zucken das Gesicht meiner geliebten | |
| Schwester. Der Mann am Einlass erklärte ihr, sie müsse umkehren und die | |
| Karten umtauschen. Ich schwöre: Er war nur zwei aufhorchende Kinder von | |
| einer sehr giftigen Erwiderung entfernt. | |
| ## Keine Chance an Fressbuden und Selfie-Machern vorbeizukommen | |
| „Ich kann die Karten umtauschen“, sagte ich hastig. „Nein, ich gehe“, s… | |
| meine Schwester durch zusammen gebissene Zähne hervor und stapfte wütend | |
| Richtung Kassenhaus. Ich erwartete demnächst Geschrei und möglicherweise | |
| eine Explosion aus dieser Richtung zu hören, aber sie kam tatsächlich bloß | |
| mit neuen Karten zurück. | |
| Drinnen lief man zunächst auf die erste von mehreren Fressbuden zu. Da ist | |
| es unmöglich, mit den Kindern vorbeizukommen. Irgendwann schafften wir es | |
| doch noch [2][zu den leuchtenden Figuren und Kugeln] und Vorhängen und | |
| Teppichen und Lichterregen und tanzenden Seerosen und was es da sonst noch | |
| alles gab. Und es war tatsächlich schön und irgendwie magisch. | |
| Es war allerdings auch ziemlich Selfie-tauglich und während wir geduldig | |
| darauf warteten, dass andere Leute mit ihrem fertig wurden, musste ich die | |
| ganze Zeit an einen Artikel denken, den ich kurz zuvor in der Süddeutschen | |
| gelesen hatte. Darin wurde erklärt, wie Instagram unsere Weltsicht und ganz | |
| besonders die Tourismusindustrie verändert, weil alles zur Fotokulisse | |
| wird. | |
| Meine Weltsicht wird jedoch von Zeitungsartikeln geformt. Instagram | |
| verstehe ich als hoffnunglos textfixierter Mensch einfach nicht, für mich | |
| sieht da alles nach Werbung aus und die ist auch noch gemein, weil mir im | |
| Moment dauernd nur [3][die ultimativen Abnehm-Lifehacks und Fitness-Apps] | |
| angezeigt werden. Aber das ist nun wirklich ein anderes Thema. | |
| 16 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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