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# taz.de -- Coronakrise in Schleswig-Holstein: Schuften auch in Quarantäne
> Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, müssen Krankenhausbeschäftigte trotz
> Quarantäne zur Arbeit. Neue Regeln klären das Problem nicht
> grundsätzlich.
Bild: Zur Arbeit ins Krankenhaus dürfen Kontaktpersonen in Dithmarschen, abend…
Bremen taz | Sie sind in Quarantäne, eigentlich. Doch jeden Tag gehen 13
Beschäftigte der Westküstenkliniken im Landkreis Dithmarschen momentan zur
Arbeit ins Krankenhaus, obwohl sie Kontakt zu Infizierten hatten. Erlaubt
ist das aufgrund von „quarantäneersetzenden Maßnahmen“, die für bestimmte
Beschäftigte Sonderregeln vorsehen, damit die kritische Infrastruktur
aufrecht erhalten werden kann.
In Dithmarschen waren die Inzidenzen nach Weihnachten [1][plötzlich auf
über 600 angestiegen.] An der größten Klinik fielen mit einem Mal nicht nur
40 Mitarbeitende wegen einer Coronainfektion aus, sondern noch weitere 160
der insgesamt 3.000 Beschäftigten, weil sie Kontakt zu Infizierten gehabt
hatten. Für Omikron gelten bisher noch strenge Quarantäneregeln, auch für
Geimpfte.
„Von solchen Zahlen sind auch große Unternehmen wie wir überfordert“, sagt
Sebastian Kimstädt, der Pressesprecher des Klinikums. Gemeinsam mit dem
Gesundheitsamt wurde deshalb beschlossen, die Sonderregeln des
Bundesinfektionsschutzgesetzes zu ziehen: Arbeiten dürfen quarantänisierte
Mitarbeiter*innen aus dem medizinischen Bereich jetzt, wenn es einen
negativen PCR-Test nach Tag fünf gibt und die infizierten Kontaktpersonen
nicht aus dem eigenen Haushalt der Beschäftigten stammen.
„Eine Alternative dazu gab es nicht“, glaubt Kimstädt. Insgesamt vier
Stationen hatte die Klinik aus Infektionsschutzgründen und wegen des
Personalmangels schon geschlossen, doch ausgereicht habe das nicht. „Der
Behandlungsdruck ist groß“, sagt Kimstädt. Schließlich seien auch planbare
Operationen nicht beliebig schiebbar.
In der Kritik stehen die Sonderregeln trotzdem. Sie gehen vor allem zu
Lasten der Beschäftigten. Die Quarantäne ist nicht aufgehoben, sie wird nur
ersetzt: im Falle der Krankenhausbeschäftigten durch das Tragen einer
FFP-2-Maske, die dort aber ohnehin Standard ist. Sobald der Arbeitstag
vorbei ist, müssen die Mitarbeitenden wieder jegliche Kontakte vermeiden.
„Natürlich kann man über eine verkürzte Quarantäne nachdenken“, sagt
Steffen Kühhirt, Fachbereichsleiter für medizinische Berufe bei Ver.di
Schleswig-Holstein, „aber das muss rein medizinisch begründet sein. Bei der
Arbeitsquarantäne geht es hingegen nur darum, dass Beschäftigte gerade
gebraucht werden.“
Dass die Mitarbeiter*innen tagsüber mit besonders gefährdeten
Patient*innen in Kontakt seien, abends aber nicht in den Supermarkt
dürften, „das ist ganz schwer zu vermitteln“, meint Kühhirt. „Entweder …
gibt eine Ansteckungsgefahr, oder es gibt sie nicht.“
Der Passus aus dem Infektionsschutzgesetz ist nicht zum ersten Mal
verwendet worden. In der ersten und zweiten Welle fand er in verschärfter
Form Anwendung: Damals wurden in Pflegeheimen [2][sogar nachgewiesen
infizierte Mitarbeitende eingesetzt.] „Wir haben uns immer dagegen
gewehrt“, sagt Kühhirt. „Aber manche Arbeitgeber haben das immer wieder
beantragt und manche Gesundheitsämter immer wieder bewilligt.“
In Dithmarschen gibt es noch für 24 weitere Personen Anträge auf
quarantäneersetzende Maßnahmen. Vermutlich aber wird das nicht mehr nötig
sein – denn die Quarantäneregeln werden [3][gerade bundesweit gelockert,]
um Ausfälle der kritischen Infrastruktur zu vermeiden.
Infizierte könnten bald schon nach sieben Tagen und negativem Test aus der
Quarantäne; wer nur Kontakt hatte, aber geimpft oder genesen ist, muss erst
gar nicht hinein. Schleswig-Holstein ist angesichts seiner hohen
Infektionszahlen schon einmal vorgeprescht: Hier endet die Quarantäne von
Infizierten nun automatisch und ganz ohne Test nach 10 statt bisher 14
Tagen.
Auch ohne Arbeitsquarantäne dürfte nun also wieder mehr Personal in den
Kliniken zur Verfügung stehen. Das Grundproblem ist damit aber nicht aus
der Welt – es verschiebt sich nur nach vorn: Die Arbeitsquarantäne kann bei
Bedarf weiter eingesetzt werden. In Zukunft wäre das etwa der Fall, wenn
auch die neue, verkürzte Quarantänefrist noch zu viele Arbeitskräfte aus
dem Dienstplan reißt.
7 Jan 2022
## LINKS
[1] /Neue-Coronaregeln-in-Schleswig-Holstein/!5823377
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-pflegeheime-infektionen-pers…
[3] /Verkuerzung-der-Quarantaenezeiten/!5823387
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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