# taz.de -- Ukrainischer Regisseur verhaftet: In Neapel schnappt die Falle zu | |
> Aufgrund eines Ersuchens Russlands wird Jewhen Lawrenchuk in | |
> Untersuchungshaft genommen. Die Anschuldigungen sind diffus. | |
Bild: Sitzt auf Betreiben Russlands in Neapel ein: Jewhen Lawrenchuk | |
Berlin taz | In den ukrainischen Medien ist Jewhen Lawrenchuk derzeit | |
Topthema. Wie erst am Montag bekannt wurde, hat ein Gericht in Neapel am | |
17. Dezember den ukrainischen Filmemacher auf Ersuchen von Russland in | |
Untersuchungshaft genommen. Neapel sollte nur ein Zwischenstopp auf dem Weg | |
von Israel in die Ukraine sein. Dort hatte Lawrenchuk Gespräche mit einem | |
Partner, der Jerusalem Lyric Opera Studio & Festival geführt. | |
Das russische Portal lenta.ru berichtet unter Berufung auf die Agentur | |
Tass, das Moskauer Bezirksgericht Taganski habe im Juli 2020 Lawrentschuks | |
Festnahme in Abwesenheit verfügt. Ihm werde „Betrug im großen Stil“ | |
vorgeworfen. Was konkret hinter diesem Anwurf steht, schreiben russische | |
Medien nicht. Für Weggefährten von Lawrentschuk steht fest, dass die Gründe | |
des russischen Auslieferungsersuchens politischer Natur sind. | |
Lawrentschuk hatte bis 2014 in Russland studiert und gearbeitet. Er ist ein | |
Gründer des polnischen Theaters von Moskau. Schon als Halbwüchsiger fiel er | |
durch seinen Eigenwillen auf. In der 10. Klasse habe er die polnische | |
Schule seiner westukrainischen Heimatstadt Lemberg verlassen müssen, weil | |
ihm missfallen habe, dass man „die Schüler nicht zu eigenständigem Denken | |
erziehen wollte.“ zitiert die NV (ehemals Nowoje Wremja) den Regisseur. | |
2000 war er nach Russland umgesiedelt, wo er sich an der Akademie für | |
Theaterkunst immatrikulierte. Als 21-Jähriger war der damals jüngste | |
Regisseur Russlands an russischen und europäischen Bühnen tätig. Zudem | |
organisierte er in dem polnischen Theater von Moskau Kurse für | |
SchauspielerInnen, Polnischkurse und ein Theaterstudio für Kinder. Mit | |
seinen eigenwilligen Inszenierungen sorgte er auch für Unmut. 2013 warf ihm | |
ein „Ältestenrat“ der sibirischen Stadt Tomsk vor, in seinen Aufführungen | |
Homosexualität zu propagieren. | |
## Vor die Wahl gestellt | |
Nach Beginn [1][des Krieges zwischen von Russland unterstützten | |
ostukrainischen Separatisten und der ukrainischen Zentralmacht] kehrte | |
Lawrentschuk 2015 in die Ukraine zurück. „Du kannst dich nicht in einem | |
Land aufhalten, das deine Brüder tötet“, zitiert die NV den Regisseur. | |
Er habe es einfach nicht mehr aushalten können, bei einem Satz wie „Die | |
Ukrainer bringen uns um“ in Gesprächen vor die Wahl gestellt zu sein, zu | |
schweigen oder dagegenzuhalten. Nach seiner Rückkehr in die Ukraine folgten | |
mehrere Theater- und Filmprojekte in der Ukraine, in Polen und Israel. Von | |
2018 bis Anfang 2021 war er Chefregisseur des Operntheaters von Odessa. | |
Immer wieder ersucht Russland unter dem Vorwand der internationalen | |
Verbrechensbekämpfung Staaten um die Auslieferung missliebiger Personen. | |
Oft geschieht das über russische Haftbefehle an Interpol. | |
Der bekannteste Mann, dessen Auslieferung Russland fordert, ist [2][der | |
tschetschenische Exilpolitiker Achmed Sakajew]. Gegen ihn läuft in | |
Tschetschenien ein Verfahren wegen Rechtfertigung von Terrorismus. Sakajew | |
hatte in den beiden Tschetschenienkriegen gegen Russland gekämpft und war | |
von 2007 bis 2009 Premierminister von Tschetschenien. Großbritannien, wo | |
Sakajew Asyl genießt, wird ihn nicht ausliefern. | |
Weniger Glück hatte ein anderer Tschetschene. Nach Angaben der russischen | |
Menschenrechtsorganisation Memorial war am 10. April 2019 der 2018 trotz | |
gerichtlichem Auslieferungsverbot von Hannover nach Russland abgeschobene | |
Tschetschene Schamil Soltamuradow von einem russischen Militärgericht in | |
Rostow zu 17 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte es als | |
erwiesen angesehen, dass er sich in einem Trainingslager einer illegalen | |
bewaffneten Einheit aufgehalten habe. | |
4 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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