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# taz.de -- Zwischen Autonomiephase und Teenager: Verständnis ist anstrengend
> Bevor unsere Autorin Mutter wurde, gab es Warnungen von allen Seiten. Was
> wirklich anstrengend ist, sagte ihr aber niemand.
Bild: Von der Baby- in die Sandphase
Als ich das erste Mal schwanger war, haben mich Leute gewarnt, was alles
vorbei sein würde, sobald das Kind da ist. Kein Kino, keine Konzerte, keine
Karriere, kein Sex, keine Bücher lesen oder schreiben, kein Schlaf,
zerbrechende Freundschaften, keine Zeit für Fashion oder Körperpflege über
Grundlagen hinaus. Es würde alles aufhören, was Spaß macht. Mich hat das so
genervt, [1][ich hab damals sogar einen Text darüber geschrieben.]
Rückblickend gesehen, hatten sie mit einigen Dingen recht. Wobei mein
Urteil wohl nicht viel wert ist, denn der Vierjährige hat sein halbes Leben
in der Pandemie verbracht. Ich kann nur schwer sagen, ob ich sonst nicht
schon wieder öfter im Kino wäre oder schon drei Bücher geschrieben hätte.
Hätte ich nicht. Es kam ja vor einiger Zeit noch ein Baby. Die Leute haben
gesagt: „Das zweite Kind läuft mit.“ Ha! [2][Also ja, läuft mit, wie in]:
wird mitgeschliffen in einem Strom aus Familienverpflichtungen und
–dynamiken. Es ist dennoch mehr Arbeit. Beim Zweiten ist es also nicht
zwangsläufig einfacher, aber man besitzt immerhin Praxiserfahrung. Man
wehrt sich auch nicht mehr so sehr. Die Augenschatten sind bereits Teil des
Gesichts. Und es ist auch keine tägliche Grenzerfahrung mehr, für jedes Mal
das Haus verlassen zwei Stunden einplanen zu müssen.
Irgendwann hat man akzeptiert, dass die nach der Babyphase einsetzende
Freude über die neue Fähigkeit des Kindes, seine Körperflüssigkeiten die
meiste Zeit in seinem Körper zu behalten, nur von kurzer Dauer ist, denn
sie geht direkt in die Sandphase über. Da rieselt Kindern aus
unerfindlichen Gründen und zu jeder Zeit Sand aus dem Körper, als würden
sie ihn selbst produzieren. Statt sich zu ärgern, besitzt man bald eine
nach Größe und Zweck geordnete Sammlung von Besen und Staubsaugern. Man hat
sich gefügt. Ist weich geworden, wie Wachs in kleinen, klebrigen
Kinderhänden.
Gewarnt wurde ich auch vor: dem Zahnen, der Autonomiephase mit zwei Jahren
und der Teenagerzeit. Nun sind wir da noch lange nicht, aber ich wundere
mich bisweilen, dass mich niemand vor Vierjährigen gewarnt hat. Dieses
Alter ist eine unangenehme Mischung aus blühender Fantasie, emotionaler
Instabilität, Unwissenheit und kompletter Selbstüberschätzung.
Der Vierjährige scheint Gelerntes zu verlernen. Er klettert plötzlich auf
die Brüstung im Treppenhaus. Fährt mit seinem Rad gedankenversunken fast in
den Verkehr. Er malt alles an, außer das Papier, das dafür bestimmt wäre.
Es ist, als würde in seinem Kopf mehrmals täglich ein kleiner Tschinelle
spielender Affe das Ruder übernehmen. Manchmal scheint er selbst
erschrocken darüber, was er tut. Er entschuldigt sich, [3][oder wird wütend
und dann traurig]. Weltschmerztraurig. Ich kann mich erinnern, dass ich
auch so war.
Ich hab also vollstes Verständnis. Aber mir war nicht klar, wie anstrengend
das für Eltern ist. Letztens hat er mich ganz freundlich gefragt, wo ich
seine Socken hingelegt habe und als ich ihm geantwortet habe, legt er die
Stirn in Zornesfalten und brüllt: „Das weiß ich doch!“
4 Jan 2022
## LINKS
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[3] /Schimpfwoerter-fuer-Kinder/!5810613
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
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