# taz.de -- Krise in Tigray: UN untersucht Äthiopien neu | |
> Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen setzt ein Expertenteam zum | |
> Tigray-Krieg ein. Äthiopien nennt das „neokolonial“. | |
Bild: Binnenvertriebene aus der Amhara-Region warten auf die Verteilung von Hil… | |
BERLIN taz | Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat eine neue | |
Untersuchung von Verbrechen im Rahmen [1][des Tigray-Krieges in Äthiopien] | |
beschlossen. Mit 21 gegen 15 Stimmen bei 11 Enthaltungen billigte die | |
Vollversammlung des Rats am Freitag auf einer Sondersitzung in Genf die | |
Einrichtung einer „internationalen Kommission von Menschenrechtsexperten | |
für Äthiopien“. Drei Experten sollen zunächst ein Jahr lang Vorwürfen von | |
Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in | |
Äthiopien seit Kriegsbeginn am 3. November 2020 nachgehen, Beweismittel | |
sammeln und Vorschläge zur juristischen Aufarbeitung unterbreiten. | |
Dabei hatte der UN-Menschenrechtsrat erst Anfang November die Ergebnisse | |
einer gleichlautenden Untersuchung vorgelegt, die den Zeitraum von | |
Kriegsbeginn bis zum 28. Juni 2021 behandelt hatte – der Tag, an dem die | |
Rebellen in Äthiopiens Nordregion Tigray erneut die Kontrolle über Tigrays | |
Hauptstadt Mekelle erlangten und Äthiopiens Armee in die Flucht schlugen. | |
Diese erste Untersuchung hatten UN-Experten gemeinsam mit [2][Äthiopiens | |
Menschenrechtskommission EHRC] vorgenommen – eine formal unabhängige | |
Instanz, die aber nur innerhalb der von Äthiopiens Regierung zugelassenen | |
Rahmenbedingungen arbeiten kann. Dieser Bericht hatte besonders den von | |
Tigrays Rebellen erhobenen Vorwurf eines Völkermords an der tigrayischen | |
Minderheit nicht bestätigt. Äthiopiens Regierung sah das als Freispruch an, | |
während UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet klarstellte, man sei | |
dieser Frage gar nicht nachgegangen. | |
Selbst ohne diese Unstimmigkeit wäre eine neue Untersuchung geboten, da | |
sich Äthiopiens Krieg weiter zugespitzt hat. Tigrays Rebellen rückten im | |
Oktober weit über Tigrays Grenzen hinaus ins Zentrum Äthiopiens vor und | |
standen Anfang November auf dem Sprung in die Hauptstadt Addis Abeba. | |
Seitdem haben sie den Großteil ihrer eroberten Gebiete in der Region Amhara | |
wieder aufgegeben. Doch die Lage bleibt unklar, die Kämpfe sind offenbar | |
sehr heftig, mit Tausenden Toten auf beiden Seiten. Dazu kommen ethnische | |
Massaker und Fluchtbewegungen. | |
## Menschenrechtsorganisationen sprechen von Gräueltaten | |
„Die Gefahr einer Zunahme von Hass, Gewalt und Diskriminierung ist sehr | |
hoch und könnte zu allgemeiner Gewalt führen“, erklärte auf der UN-Sitzung | |
in Genf die stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin Nada al-Nashif | |
und sagte, 5.000 bis 7.000 Menschen seien in äthiopischen Gefängnissen | |
verschwunden. Vergangene Woche hatten die Menschenrechtsgruppen Amnesty | |
international und Human Rights Watch regierungstreuen Amhara-Milizen erneut | |
schwere Gräueltaten vorgeworfen, darunter Machetenangriffe auf fliehende | |
Tigray-Zivilisten. | |
Zur Begründung der neuen UN-Untersuchung führt der Beschluss vom Freitag | |
aus, dass die aktuellen Feindseligkeiten es schwer machten, die Vorwürfe | |
des ersten Berichts angemessen aufzuarbeiten. Alle Kriegsparteien müssten | |
Verantwortung für ihre jeweiligen Verbrechen übernehmen und Schritte zur | |
Bestrafung einleiten, hieß es. | |
Doch Äthiopiens Regierung lehnt die neue Untersuchung ab. Sie sei Ausdruck | |
einer „neokolonialen Mentalität“, sagte Äthiopiens UN-Botschafter Zenebe | |
Kebede auf der Sitzung. Afrikanische UN-Mitglieder solidarisierten sich bei | |
der Abstimmung mit Äthiopien, ebenso China, Russland, Indien und Pakistan. | |
20 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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