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# taz.de -- Tigray-Rebellen ziehen sich zurück: Wende im Äthiopien-Krieg
> Der Vormarsch Richtung Addis Abeba ist beendet. Alle eroberten Gebiete
> außerhalb Tigrays werden aufgegeben. Die Wende brachten Kampfdrohnen.
Bild: Kämpfer der Tigray People's Liberation Front (TPLF) geht durch eine Stra…
Berlin taz | Wendepunkt in Äthiopiens Bürgerkrieg: Die Aufständischen der
nordäthiopischen Region Tigray haben die von ihnen zuletzt eroberten
Gebiete außerhalb Tigrays aufgegeben. „Ich habe den Einheiten der
Tigray-Armee außerhalb der Grenzen Tigrays befohlen, sich mit sofortiger
Wirkung an die Grenzen Tigrays zurückzuziehen“, erklärte Debretsion
Gebremichael, Präsident der abtrünnigen Regionalregierung Tigrays, in einem
am Montagabend veröffentlichten Brief an UN-Generalsekretär Antonio
Guterres. „Wir schlagen eine sofortige Einstellung der Kämpfe vor, gefolgt
von Verhandlungen.“
Das Schreiben ging an die UNO pünktlich zu einer Sondersitzung des
UN-Sicherheitsrats zum Konflikt in Äthiopien, der als derzeit blutigster
der Welt gilt. Im November 2020 hatte Äthiopiens [1][Ministerpräsident Abiy
Ahmed], der das Land seit 2018 regiert, die Tigray-Regionalregierung der
früher in ganz Äthiopien dominanten TPLF (Tigray.-Volksbefreiungsfront)
abgesetzt und die Kontrolle über Tigray übernommen, unterstützt vom
Nachbarland Eritrea. Die TPLF-Truppen, zu denen die kriegserfahrensten
Teile der äthiopischen Armee gehören, eroberten ihre Region allerdings bis
Ende Juni 2021 zurück, mit Ausnahme des Tieflands an der Grenze zu Sudan.
Sie drangen tief nach Äthiopien vor, in Richtung der Hauptstadt Addis
Abeba.
Dort verhängte die bedrängte Regierung im November den Ausnahmezustand,
eine Massenverfolgung von Tigrayern setzte ein. Die Tigray-Kämpfer
verbündeten sich mit Rebellen in anderen Landesteilen und erreichten Debre
Sina knapp 200 Kilometer nördlich von Addis Abeba, der höchste Punkt der
800 Kilometer langen Straße, die Tigrays Hauptstadt Mekelle mit Addis Abeba
verbindet.
Doch gelang den Tigray-Rebellen der Durchbruch nicht. Stattdessen setzte
Äthiopiens Armee massiv Kampfdrohnen ein, die sie unterschiedlichen
Berichten zufolge [2][aus der Türkei], den Vereinigten Arabischen Emiraten
oder Iran erworben haben soll, und zerstörte einen Großteil des schweren
Kriegsgeräts der Tigray-Kämpfer. Diese zogen sich ab Anfang Dezember immer
weiter zurück – „intakt und am Boden ungeschlagen“, wie Debretsion in
seinem Brief euphemistisch die Flucht vor den Luftattacken umschreibt.
## TPLF will nun durch diplomatischen Druck Ziel erreichen
Die TPLF will nun durch diplomatischen Druck erreichen, was ihr militärisch
nicht gelang: einen Politikwechsel in Addis Abeba. Die internationale
Gemeinschaft müsse jetzt „ihre Zögerlichkeit bei der Ausübung von Druck auf
Abiy Ahmed und seine regionalen Komplizen, damit sie ihre
Völkermordkampagne in Tigray beenden, einstellen“, schrieb TPLF-Sprecher
Getachew Reda auf Twitter. Die Regierungen der USA und Großbritanniens
begrüßten den Rückzug der Tigray-Kämpfer und sprachen von einer Chance für
Friedensgespräche.
Aber Äthiopiens Regierung hat dies nicht aufgenommen. Sie bleibt bei ihrer
Forderung, die TPLF müsse bedingungslos die Waffen strecken. Am Montag und
Dienstag wurden massive äthiopische Drohnenangriffe auf zivile Ziele in
Tigray mit Dutzenden Todesopfern gemeldet.
Denn der gegenseitige Hass ist ungebrochen. Zu Kriegsbeginn hatten
Amhara-Milizen in Teilen Tigrays massive Verbrechen verübt. Während ihres
Vormarsches Richtung Addis Abeba begingen wiederum die Tigray-Rebellen
Massaker und Plünderungen. Bei ihrem Rückzug aus der größten von ihnen
eroberten Stadt Dessie verwüsteten sie das größte Krankenhaus der Region.
Nach UN-Angaben sind derweil bei Massenverhaftungen von Tigrayern im
äthiopischen Regierungsgebiet 5.000 bis 7.000 Menschen spurlos
verschwunden.
Wegen dieser Vorwürfe setzte der UN-Menschenrechtsrat vergangene Woche
[3][eine internationale Untersuchung] ein, gegen den Willen Äthiopiens.
International wird nun darauf geachtet werden, ob Äthiopien diese
Untersuchung zulässt und humanitäre Hilfe ungehindert nach Tigray lässt.
Seit die Tigray-Rebellen Ende Juni Äthiopiens Armee aus Tigray verjagten,
konnten UN-Hilfswerke nur 12 Prozent des humanitären Hilfsbedarfs nach
Tigray bringen. Dort sind nach UN-Angaben 5,2 der 6 Millionen Einwohner auf
Nahrungsmittelhilfe angewiesen, 2,1 Millionen sind auf der Flucht.
21 Dec 2021
## LINKS
[1] http://xn--Nobelpreistrger%20kmpft%20selbst-hncf
[2] /Tuerkei-Afrika-Gipfel-in-Istanbul/!5822931
[3] /Krise-in-Tigray/!5822959
## AUTOREN
Dominic Johnson
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