# taz.de -- Michael Nesmith gestorben: Dem Fake folgten die Experimente | |
> Er gewann als Erster einen Grammy für ein Musikvideo. Seine frühen | |
> Monkees-Erfolge erschwerten seine eigene Karriere: Michael Nesmith ist | |
> tot. | |
Bild: Der Mann mit der Pudelmütze: Michael Nesmith (1942-2021) | |
Seine Mutter arbeitete als Sekretärin in einer Bank in Dallas, als ihr | |
[1][eine Erfindung gelang,] die ihr nicht nur die tägliche Arbeit | |
erleichterte, sondern sie nach einiger Zeit zur Multimillionärin machte. Er | |
wurde bald selbst reich und berühmt als Mitglied der ersten gecasteten | |
Boygroup. Doch seine weitere Musikkarriere als Solokünstler wurde dadurch | |
beeinträchtigt. | |
Er produzierte Filme, führte Regie bei Musikvideos, gründete eine | |
Produktionsfirma und war der erste Preisträger in der Grammy-Kategorie | |
Musikvideo. Er führte einen Prozess gegen den staatlichen US-Rundfunk- und | |
TV-Vertrieb PBS und erhielt einen Schadensersatz in Höhe von 48 Millionen | |
US-Dollar zugesprochen. | |
In späteren Jahren wurde auch die Qualität seiner Soloalben endlich | |
erkannt, sodass er abwechselnd mit der reformierten Boygroup und | |
Reenactments seiner Solowerke auf Tour gehen konnte. Zuletzt entwickelte er | |
ein 3D-Internetformat, das als Vorform von Mark Zuckerbergs „Metaverse“ | |
gedeutet werden könnte. Tratschke fragt: Wer war’s? | |
## Weit mehr als cooler Pudelmützenträger | |
Man tut dem im Alter von 78 Jahren verstorbenen Michael Nesmith Unrecht, | |
reduzierte man ihn auf seine Rolle als den coolen Pudelmützenträger [2][der | |
Sixties-TV-Serie-plus-Boygroup The Monkees.] Klar war es für einen nicht | |
gerade erfolgsverwöhnten Folkie nicht schlecht, mit den ersten vier Alben | |
auf der Spitzenposition der Billboard-Charts zu landen und etliche | |
weltweite Hits („I’m A Believer“, „Last Train To Clarksville“, „Day… | |
Believer“) zu haben. | |
Aber als mit „Different Drum“ 1967 zum ersten Mal ein Nesmith-Song in den | |
US-Top 20 landete, war es [3][die Version von Linda Ronstadt] – die | |
Monkees-Produzenten hatten ihn abgelehnt. | |
Der Verlust künstlerischer Reputation, als publik wurde, dass die Monkees | |
ein Fake sind und auf ihren Platten nicht selbst spielen, beschädigte auf | |
Jahre seine Karriere. Seine leicht psychedelisch-verschwommenen | |
Country-Rock-Alben der frühen 1970er wurden zunächst weitgehend ignoriert. | |
## Eröffnete dem Genre Country-Rock neue Territorien | |
Dabei eröffneten sie in ihrer Experimentierfreude dem Genre weite, neue | |
Territorien: Auf Alben wie „Magnetic South“ und „Loose Salute“ trafen d… | |
sehnsüchtig-melancholischen Songs Nesmith’ auf Funky Drummer, eine durch | |
die Fuzzbox gejagte Pedal-Steel-Gitarre und allerlei Latin-Anleihen. | |
Die Ignoranz des Publikums führte Nesmith in andere Tätigkeitsfelder: Er | |
ahnte die künftige Bedeutung des Videoformats voraus und gründete die | |
Produktionsfirma Pacific Arts. Während er dort mit zunehmendem Erfolg Filme | |
produzierte, veröffentlichte er hin und wieder Konzeptalben – etwa 1974 | |
„The Prison“, ein Buch mit einer LP, die man beim Lesen als Soundtrack | |
hören sollte, oder 1977 „From A Radio Engine To The Photon Wing“, für | |
dessen Cover er sich als Astronaut fotografieren ließ. | |
Das entsprach freilich der Musik überhaupt nicht: Seine wie gehabt eher | |
melancholischen Songs ließ er von handverlesenen Nashville-Studiomusikern | |
mit karibisch-tropischen funky Backings unterlegen. Immerhin wurde der Song | |
„Rio“ ein Top-5-Hit in Australien (und Top 30 in UK). Und er produzierte | |
dazu ein Musikvideo. | |
## Musikvideo-Produzent und Regisseur | |
Überhaupt pushte er nun dieses Format: Die für Nickelodeon entwickelte | |
Serie „PopClips“ kaufte 1980 Time/Warner und nutzte sie als Grundlage für | |
MTV. Er führte auch gelegentlich selbst Regie, etwa beim Video zu Lionel | |
Richies 1983er Nr.-1-Hit „All Night Long (All Night)“. | |
Währenddessen brachte das massive Monkees-Revival der 1980er nicht nur die | |
TV-Serie in die Zweitverwertungskanäle und damit ins Bewusstsein neuer | |
Generationen, sondern auch die Originalalben der Band zurück in die Charts | |
und eine Reunion auf den Weg: Zunächst als Trio ohne Nesmith (der Besseres | |
zu tun hatte), dann mit dem 1996er-Album „Justus“ als Originalquartett. | |
Tourneen folgten. | |
Aber auch seine Früh-1970er-Werke hatten mittlerweile neue Hörer und | |
legendären Status erreicht, sodass er schließlich auch mit dieser Musik auf | |
Konzertreise ging. 2019 wagte er eine Duo-Tour mit dem Steel-Gitarristen | |
Pete Finney, auf der er das 1972er Album „And The Hits Just Keep On Comin'“ | |
(ein ironischer Titel) featurete, das er im Duett mit seinem langjährigen | |
Steel-Begleiter Red Rhodes aufgenommen hatte. | |
## Der Internetformatentwickler | |
Parallel entwickelte er mit seiner Firma das Internetformat „3D Ranch“, | |
eine Art 3-D-Animation einer geräumigen Ranch mit vielen Räumen für Musik, | |
eigentlich wie gemalt für die Live-Performance-armen Lockdown-Jahre. | |
Nach dem Tod von Davy Jones (2012) und Peter Tork (2019) reiste er noch mal | |
mit dem letzten noch lebenden Monkees-Mitglied Micky Dolenz als „The Mike | |
And Micky Show“ durch die Welt. Die letzte Tour wurde abgebrochen, und | |
Nesmith unterzog sich einer Herzoperation. Er starb am 10. Dezember im | |
kalifornischen Carmel. | |
12 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bette_Nesmith_Graham | |
[2] /Highschool-Serie-Glee/!5128583 | |
[3] /Kaliforniens-Gouverneur-tritt-ab/!5545014 | |
## AUTOREN | |
Detlef Diederichsen | |
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