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# taz.de -- SPD regiert im Bund und in Berlin: Alles Sozialdemokraten, oder was?
> Erstmals seit Jahren stellt die SPD die Regierungschefs sowohl in Berlin
> wie im Bund. Eröffnet das Franziska Giffey neue Chancen? Ein
> Wochenkommentar.
Bild: Synchron lächeln können sie schon mal: Giffey und Scholz
Jetzt könnte also das große Durchregieren losgehen: Vom Kanzleramt übers
Rote Rathaus bis in die Berliner Bezirksämter – zumindest in fünf von zwölf
davon – stellt die SPD derzeit die Chefs und Chefinnen, angefangen von
[1][Olaf Scholz] über [2][Franziska Giffey] bis hin zum neuen
Marzahn-Hellersdorfer Bürgermeister Gordon Lemm. Aber ist das wirklich so?
Garantiert das gleiche Parteibuch Nähe und ähnliche Politik?
Im Zweifelsfall: Nein. Die Themen und Fragestellungen sind viel zu
unterschiedlich.
Ein Grund dafür liegt im politschen System der Bundesrepublik verankert.
Denn genau dafür gibt es ja die unterschiedlichen Regierungs- und
Parlamentsebenen statt einer starken Zentralgewalt wie in Frankreich, wo
die Regionen viel weniger Macht haben als in Deutschland die Bundesländer.
Was Olaf Scholz also im Kanzleramt für richtig hält und was auf Bundesebene
auch von den Koalitionspartnern Grüne und FDP für gut befunden wird, kann
schon auf Landesebene ganz anders aussehen. Denn ein Bundeskanzler muss
einen Weg für alle finden, der sowohl in den Stadtstaaten wie auch in den
Flächenländern passt. Es geht also letztlich um die hohe Kunst des
Kompromisses.
Im Roten Rathaus ist man aber oft davon überzeugt, besser über das Bescheid
zu wissen, was für die 892 Quadratkilometer Berliner Stadtgebiet und die
dort lebenden mehr als 3,7 Millionen Menschen gut ist. Und nur viereinhalb
Kilometer von der Senatskanzlei entfernt im SPD-regierten Neuköllner
Rathaus kann man der Ansicht sein, dass man auf Landesebene viel zu
abgehoben und zu weit weg vom konkreten Alltag zwischen Sonnenallee und
Hermannstraße ist.
Neukölln ist dabei ein Beispiel dafür, was in der Politik oft viel mehr
zählt als das gleichfarbige Parteibuch: persönliche Nähe und die genaue
Kenntnis der Verhältnisse. Franziska Giffey und Martin Hikel, der ihr als
Neuköllner Bürgermeister im Amt folgte, könnten vielleicht auch als
Parteilose oder mit unterschiedlichem Parteibuch gut zusammen arbeiten.
Entscheidend dafür ist aber letztlich: Kennt man sich? Und zudem: Folgt
daraus, dass man oder frau einander vertrauen?
Das gleiche Parteibuch mag zwar in gewisser Weise dafür stehen, dass
Menschen gewisse Grundwerte teilen – was im Kern letztlich heißt: Mehr oder
weniger Staat, mehr Selbstverantwortung oder weniger. Aber zum einen ist
die interne Bandbreite groß, egal ob bei SPD, Linkspartei oder Grünen,
jenen Parteien also, die in Berlin im Senat regieren und Bezirksämter
leiten. Das geht vom grünen Bürgerlichen bis zum Rigaer-94-Versteher, von
Regierungsfreunden bis zu -gegnern oder, um das mal an Personen
festzumachen, von Franziska Giffey bis zu Kevin Kühnert.
## „Freund, Feind, Parteifreund“
Zum anderen bewahrheitet sich immer wieder eine Steigerungsformel, die in
ähnlicher Form angeblich auf Konrad Adenauer zurück geht: „Freund, Feind,
Parteifreund“. Das hat ja auch eine gewisse Logik, machtpolitisch
zumindest. Der Kollege von der anderen Partei kann einem nur alle vier oder
fünf Jahre bei den nächsten Wahlen gefährlich werden. Der Parteifreund
hingegen kann einem bei jeder Ortverbandssitzung das eigene Fortkommen
erschweren oder wohl gemeinte Projekte blockieren.
Wenn es nur nach dem Parteibuch ginge, hätte etwa
Quasi-Bundeskulturministerin Monika Grütters, lange parallel die hiesige
CDU-Chefin, in der vergangenen Wahlperiode kaum einen Cent für Berlin
locker machen können. Denn Finanzminister war ja nicht mehr wie zuvor
Parteifreund Wolfgang Schäuble, sondern der schon zitierte SPDler Scholz.
Dem war aber nicht so.
Insofern mag in Zukunft gelegentlich zwar durchaus mal ein Foto auftauchen,
das die SPD-Führungskräfte auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene zusammen
zeigt. Die größte Gemeinsamkeit dürfte aber sein, dass alle Abgebildeten
das Bild in ihrer eigenen nächsten Werbebroschüre abdrucken können.
11 Dec 2021
## LINKS
[1] /Die-Wahrheit/!5818668
[2] /Koalition-in-Berlin-steht/!5818473
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Wochenkommentar
Franziska Giffey
Olaf Scholz
SPD Berlin
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Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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