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# taz.de -- Schwelende Konflikte: Nicht alles Gold was glänzt
> Der Streit schwelt in der Max-Planck-Gesellschaft schon seit längerem.
> Streitpunkte sind Führungsdefizite und Mobbingvorwürfe.
Bild: Konflikte an der Basis, Glanz an der Spitze: Nobelpreisträger Benjamin L…
Berlin taz | „Noblesse oblige“. Den beiden Nobelpreisträgern der
Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Klaus Hasselmann für Physik und Benjamin
List für Chemie, wurde die Wissenschaftsauszeichnung in dieser Woche im
Berliner Harnack-Haus festlich überreicht. Die traditionelle Übergabe durch
den schwedischen König in Stockholm hat die Coronapandemie im zweiten Jahr
in Folge verhindert. Wissenschaft ist ein scharfes Schwert, aber nicht
immer siegreich.
Während es oben funkelt, ist an der Basis der renommierten
Forschungsorganisation nicht alles Gold was glänzt. [1][Seit Jahren
schwelen in den Instituten Konflikte um Mitarbeitermobbing und
Führungsdefizite] des Leitungspersonals, die jetzt erneut wieder
aufgebrochen sind. Der aktuelle Fall spielt am Max-Planck-Institut für
Menschheitsgeschichte in Jena, wo die kanadische Archäologin Nicole Boivin
Ende Oktober von MPG-Präsident Martin Stratmann von ihrem Direktorenposten
abgesetzt wurde.
In dieser Funktion hatte sie fünf Jahre lang grundlegende Forschungen über
die Evolution des Menschen durchgeführt und unter anderem mit ihrem Team
herausgefunden, dass die negativen Umwelteinflüsse des Homo sapiens schon
vor der Sesshaftwerdung im Neolithikum stattfanden. So wurde bereits im
späten Pleistozän etwa in Neuguinea bewusst der Regenwald verbrannt oder
abgeholzt – Spuren eines frühen [2][„Geoengineering“,] was heute mit dem
Begriff [3][„Anthropozän“] verbunden wird.
Die wissenschaftlichen Leistungen Boivins spielten für die Degradierung
keine Rolle, sondern der Umgang mit ihren Untergebenen. Schlechte
Behandlung junger Wissenschaftler und die Aneignung wissenschaftlicher
Ideen von Kollegen, so lauteten die Vorwürfe, die zunächst mehrjährige
interne Untersuchungen der MPG-Zentrale in München auslösten. Boivin
ihrerseits bestritt alle Vorwürfe und wehrte sich gerichtlich gegen die
Herabstufung.
Der Fall zog schnell internationale Kreise. [4][In einem offenen Brief
protestierten 145 Wissenschaftlerinnen] gegen das Verfahren und forderten
die MPG auf, „ihren Umgang mit weiblichen Führungskräften zu überprüfen�…
Es sei ungerecht, wenn Frauen in Leitungspositionen kritischer beurteilt
würden als Männer und dementsprechend Vorwürfe von Fehlverhalten gegenüber
weiblichen Führungskräften viel häufiger bekannt gemacht und geahndet
würden als bei ihren männlichen Kollegen, so das Protestschreiben. Damit
wurde der Führungskonflikt um einen „Gender-Bias“ aufgeladen, der sich auch
in Berichterstattungen der international führenden Wissenschaftsmagazine
[5][Science ] und [6][Nature ] fortsetzte.
## Konflikte mit Betreuer*innen
Die MPG-Zentrale widersprach zwar dieser Darstellung. „Wir können nicht
bestätigen, dass mehr Frauen als Männer belastet werden“, erklärte
Max-Planck-Sprecherin Christina Beck. „In den vergangenen zehn Jahren wurde
genau zwei Direktor*innen wegen nichtwissenschaftlichen Fehlverhaltens
ihre Leitungsfunktion entzogen – dies betraf einen Mann und eine Frau“,
äußerte sich die Sprecherin gegenüber dem Wiarda-Wissenschaftsblog.
Aber das Doktorandennetzwerk der MPG „PhDnet“ hielt mit einer eigenen
Erhebung dagegen. „Innerhalb der MPG mussten sich in den letzten Jahren
vier von 54 Direktorinnen offiziellen und öffentlichen Mobbingberichten und
ihren Folgen stellen“, fassten die Nachwuchsforscher zusammen. „Bei den
männlichen Direktoren traf dies nur auf einen von 250 zu.“
Nach einer neueren Umfrage unter den 5.000 Doktoranden gaben 13 Prozent an,
dass sie „Konflikte mit ihren direkten Betreuenden (nur Direktor*innen)
erlebt“ hätten, und dies sowohl bei weiblichen wie auch bei männlichen
Betreuenden. „Erstaunlich ist“, so das Max-Planck-PhDnet weiter, „dass 8,7
Prozent der Promovierenden den Konflikt melden, wenn es sich um eine
Direktorin handelt, während dies nur auf 3,4 Prozent der Promovierenden mit
männlichen Betreuenden zutrifft“.
Anfang der Woche ist die Causa Boivin auch vor Gericht angekommen. Das
Landgericht Berlin gab dem Antrag der Wissenschaftlerin auf einstweilige
Verfügung statt. Danach darf die MPG „die Entscheidung des Präsidenten über
die Abberufung von Frau Boivin bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens nicht vollziehen“, heißt es in dem Urteil. Das habe
sich ausschließlich auf „Verfahrensfragen“ bezogen, betont die MPG. Die
inhaltlichen Vorwürfe kommen später zur Verhandlung.
12 Dec 2021
## LINKS
[1] /Fehlverhalten-beim-Fuehrungspersonal/!5561991
[2] /Technologien-bedrohen-Menschheit/!5470752
[3] /Neue-geologische-Epoche/!5423392
[4] https://www.phdnet.mpg.de/186691/2021-12-2_gender_bias_power_abuse?c=3839
[5] https://www.science.org/content/article/max-planck-institute-demotes-noted-…
[6] https://www.nature.com/articles/d41586-021-03492-5
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
MPG
Max-Planck-Gesellschaft
Mobbing
Gleichstellung
Gender
Nobelpreis
Schwerpunkt Klimawandel
Max-Planck-Gesellschaft
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