# taz.de -- Türkisch-armenische Annäherung: Frühlingsgefühle im Südkaukasus | |
> Von den Verhandlungen erhoffen sich die Armenier:innen zahlreiche | |
> wirtschaftliche Vorteile. Für die Türkei geht es eher um Strategisches. | |
Bild: Kerzenmarsch zur Ehrung der gefallenen armenischen Soldaten im Krieg gege… | |
Vor einem Jahr schien es völlig ausgeschlossen, dass es in absehbarer Zeit | |
noch einmal zu einer Normalisierung zwischen der Türkei und Armenien kommen | |
könnte. Gerade erst hatte die Türkei maßgeblich dazu beigetragen, dass | |
Armenien im Kampf um Bergkarabach eine demütigende Niederlage gegen | |
Aserbaidschan hinnehmen musste. | |
Die Menschen hatten Angst, einige waren sogar in Panik, dass die türkische | |
Armee das kleine Armenien ganz von der Landkarte tilgen könnte. So | |
verständlich diese Ängste angesichts des Völkermordes an den Armeniern 1915 | |
im Osmanischen Reich sind – realistisch waren sie zum Glück nicht. | |
Jetzt scheint es so, dass das jüngst noch völlig Abwegige Realität wird. | |
Die Türkei und Armenien haben beschlossen, hochrangig über eine | |
Normalisierung und die Öffnung der Grenze zu verhandeln. Armenien muss | |
dafür den weitaus größeren Schritt tun. Das kleine Land hat den Krieg | |
verloren, ist im Südkaukasus weitgehend isoliert, die Bevölkerung | |
demoralisiert. | |
Darüber hinaus ist in der Türkei keine Rede davon, den [1][Genozid an den | |
Armeniern] anzuerkennen, was frühere armenische Regierungen zur Bedingung | |
für normale Beziehungen gemacht hatten. | |
## Erdoğan hofft, im Westen zu punkten | |
Doch Armenien braucht aus wirtschaftlichen Gründen dringend eine Öffnung | |
der Grenze. Umgekehrt spielt für die Türkei Armenien ökonomisch keine | |
Rolle. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hofft, durch eine Normalisierung mit | |
den Nachbarn im Westen zu punkten. [2][US-Präsident Joe Biden] und die EU | |
sollen auf den Versöhnungskurs gedrängt haben. | |
Außerdem hofft Erdoğan darauf, mit besseren Beziehungen zu Jerewan – auch | |
in Konkurrenz zu Russland – im Südkaukasus insgesamt mehr Einfluss nehmen | |
zu können als bislang nur als Verbündeter von Aserbaidschan. | |
Ungeachtet der Skepsis gegenüber der türkischen Politik kommt vielen | |
ArmenierInnen die Grenzöffnung sehr zugute. Ein kleiner Grenzverkehr wäre | |
möglich und damit die Chance, in der Türkei zu arbeiten. Auch wäre eine | |
Grenzöffnung Voraussetzung für den Abbau der wechselseitigen Feindbilder. | |
23 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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