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# taz.de -- Arabische Gaspipeline​: Erdgas hilft Syrien
> Ägyptisches Gas soll die Stromausfälle im Libanon mindern. Diese Lösung
> ist nicht nur kurzfristig, sondern verschafft auch Syrien Vorteile.​
Bild: Im Libanon sind die Preise für Strom aus Generatoren stark gestiegen
Beirut taz | Magen-Darm-Vergiftungen durch unterbrochene Kühlketten,
Krankenhäuser, die um Patient*innen an den Sauerstoffgeräten fürchten,
und Rechnungen für private Generatoren, die höher sind als die Kaltmiete:
Im [1][Libanon ist der Strom knapp], in manchen Gegenden gibt es ihn nur
zwei Stunden am Tag.
Abhilfe soll nun Erdgas schaffen, das von Ägypten aus über Jordanien und
Syrien in die libanesische Stadt Tripoli fließt. Der von den USA
koordinierte Plan, die sogenannte Arabische Gas-Pipeline wieder zu nutzen,
ist jedoch politisch brisant – denn sie hätte die Normalisierung Syriens
zur Folge. Während die USA noch strenge Sanktionen gegen das Regime
aufrechterhalten, nehmen die arabischen Nachbarn für den Deal
wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen wieder auf. Jahrelang wurde
das syrische Regime von den USA und Europa von der internationalen Politik
ferngehalten. Nun engagiert es sich wieder in regionalen Abkommen.
Die Pipeline beginnt auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel, erstreckt sich
über 1.200 Kilometer, kostete rund eine Milliarde Euro und wurde bereits
2003 in Betrieb genommen. Mehrere Male beschädigten jedoch militante
Gruppen auf dem Sinai und [2][in Syrien] die Leitung.
Momentan fließt Gas nur bis nach Jordanien. Mit dem von Jordanien, Ägypten
und Libanon unterschriebenen Deal und Reparaturen an den Rohren soll das
Gas über Syrien in den Libanon kommen: Ab Anfang 2022 will Ägypten rund 13
Millionen Kubikmeter Gas pro Tag durch die Pipeline exportieren. Laut
libanesischem Energieminister soll das sechs Stunden mehr Strom täglich
bringen.
Weil der libanesische Staat bankrott ist und sich den Brennstoff zur
Stromgewinnung nicht leisten kann, soll zunächst die Weltbank für das Gas
zahlen. Wie viel, ist bisher unklar. Libanons ehemaliger Energieminister
Marc Ayoub sagte gegenüber der emiratischen Zeitung [3][The National], der
Libanon habe nach 250 Millionen US-Dollar gefragt.
## Gas-Importe würden Strompreis erhöhen
„Das ist ein Kredit, doch wer zahlt später dafür?“, fragt Laury Haytayan.
Sie ist Expertin in Beirut für den Öl- und Gassektor und Nahost-Direktorin
des Instituts zur Steuerung natürlicher Ressourcen (NRGI). „Ohne
Finanzreformen ist das nur eine kurzfristige Lösung. Und in ein paar
Monaten haben wir wieder das gleiche Problem.“
Bisher bezahlen die Menschen im Libanon teure und umweltschädliche
Generatoren. Die Maschinen surren in jedem Gebäude und können nur teilweise
die Stromausfälle überbrücken. Aufgrund der Inflation sind sie teilweise
teurer als die Kaltmiete geworden.
Durch das importierte Gas dürfte sich auch der Preis für den staatlichen
Strom erhöhen. Der orientierte sich bisher an dem offiziellen
Umrechnungskurs, den der Staat nicht aufgehoben hat. Mit den neuen
Lieferungen könnte sich der Preis künftig an dem Schwarzmarktkurs für
Devisen orientieren – und damit um das 16-fache teurer werden.
Der libanesische Stromsektor ist für rund 40 Prozent der Staatsschulden
verantwortlich. Jahrelang versackte dort durch Korruption Geld, das System
ist marode. Nach der Explosion in Beirut wollte Siemens zwei Gasturbinen
spenden, doch das hatte die Regierung abgelehnt. Der damalige
Energieminister sagte, der Staat könne die hohen Kosten für den nötigen
Brennstoff nicht bezahlen. Nun soll zwar Gas kommen, aber eine vernünftige
Infrastruktur steht nicht.
Statt Geld für eine Übergangslösung zu geben, könne die Weltbank
beispielsweise für Pipelines zahlen, die alle Kraftwerke in dem Land
verbinden, schlägt Haytayan vor. „Das wäre eine nachhaltige Investition.“
## Beziehungen zum Assad-Regime
Ein Gewinner der Wiederbelebung der Arabischen Gas-Pipeline ist Syrien.
Auch vor dem Hintergrund der Pipeline bauen die Nachbarländer zunehmend
wieder ihre Beziehungen mit dem Assad-Regime aus. Um über mögliche Gas- und
Stromlieferungen zu sprechen, besuchte eine hochrangige libanesische
Delegation im September Damaskus – zum ersten Mal nach Beginn des Kriegs in
Syrien 2011.
Zuvor hatten sich Anfang September der ehemalige Energieminister des
Libanon, der derzeitige ägyptische Energieminister und seine jordanische
Kollegin mit ihren syrischen Counterpart getroffen. Die Verhandlungen
kommen in einer Zeit, in der vor allem Ägypten darauf drängt, Syrien wieder
in die Arabische Liga aufzunehmen, aus der das Land 2011, wenige Monate
nach Beginn des Kriegs, suspendiert wurde.
Der Schritt rückt näher, da auch Saudi-Arabien überlegt, seine Botschaft in
Damaskus wiederzueröffnen und Syrien die Teilnahme am nächsten Gipfel der
Arabischen Liga zu ermöglichen. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten
ihre Botschaft in Syrien bereits 2018 wiedereröffnet. Im November traf der
emiratische Außenminister nun erstmals Baschar al-Assad persönlich in
Damaskus.
## Sachleistungen statt Geld für Syrien
Ägypten muss, will es Gas bis in den Libanon liefern, nicht nur mit diesem
ein Abkommen schließen, sondern auch Transfergebühren an Syrien
zahlen.Zudem zahlt die Weltbank für die Reparaturen an den Leitungen im
Land. Die Regierung in Damaskus würde also nicht nur politisch, sondern
auch wirtschaftlich von dem Deal profitieren.
Die USA haben zwar unter dem sogenannten Caesar Act wirtschaftliche
Strafmaßnahmen verhängt gegen alle, die mit dem Assad-Regime Handel
treiben. Doch laut Victoria Nuland, Staatssekretärin im
US-Außenministerium, werden die USA die Zahlungen an Syrien von den
Sanktionen ausnehmen, da sie unter humanitäre Hilfe fallen. Syrien soll
nicht bar ausbezahlt werden, sondern Sachleistungen bekommen.
Eine Hürde bleibt die Herkunft des Gases. Seit 2020 bekommt Ägypten Erdgas
aus Israel geliefert. Dieses wird mit der ägyptischen Eigenproduktion
vermischt und über die Arabische Gas-Pipeline weiter exportiert. „Sobald
das Gas im ägyptischen Markt ist, ist es fast unmöglich zu wissen, welches
Gas in den Libanon gelangt“, sagt Haytayan. Der Libanon befindet sich
jedoch theoretisch im Kriegszustand mit Israel.
„Das Interessante daran für die libanesische Seite ist, dass Hisbollah und
ihre Verbündeten nicht darüber sprechen“, sagt Haytayan. Stattdessen
organisierte die schiitische Partei und Miliz Öl-Lieferungen aus dem Iran.
Am Freitag (26.11.) brüstete sich Hisbollahchef Hassan Nasrallah damit,
Brennstoff im Wert von 2,6 Millionen US-Dollar an NGOs, Gemeinden und
Krankenhäuser gespendet zu haben.
6 Dec 2021
## LINKS
[1] /Treibstoffmangel-in-Libanon/!5789620
[2] https://english.alarabiya.net/News/middle-east/2021/02/27/Attackers-strike-…
[3] https://www.thenationalnews.com/mena/lebanon/2021/10/21/lebanon-to-get-six-…
## AUTOREN
Julia Neumann
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
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