| # taz.de -- Schwedens Regierungschefin Andersson: Zweite Chance für erste Frau… | |
| > Schwedens Grüne wollen nicht mitregieren. Nun will es die | |
| > Sozialdemokratin Magdalena Andersson allein versuchen. Am Montag stimmt | |
| > das Parlament ab. | |
| Bild: Magdalena Andersson will jetzt allein regieren | |
| Stockholm taz | Wie geht es weiter in Schweden, nachdem Magdalena Andersson | |
| am Mittwoch gleich doppelt Geschichte geschrieben hat? Zunächst vom | |
| Reichstag [1][zur ersten Frau an der Spitze einer Regierung] gewählt, | |
| [2][musste sie sieben Stunden später schon wieder zurücktreten], weil die | |
| Grünen die bisherige Koalition mit Anderssons Sozialdemokraten | |
| aufkündigten. | |
| Mittlerweile steht fest, dass die 54-Jährige eine neue Chance bekommt. Am | |
| Donnerstagnachmittag terminierte Parlamentspräsident Andreas Norlén eine | |
| erneute Abstimmung über das Ministerpräsidialamt auf Montag. Nur | |
| [3][Magdalena Andersson] ist nominiert – diesmal nicht mehr als Kandidatin | |
| für den Posten der Ministerpräsidentin einer rot-grünen, sondern einer | |
| sozialdemokratischen Minderheitsregierung. | |
| Man werde dann in Stockholm eine ähnliche Situation haben wie in | |
| Kopenhagen, wo Mette Frederiksen mit ihrer Minderheitsregierung auf die | |
| Stimmen von Linken, Grünen und Liberalen angewiesen sei, gab sich Andersson | |
| kurz nach ihrem Rücktritt zuversichtlich. In Dänemark funktioniere das ja | |
| auch. | |
| Tatsächlich gibt es gute Aussichten für eine solche Lösung. Die grüne | |
| Miljöpartiet, die linke Vänsterpartiet und das liberale Zentrum haben | |
| bereits zugesagt, genauso wie am Mittwoch zu stimmen und Andersson damit | |
| als Regierungschefin einer sozialdemokratischen Alleinregierung zu | |
| bestätigen. Einfach wird das Regieren für Andersson aber nicht. | |
| ## Rassisten verhindern | |
| Im schwedischen Reichstag mit seinen 349 Sitzen herrschen vertrackte | |
| Mehrheitsverhältnisse. Die Sozialdemokraten haben zusammen mit Linken und | |
| Grünen keine Mehrheit, ebenso wenig wie die rechte Opposition – selbst mit | |
| den Stimmen der rassistischen Schwedendemokraten. | |
| Das Zentrum steht zwischen den beiden Blöcken. Seine Unterstützung für eine | |
| sozialdemokratisch geführte Regierung begründet es vorwiegend damit, dass | |
| für sie das wichtigste sei, dass in Stockholm keine Regierung ans Ruder | |
| kommt, die von den Stimmen der Schwedendemokraten abhängig ist. | |
| Deshalb verhalf die Partei schon nach der Parlamentswahl 2018 Stefan Löfven | |
| ins Amt sowie nun auch dessen Nachfolgerin Andersson. Gleichzeitig stimmte | |
| sie aber gegen deren Budgetvorschlag, weil er ihr „zu links“ war, womit sie | |
| aber der braunen Partei „zum größten Sieg seit unserer Gründung“ verhalf, | |
| wie sich Mattias Karlsson, der Chefideologe der Schwedendemokraten, gleich | |
| nach der Abstimmung über den Staatshaushalt für 2022 auf Facebook freute. | |
| Erstmals hatten nämlich Konservative und Christdemokraten ihre seit 2018 | |
| immer enger werdende Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten auch auf die | |
| Einigung auf einen gemeinsamen alternativen Budgetentwurf ausgeweitet. | |
| Dieser fand dann nach der Ablehnung des Regierungsentwurfs eine Mehrheit. | |
| Inhaltlich bedeutet das nun gültige Haushaltsgesetz der Rechtsopposition, | |
| dass es für einige der von Rot-Grün geplanten Reformen keine Finanzierung | |
| mehr gibt und beispielsweise die Steuern für Benzin und Diesel gesenkt | |
| werden müssen. | |
| Während Anderssons Amtsvorgänger Löfven angekündigt hatte zurückzutreten, | |
| wenn das Regierungsbudget keine Mehrheit erhält, will Andersson bis zur | |
| Parlamentswahl im September 2022 einfach mit diesem Oppositionsbudget | |
| regieren. Eine realistische Alternative hat sie auch nicht. Die Möglichkeit | |
| einer vorgezogenen Neuwahl kennt Schwedens Verfassungsordnung nicht. | |
| ## Klare Rollen für Sozialdemokraten und Grüne | |
| Der grüne Koalitionspartner sah dies anders. Für ihn war mit einem | |
| klimapolitischen Kahlschlagsbudget und einer migrationspolitisch | |
| verschärften Politik die Schmerzgrenze überschritten: Ihre Partei könne mit | |
| diesem braungefärbten Haushalt, „der die Handschrift einer rechtsextremen | |
| Partei trägt“, nicht regieren, erklärte die grüne Ko-Vorsitzende Märta | |
| Stenevi. „Wir müssen unseren Wählern in die Augen sehen und stolz auf die | |
| von uns verantwortete Politik sein können.“ Unter den jetzigen | |
| Voraussetzungen sei das unmöglich. | |
| Das Ende ihrer siebenjährigen Regierungszusammenarbeit bietet nun | |
| allerdings sowohl den Sozialdemokraten als auch den Grünen eine Chance, | |
| sich deutlicher zu profilieren. Es knirschte schon längere Zeit in der | |
| Koalition. Die Grünen konnten sich nur mit wenigen ihrer umwelt- und | |
| klimapolitischen Herzensfragen durchsetzen, haben große Teile ihrer | |
| Wählerschaft enttäuscht, pendeln ständig an der Vier-Prozent-Sperrklausel | |
| und liegen derzeit sogar darunter. | |
| Und die Sozialdemokraten wollen Verschärfungen im migrations- und | |
| kriminalpolitischen Bereich, die die Grünen bislang blockierten. Mit | |
| alleiniger Regierungsverantwortung beziehungsweise in klarer | |
| Oppositionsrolle könnten beide Parteien gewinnen. | |
| 26 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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