| # taz.de -- Die Komische Oper singt auf Tschechisch: Neuer Blick auf eine alte … | |
| > An der Komischen Oper Berlin halten bei der Inszenierung von Leoš | |
| > Janáčeks Oper „Katja Kabanowa“ Frauen alle Fäden in der Hand. Eine | |
| > Rezension. | |
| Bild: Szenenfoto aus der Oper „Katja Kabanowa“ an der Komische Oper Berlin | |
| „Die Pauke ist verstimmt!“, raunt der dicke Mann neben mir laut seiner Frau | |
| zu, sobald das Orchester unter Giedrė Šlekytė die ersten Takte von Leoš | |
| Janáčeks Musik intoniert. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wieder dicht an | |
| dicht zu sitzen mit fremden Menschen, hat man sich doch an die Armfreiheit | |
| der Pandemiebestuhlung gewöhnt. Die aktuelle Regelung an der [1][Komischen | |
| Oper Berlin] sieht offenbar vor, dass jeder Platz besetzt werden kann. | |
| Dafür dürfen die Masken nicht mehr abgenommen werden. | |
| Das geht natürlich in Ordnung; und dass der extrabreite Mann an meinem | |
| rechten Ellbogen nicht dafür gemacht ist, im engen Theatergestühl zu | |
| sitzen, und ich mich jedes Mal dünn machen muss, wenn er sich ein wenig | |
| dreht, ist einfach Pech. Immerhin hält er für den Rest der Vorstellung den | |
| Mund, denn wahrscheinlich hat er ziemlich schnell verstanden, dass die | |
| Pauke keineswegs verstimmt ist. | |
| Und mit seinem Unbehagen hat er ja recht: Die Pauke stört immens. | |
| Bum-bum-bum-bum-bam-bam-bam-bam, tönt sie immer wieder zweimal vier Schläge | |
| und scheint sich einen Dreck darum zu scheren, was der Rest des Orchesters | |
| treibt. Es ist eine sehr herausfordernde Art von Schicksalsmotiv, das damit | |
| der Handlung vorausklingt. | |
| Die Unerbittlichkeit, die in der penetrant wiederholten, gradzahligen | |
| Anordnung der Töne liegt, spiegelt sich, wenn man ein bisschen | |
| Zahlenmetaphorik betreibt, in dieser [2][„Katja Kabanowa“-Inszenierung] von | |
| Jetske Mijnssen auch im Bühnenbild von Julia Katharina Berndt. Es ist | |
| nämlich ausgesprochen viereckig und besteht aus mehreren identischen, | |
| rechteckigen Räumen, die im Bühnenhintergrund aufgebaut sind. Aus der | |
| Perspektive des Publikums erscheinen die SängerInnen in diesen Kästen | |
| eingesperrt wie Tiere im Terrarium. | |
| ## Die Dimensionen der tschechischen Sprache | |
| Und als wäre das nicht genug, sind sie in so spießige, diffus an | |
| 60er-Jahre-Büroklamotten erinnernde Kostüme gekleidet, dass man, obwohl man | |
| ja gerade in der Oper sitzt, oft geradezu erstaunt ist, dass diese | |
| farblosen Figuren tatsächlich singen. [3][Leoš Janáček] (1854–1928) | |
| verbrachte einen Großteil seines Komponistenlebens damit, die musikalischen | |
| Dimensionen der tschechischen Sprache zu erforschen und motivisch zu | |
| verarbeiten. | |
| Das Schicksal der verheirateten Katja Kabanowa, die nach einer Affäre an | |
| Schuldgefühlen und den rigiden Moralvorstellungen ihrer Umwelt zerbricht, | |
| hat er in ein musikalisches Drama verwandelt, das allein durch diese Musik | |
| auch ein Jahrhundert nach seiner Entstehung noch immer wirkt. | |
| Annette Dasch in der Hauptrolle leistet sowohl stimmlich als auch textlich | |
| ein enormes Pensum, denn es wird in Originalsprache gesungen; von den | |
| meisten Ausführenden sogar in ziemlich deutlicher Diktion. Noch besser | |
| durchhörbar haben Giedrė Šlekytė und das Orchester die vielschichtige | |
| Partitur im Griff. | |
| Am Schluss, nachdem der Paukist ein allerletztes Mal sein | |
| Bum-bum-bum-bum-bam-bam-bam-bam beigesteuert hat, ist der breite Herr von | |
| nebenan der Erste, der laut „Bravo! Bravo!“ ruft. | |
| 17 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.komische-oper-berlin.de/ | |
| [2] https://www.komische-oper-berlin.de/programm/spielplan/katja-kabanowa/2319/ | |
| [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Leo%C5%A1_Jan%C3%A1%C4%8Dek | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Granzin | |
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