# taz.de -- Bestattungs-Eklat in Berlin: Kirche lässt Nazi liegen | |
> Die Landeskirche hat entschieden: Der Musikwissenschaftler Max | |
> Friedlaender erhält einen neuen Gedenkort auf dem Südwestkirchhof in | |
> Stahnsdorf. | |
Bild: Friedlaenders Grabstein auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof | |
BERLIN taz | Mehr als einen Monat nach [1][der umstrittenen Beisetzung | |
eines Neonazis auf dem Südwestkirchhof] im brandenburgischen Stahnsdorf hat | |
die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) | |
am Freitag mitgeteilt, wie sie mit dem Vorfall umgehen will. Die Bestattung | |
in der ehemaligen Grabstätte eines Musikwissenschaftlers jüdischer Herkunft | |
hatte für großen Aufruhr gesorgt. | |
Der Bischof der Landeskirche, Christian Stäblein, erklärte nun, man werde | |
den Grabstein von Max Friedlaender „an zentraler Stelle auf dem Kirchhof“ | |
neu aufstellen und dem 1934 Gestorbenen „ein ehrendes Gedenken bewahren“. | |
Von einer Umbettung des Holocaustleugners Henry Hafenmayer werde man jedoch | |
absehen. | |
Laut Stäblein soll ein „Gedenkort“ mit Friedlaenders Grabstein und einer | |
Stele Leben und Werk des Wissenschaftlers würdigen, der 1852 in einer | |
jüdischen Familie geboren wurde und später zum Protestantismus | |
konvertierte. Zuständig für die historische Aufarbeitung soll das Moses | |
Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) in Potsdam sein. | |
Dies sei ebenso wie die Entscheidung, auf eine Urnenumbettung zu | |
verzichten, „in enger Abstimmung mit den Nachfahren“ geschehen. Er sei | |
„dankbar für ihr klares Votum und den gemeinsamen Austausch“, so der | |
Bischof, der nach Bekanntwerden des Falls von einem „entsetzlicher Fehler“ | |
und einem „Versagen unserer Kirche“ gesprochen hatte. | |
Die rechtsextremen Gesinnungsgenossen des im August gestorbenen Henry | |
Hafenmayers hatten offenbar gezielt die ehemalige Grabstätte eines Menschen | |
jüdischer Herkunft ausgesucht. Sterbliche Überreste Friedlaenders waren | |
laut EKBO dort nicht mehr vorhanden; allerdings werden historische | |
Grabsteine auf dem Großfriedhof am Berliner Stadtrand aus | |
Denkmalschutzgründen erhalten. Wieso die Friedhofsleitung den ersten | |
Versuch der Neonazis, Hafenmayer an zentraler Stelle auf dem | |
Südwestkirchhof zu bestatten unter Verweis auf dessen politische | |
Ausrichtung ablehnte, bei der ehemaligen Friedlaender-Grabstätte aber keine | |
Einwände erhob, bleibt weiterhin offen. | |
## Strafanzeige ist anhängig | |
Eine Strafanzeige wegen Störung der Totenruhe, Verunglimpfung des Andenkens | |
Verstorbener und Volksverhetzung liegt der Staatsanwaltschaft vor: Berlins | |
Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn hatte sie im Oktober erstattet. | |
Auch wie es damit weitergeht, ist unklar. Eine Anfrage der taz vor mehreren | |
Tagen ließ die Justizpressestelle bislang unbeantwortet. | |
Die Nachfahren Friedlaenders veröffentlichten am Freitag ebenfalls eine | |
Stellungnahme. Darin heißt es, der geplante Gedenkort solle Friedlaenders | |
bedeutende Leistung als Musikwissenschaftler angemessen würdigen, zu der | |
insbesondere die Erforschung des Lebens von Franz Schubert gehöre. Auf ihre | |
Initiative hin werde außerdem in Berlin Anfang 2022 ein „Stolperstein“ für | |
Max Friedlaenders 1943 in Auschwitz ermordete Nichte Käte Friedlaender | |
verlegt – an ihrem letzten „Wohnort“, einem von den Nazis eingerichteten | |
„Judenhaus“. | |
Laut taz-Recherchen hätte die Entfernung der Urne des Neonazis aus der | |
Grabstätte die Kirchenleitung vor massive Probleme gestellt. Zum „Schutz | |
der Totenruhe“ kann eine sogenannte Ausbettung gemäß dem kircheneigenen | |
Friedhofsgesetz nur auf Antrag der Nutzungs- oder Totenfürsorgeberechtigten | |
vorgenommen werden. Im Zeitraum von zwei Wochen bis zu sechs Monaten nach | |
der Bestattung ist auch das nur nach richterlicher Anordnung zulässig. | |
19 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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