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# taz.de -- Geflüchtete an der EU-Außengrenze: Belarus räumt Grenzlager
> Nach unklaren Aussagen aus Minsk verbreiten sich Gerüchte. Berlin
> dementiert. Indes entspannt sich die Lage an der belarussisch-polnischen
> Grenze.
Bild: Provisorisches Camp nahe Bruzgi am Donnerstag, mittlerweile geräumt
Berlin/Warschau/Minsk/Sokolka dpa/afp | Deutschland hat Berichte über eine
angeblich geplante Aufnahme von 2.000 Migranten von der
belarussisch-polnischen Grenze klar zurückgewiesen. Bei einem Besuch in
Warschau stellte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am
Donnerstagabend klar, dass die Bundesregierung keine entsprechende
Vereinbarung mit Belarus getroffen habe.
„Diese Meldung ist falsch“, sagte Seehofer nach einem Treffen mit Polens
Innenminister Mariusz Kaminski. Hybride Bedrohungssituationen würden immer
auch genutzt, um falsche Informationen in der Öffentlichkeit zu streuen.
Zuvor hatten Äußerungen einer Sprecherin des belarussischen Machthabers
Alexander Lukaschenko für Verwirrung gesorgt. Lukaschenko habe gefordert,
dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen „humanitären Korridor“ für
2.000 Migranten in die EU aushandeln solle, sagte Natalja Eismont. Im
Gegenzug dazu habe der oft als „letzter Diktator Europas“ kritisierte
Machthaber bei einem der beiden Telefonate mit der Kanzlerin angeboten,
sich um die Rückkehr von 5.000 Migranten in ihre Heimatländer zu bemühen.
Aus Berliner Regierungskreisen hieß es jedoch bereits kurz darauf:
„Deutschland hat dem nicht zugestimmt. Es handelt sich um ein europäisches
Problem, bei dem Deutschland nicht alleine vorgeht.“ Aus der EU-Kommission
hieß es am Abend auf die Frage, ob auf europäischer Ebene Gespräche über
eine Aufteilung von 2.000 Migranten geführt würden: „Der EU-Kommission ist
nicht bekannt, dass es irgendwelche Diskussionen dieser Art gibt.“
## Unmut über Merkels Telefonate
Die Gespräche zwischen Merkel und Lukaschenko, die am vergangenen Montag
und Mittwoch stattfanden, sorgten unterdessen weiter für Unmut. „Wenn es in
dem Telefonat darum ging, wie die Migranten aus Belarus zurück in ihre
Heimatländer gebracht werden, dann ist jede Initiative in dieser Richtung
im Sinne Polens“, sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Es
dürfe aber „in dieser Krise keine Entscheidung über unsere Köpfe hinweg
gefällt werden“.
Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis bezeichnete Gespräche mit
Lukaschenko als einen „gefährlichen Weg“: „Diktatoren und autoritäre
Menschen sind dafür bekannt, dass sie sich nicht an das Gesetz halten“,
sagte Landsbergis litauischen Medien zufolge. Die Bundesregierung hatte den
Dialog verteidigt und erklärt, dass es darum gehe, die katastrophale Lage
für Tausende Menschen vor Ort zu verbessern.
## Belarus räumt Lager
In Belarus hat der Grenzschutz unterdessen ein provisorisches
Flüchtlingslager an der Grenze zu Polen geräumt. Am Donnerstag seien alle
Migranten aus dem Lager nahe dem Grenzübergang Bruzgi in ein nahegelegenes
Logistikzentrum gebracht worden, erklärte der belarussische Grenzschutz im
Messenger-Dienst Telegram. Die Behörden veröffentlichten auch Fotos des
offenbar verlassenen Lagers, in dem rund 2.000 Menschen tagelang bei
eisigen Temperaturen ausgeharrt hatten.
Die Flüchtlinge, darunter viele Kurden aus dem Nordirak, hatten das Lager
in einem Waldgebiet unweit des Grenzübergangs Bruzgi errichtet. Am Dienstag
hatten polnische Sicherheitskräfte dort Tränengas und Wasserwerfer gegen
Flüchtlinge eingesetzt, die Steine geworfen hatten. Der polnische
Grenzschutz bestätigte nun die Evakuierung des Lagers.
Am Dienstagabend waren bereits mehr als tausend Menschen aus dem Lager in
eine riesige Lagerhalle gebracht worden. Doch rund 800 weitere hatten nach
Angaben der belarussischen Behörden bei Temperaturen unter 0 Grad weiter in
Zelten oder an Lagerfeuern im Freien geschlafen. Diese Migranten wurden
wegen „schlechter werdender Wetterbedingungen“ nun ebenfalls in die
Lagerhalle gebracht, wie der belarussische Grenzschutz mitteilte. Dort
erhalten sie demnach warmes Essen und warme Kleidung.
## 200 Festnahmen an der Grenze
Die Lage an der Grenze war zuletzt äußerst angespannt. Polen hat einen
Grenzzaun errichtet und mehr als 15.000 Sicherheitskräfte an der Grenze
zusammengezogen. Sie nahmen nach Angaben aus Warschau in der Nacht zum
Donnerstag rund 200 Flüchtlinge fest, die versucht hatten, die Grenze nach
Polen zu überqueren.
Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes versuchten insgesamt rund 500
Migranten, die Grenze zu überqueren. Dabei seien fünf Menschen, die alle
zur selben Familie gehörten, verletzt worden. Die Verletzten, darunter drei
Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren, wurden in ein Krankenhaus
gebracht.
Unterdessen brachte ein erster Rückführungsflug am Donnerstag 431 Menschen
in den Irak zurück, darunter viele Frauen und Kinder. Die
Iraqi-Airways-Maschine startete in Minsk und landete am Abend in Erbil, der
Hauptstadt der nordirakischen Kurdenregion. Nach belarussischen Angaben
sollen 5.000 der rund 7.000 in Belarus gestrandeten Menschen in ihre Heimat
zurückgeschickt werden.
19 Nov 2021
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