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# taz.de -- WTA streicht Tennisturniere in China: Angst vor einer Olympiadebatte
> Die chinesische Regierung reagiert schockiert auf den Boykottbeschluss
> der Tennisorganisation. Sie kritisiert die Politisierung des Falls Peng
> Shuai.
Bild: Beste ihres Landes: die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai bei den Au…
Peking taz | Die [1][Ankündigung der Damentennis-Organisation WTA,
sämtliche Turniere in China zu streichen], hat in China regelrechte
Schockwellen ausgelöst. Dies ließ sich an der bemerkenswerten Stille
ablesen, die zeitweise unter Chinas Staatsmedien und Diplomaten herrschte.
Normalerweise reagieren diese bei jeder Kritik umgehend mit verbalen
Gegenangriffen. Doch dieses Mal musste das Propagandaministerium in Peking
offenbar lange an einer offiziellen Argumentationslinie tüfteln. Für die
Volksrepublik steht viel auf dem Spiel.
Ein Rückblick: Peng Shuai, die vielleicht beste Tennisathletin des Landes,
bezichtigte den ehemaligen Vizepremier Zhang Gaoli in einem Onlineposting
vom 2. November, sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Erstmals
erreichte ein #MeToo-Fall also die Pekinger Politelite. Der
Sicherheitsapparat reagierte – wie so oft –, indem er die Nachricht
zensierte und die Tennisspielerin [2][aus der Öffentlichkeit verschwinden
ließ].
Doch nach immensem internationalem Druck stand Chinas Regierung unter
Zugzwang. Die Staatsmedien veröffentlichten zunächst [3][eine
offensichtlich fingierte E-Mail von Peng] – und als die Aktion ihr Ziel
verfehlte, posteten sie [4][Kurzvideos der 35-Jährigen bei einem
Restaurantbesuch]. Damit war klar, dass Peng Shuai unversehrt ist. Doch
ebenso klar war, dass sich die Athletin nicht frei äußern kann. Auch ein
unter Aufsicht geführtes Telefonat mit IOC-Präsident Thomas Bach ändert an
diesem Befund nichts.
Während das IOC riskiert, sich mit dem chinesischen Propagandaapparat
gemeinzumachen, ist die WTA-Entscheidung durchaus mutig. Zwar konnte der
Tennisverband seit zwei Jahren pandemiebedingt ohnehin keine Turniere in
China veranstalten. Doch allein 2019 hielt die WTA neun Turniere in der
Volksrepublik ab, darunter das Saison-Finale in Shenzhen mit über 30
Millionen Dollar Preisgeld.
## Kritik im Netz zensiert
Im chinesischen Netz wurden unlängst alle Äußerungen über die
Boykott-Nachricht gelöscht. Doch es gab auf den sozialen Medien ein kurzes
Zeitfenster von wenigen Minuten, ehe die Zensoren einschritten. Bis dahin
zeigten sich einige chinesische Internetnutzer auf der Onlineplattform
Weibo überraschend solidarisch: „Dieses Mal stehe ich auf der Seite der
WTA“, kommentierte etwa eine Userin. „Die WTA zeigt echtes Rückgrat“,
lautete eine andere Meinung.
Stunden später folgten die offiziellen Staatsmedien mit ihren
Gegenattacken. Zunächst brach Hu Xijin, Chefredakteur der nationalistischen
Global Times, sein Schweigen auf Twitter: „Die WTA zwingt Peng Shuai, den
Angriff des Westens auf das chinesische System zu unterstützen. Damit
beraubt sie Peng Shuai ihrer Meinungsfreiheit.“ Er bediente sich einer
abstrusen Täter-Opfer-Umkehr, deren Botschaft im Westen wohl nicht
verfangen wird.
Das Perfide ist, dass Chinas Journalisten zu dem Thema ausschließlich auf
Twitter und Facebook publizieren können – Plattformen also, die in der
Volksrepublik seit Jahren zensiert sind. Auf ihren eigenen Medien dürfen
sie sich nicht zu der Thematik äußern. Dort nämlich existiert der Fall
offiziell nicht. Auch das Pekinger Außenministerium antwortete in den
vergangenen Wochen stets, dass man sich der Angelegenheit „nicht bewusst“
sei. Am Donnerstag ließ Regierungssprecher Wang Wenbin nun verlauten: „Wir
sind entschieden dagegen, den Sport zu politisieren.“
## Angst vor der Boykottdebatte
Für Peking steht schlussendlich weitaus mehr auf dem Spiel als nur ein paar
abgesagte Tennisturniere. Denn zum einen ist das Risiko groß, dass weitere
Sportorganisationen weitere Konsequenzen ziehen werden. Vor allem aber
könnte die Causa Peng Shuai die Boykottdebatte rund um die Olympischen
Winterspiele in Peking wieder beleben.
Dass hochrangige Regierungsvertreter aus dem Westen im Februar in die
Volksrepublik reisen werden, gilt ohnehin als unwahrscheinlich, schon
aufgrund der Pandemie. Doch abseits von einem sogenannten diplomatischen
Boykott könnten einige Staaten in Erwägung ziehen, ihre Athletinnen und
Athleten nicht nach China zu entsenden. Deutschlands künftige
Außenministerin Annalena Baerbock schloss etwa jüngst im Interview mit der
taz einen Boykott der Olympischen Spiele nicht explizit aus.
2 Dec 2021
## LINKS
[1] /WTA-streicht-Tennisturniere-in-China/!5816014
[2] /Verschwundende-Tennisspielerin/!5816641
[3] /Raetsel-um-verschwundene-Tennisspielerin/!5812627
[4] /Chinesischer-Tennis-Star-Peng-Shuai/!5816764
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Tennis
Peng Shuai
Schwerpunkt #metoo
USA
Tennis
Annalena Baerbock
China
Kolumne Frühsport
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