| # taz.de -- Schweinehaltung in Niedersachsen: Ausstieg oder Umbau | |
| > Der niedersächsische Landtag diskutiert über die Krise der | |
| > Schweinehalter:innen. Dabei sprechen alle von Prämien, aber niemand ist | |
| > sich einig. | |
| Bild: Wollen immer weniger auf dem Teller haben: Mastschwein | |
| Der niedersächsische Schweinemarkt steckt in einer Krise. Die Grünen | |
| fordern eine Aus- oder Umstiegsprämie für Betriebe, angeblich im Namen der | |
| Schweinehalter:innen. Die Schweinehalter:innen wollen zwar eine | |
| Prämie, warnen aber vor einer reinen Ausstiegsprämie, wie sie die Grünen | |
| angeblich wollten. Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) | |
| spricht von einer Zukunftsprämie, verweist aber in erster Linie auf die | |
| bereits bestehenden Förderungen. Nur die Tierschutzorganisation Peta | |
| wünscht sich einen echten Ausstieg aus der Schweinehaltung. | |
| Bereits im Februar hatten die Grüne einen Antrag gestellt, nun diskutierte | |
| der niedersächsische Landtag am Donnerstag eine Anfrage von Miriam Staudte, | |
| Grünen-Sprecherin für Landwirtschaft und Tierschutz. Titel: [1][„Was tut | |
| die Landesregierung, um Niedersachsens Schweinebranche zukunftsfähig zu | |
| machen?“] | |
| Der Preis von Schweinefleisch in Niedersachsen sei eingestürzt, erklärt | |
| Staudte. Der Grund dafür sei die geringe Nachfrage. Das liege zwar zum | |
| einen an Corona, aber auch an der Afrikanischen Schweinepest, nach deren | |
| Ausbruch in Deutschland der Exporthandel zusammenbrach. Außerdem | |
| konsumieren die Deutschen seit 2010 generell zunehmend weniger Fleisch. Das | |
| sei auch gut, aus Gesundheits-, Klima- und Tierschutzgründen. | |
| Der resultierende Schweine-Überschuss sei ein Strukturproblem, dass mit dem | |
| Ende der Pandemie nicht einfach verschwinden werde. Daher müsse die Branche | |
| reduzieren. Staudte schlägt eine Prämie vor, die Betriebe unterstützt, wenn | |
| sie ihren Schweinebestand reduzieren oder aufgeben. | |
| Das wünschen sich auch die Betroffenen, meint Staudte. Damit bezieht sie | |
| sich auf eine Mitteilung des niedersächsischen Landvolkes vom 12. Oktober, | |
| in der eine „Umstrukturierungsprämie“ begrüßt wird sowie auf die | |
| Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), die sich | |
| Prämien wünscht, „[2][egal ob sie nun Ausstiegs-, Zukunfts- oder | |
| Umstrukturierungsprämien genannt werden.]“ | |
| ## Über die Hälfte will aussteigen | |
| Ganz egal scheint die Art der Prämie dann aber doch nicht zu sein. Ulrich | |
| Pohlschneider, Sprecher der ISN, äußert sich auf taz-Nachfrage skeptisch | |
| gegenüber einer „reinen Ausstiegsprämie“. Man müsse in erster Linie akti… | |
| Halter:innen unterstützen. Die ISN warnt davor, dass das Fleisch sonst | |
| in Zukunft aus anderen europäischen Ländern mit niedrigeren | |
| Qualitätsstandards kommen könnte. | |
| Pohlschneider gibt zu, dass eine Anpassung notwendig ist. Doch die | |
| Produktion sei bereits zurückgegangen. In einem ISN-Faktenpapier heißt es, | |
| die Anzahl der in Deutschland gehaltenen sei auf dem niedrigsten Stand seit | |
| 1997. Über die Hälfte der kleineren Betriebe plane laut einer [3][Umfrage] | |
| bereits einen Ausstieg aus der Schweinehaltung. | |
| Staudte weiß, dass viele Halter:innen aussteigen. Sie will mit der | |
| Prämie ein Höfesterben verhindern. Statt den Hof zu schließen, könnten | |
| Halter:innen einen Teil ihrer Schweinehaltung beispielsweise durch eine | |
| Ferienwohnung oder Gemüseanbau ersetzen. Man wolle jedenfalls nicht | |
| unbedingt, dass Betriebe komplett aus der Schweinehaltung aussteigen. | |
| Aber ein Umbau zu flächengebundener Tierhaltung sei überfällig. | |
| Flächengebunden bedeutet, dass die Fläche des Hofes ausreicht, um | |
| Futterversorgung und die umweltverträgliche Entsorgung der Gülle zu | |
| gewährleisten. Aktuell sei es für Halter:innen profitabler, mehr Tiere | |
| auf engem Raum zu halten und Futtermittel wie Soja zu importieren. Dass | |
| externe Kosten wie die Abholzung und Umweltschäden durch den Sojaanbau | |
| nicht im Preis der Produkte berechnet sind, sieht Staudte als eine | |
| indirekte Subventionierung. | |
| ## Ministerin ist gegen Prämie | |
| Außerdem spricht sie sich für verpflichtende Tierwohl-Kennzeichnungen auf | |
| Produkten aus. Damit habe man bei Hühnereiern gute Erfahrungen gemacht, die | |
| Käfigeier seien schnell aus den Regalen verschwunden. | |
| Entscheidungsträgerin ist letztendlich Landwirtschaftsministerin Barbara | |
| Otte-Kinast (CDU). Sie signalisiert Verständnis für die problematische Lage | |
| der Landwirte, lehnt eine Ausstiegs- oder Umstrukturierungsprämie aber ab. | |
| Sie habe keine marktstabilisierende Wirkung, denn das Fleisch würde bloß | |
| aus anderen Ländern auf deutsche Märkte drängen. | |
| Die Prämie sei außerdem beihilferechtlich nicht machbar und begünstige | |
| Mitnahmeeffekte. „Sollen wir etwa dem Vater Geld in die Hand drücken, damit | |
| anschließend der Sohn weiter Schweine hält? Sehr geehrte Frau Staudte, das | |
| kann doch nicht Ihr Ernst sein!“, sagte Otte-Kinast in ihrer Antwort auf | |
| die Grünen-Anfrage. Über eine „Zukunftsprämie“ habe man dagegen noch nic… | |
| entschieden. | |
| Vorerst verweist Otte-Kinast auf bestehende Förderprogramme wie die | |
| Umstellungsprämie für den ökologischen Landbau oder die | |
| Corona-Überbrückungshilfe III, und [4][betont ihr eigenes Engagement], | |
| unter anderem für die Vorschläge der [5][Borchert-Kommission]. Die besteht | |
| aus Experten, die 2019 von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) | |
| eingesetzt wurden, und unter anderem auch verpflichtende | |
| Tierwohl-Kennzeichnungen fordern. Die Situation der | |
| Schweinehalter:innen lasse sie nicht kalt, beteuert Otte-Kinast. | |
| ## Tierschützer:innen wollen Ausstieg und Aufklärung | |
| Doch was ist mit den Schweinen? Die ISN hat unter Schweinehalter:innen | |
| Umbaubereitschaft zu tiergerechteren Haltungsformen festgestellt, meint | |
| Pohlstein. Diese seien ja durchaus von Verbraucher:innen gewünscht. | |
| Auch dafür bräuchte man wohl die finanzielle Unterstützung. | |
| Damit sprechen sich eigentlich alle für bessere Haltungsformen aus. Alle? | |
| [6][Nicht ganz]. Peta verspricht sich von Tierwohl-Labels nur marginale | |
| Veränderungen. Die Organisation fordert von der Politik eine | |
| Ausstiegsprämie, zusammen mit einer Nachfragesenkung durch Aufklärung der | |
| Bevölkerung. | |
| Peta mische sich in die Diskussion ein, schreibt die ISN in einer | |
| zusammenfassenden Pressemitteilung. Weiter heißt es, die Parteien haben | |
| sich zu lange [7][„gegenseitig Sand ins Getriebe gestreut und es sich mit | |
| Schuldzuweisungen leicht gemacht“]. Damit müsse Schluss sein, sonst seien | |
| am Ende wieder die Schweinehalter die Leidtragenden. | |
| 12 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/landtag/plenarinitiativen/arti… | |
| [2] https://www.schweine.net/news/schweinehalter-brauchen-jetzt-finanzielle-unt… | |
| [3] https://www.schweine.net/news/isn-umfrage-zur-zukunft-der-schweinehaltung-2… | |
| [4] https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/lan… | |
| [5] https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/hintergrundinformationen-zur-… | |
| [6] https://www.peta.de/themen/ausstiegspraemie-schweinebetriebe/ | |
| [7] https://www.schweine.net/news/diskussion-ueber-ausstiegspraemie-haelt-an.ht… | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Petsche | |
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