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# taz.de -- Ausstellung zum Thema „Konflikte“: Austragen statt ignorieren
> Eine Hamburger Ausstellung beleuchtet Konflikte im Privatleben, in der
> Arbeit und in der Politik. Das tut sie meinungsstark und multimedial.
Bild: Finden Sie die tazler? Demonstration vor den Häusern in der Hamburger Ha…
Der Wunsch nach Harmonie geht am wenigsten in Erfüllung, wird alles Handeln
danach ausgerichtet. Für eine Weile können innere Zwiespälte oder ein
angespanntes Verhältnis zu anderen zwar ignoriert werden, sie verschwinden
davon aber nicht. Diese Einsicht nimmt die Ausstellung „Konflikte“ im
Hamburger Museum der Arbeit zum Ausgangspunkt: Sie lädt zur
Auseinandersetzung mit alltäglichen Konflikt-Szenarien ein – und mit dem
eigenen Konfliktverhalten.
Das Thema ist breit und wird nur wenig eingegrenzt. Die Besucherin erfährt,
dass Expertinnen und Experten aus Psychologie, Sozialwissenschaft und
Medien sehr verschiedene Vorschläge zur Definition eines Konflikts
anbieten. Sie soll also selbst entscheiden, was davon sie überzeugt, das
sei eine „Frage der Perspektive“. Man kann das als Ausweichschritt vor
einer begrifflichen Festlegung ansehen. Aber auch als bewusste Absage an
die Erwartung, bereits vor der Betrachtung eines konkreten Konfliktfalles
müssten Ursachen, Beteiligte und Lösungen bestimmbar sein.
Anlass der Ausstellung, erläuterten Museumsdirektorin Rita Müller und
Kurator Mario Bäumer, war die zunehmende „Empörungskultur“, die sich vom
sachhaltigen Argumentaustausch entfernt, sowie das Auftreten neuer
öffentlicher Konfliktfelder, etwa der Klimapolitik. Entsprechend ist sie
entlang konkreter Konflikte aufgebaut, darunter Beziehungs-, Arbeits-,
innere und gesellschaftliche Konflikte. Diese können in Filmszenen
beobachtet, an szenischen Installationen miterlebt werden. Interviewte
Akteurinnen und Akteure erzählen von ihren Konflikterfahrungen, weiteres
Material bilden Fotografien, Collagen und einige historische Dokumente der
Hamburger Arbeiterbewegung – selbstverständlich liegt in einem der Arbeit
gewidmeten Museum ein Augenmerk auf Arbeitskämpfen.
Es ist eine Stärke der Ausstellung, dass sie immer wieder Partei ergreift.
So wird etwa das Engagement gegen den [1][Abriss der „Esso-Häuser“] oder
für den [2][„Park Fiction“] – beides im Stadtteil St. Pauli – aus Sich…
beteiligten Initiativen dargestellt. Zum Konflikt um den Klimaschutz
wiederum kommen Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future zu
Wort.
Auch in der vielerorts geführten Debatte um Denkmäler drängt die
Ausstellung zur Stellungnahme, indem sie parallel die Geschichten der
[3][örtlichen Bismarck- und Heine-Denkmäler] erzählt: Ersteres steht wegen
seiner völkischen Symbolik und als Repräsentant des ehemaligen deutschen
Kolonialreichs in der Kritik, Letzteres musste zweimal aufgebaut werden –
weil die Nationalsozialisten das erste abrissen.
Von Kämpfen um bessere Arbeitsbedingungen schließlich berichten
Gewerkschafterinnen, couragierte Arbeiter und ehemalige Mitstreiter der
Lehrlingsbewegung. Bemerkenswert ist, dass viele von ihnen voller Stolz
zurückblicken: In Konflikten für sich und andere eingestanden zu sein, ist
offenbar auch ein Grund für Zufriedenheit.
Direkt neben einer Fotostrecke zu den Aktionen heutiger Hafenarbeiterinnen
und Hafenarbeiter gegen Sozialdumping beim Sichern der Schiffsladung ist
der Stummfilm „Brüder“ von Werner Hochbaum über den Hamburger
Hafenarbeiterstreik zu sehen – immerhin schon von 1896/97. Bis man
allerdings in diesem Bereich angekommen ist, haben die vielen bunten und
interaktiven Stationen die Sensibilität für weniger spektakuläre Medien
schon ziemlich gesenkt.
Nicht immer ist die Wahl der Konfliktbeispiele treffsicher: Darüber, wie
Hunde miteinander kämpfen, oder was die häufigsten Nachbarschaftskonflikte
sein mögen, muss nicht unbedingt „zum Nachdenken angeregt“ werden. Auch
kommen die szenischen Darstellungen alltäglicher Konfliktsituationen arg
pädagogisch daher: Auf jeden eskalierenden Verlauf folgt ein alternativer,
beschwichtigender, den sich die Zuschauerin wohl zum Vorbild nehmen soll.
## Zusammenleben als Zumutung
Wie kompliziert es ist, gesellschaftliche Konflikte in ein anschauliches
Modell mit klaren Kontrahenten zu übersetzen, wird am Thema Klima deutlich:
Der größte Gegner der Bewegung für den Klimaschutz ist das Prinzip der
Mehrwertproduktion. Verschwendung von Ressourcen und kurzfristige
Gewinnkalkulationen lohnen sich einfach. Deshalb benennen die
Vertreterinnen und Vertreter von Fridays for Future als ihren Gegenspieler
auch weniger konkrete Akteure, als das Ausbleiben eines gemeinsamen
Engagements der Menschheit. Dass diese Erwartung weltfremd wirkt, kann aber
nicht denen zum Vorwurf gemacht werden, die dafür eintreten.
In Zeiten, in denen das gesellschaftliche Zusammenleben häufig eher als
Zumutung erlebt wird, denn als Realität, die es trotz verschiedener
Interessen vernünftig zu gestalten gilt, leistet die Ausstellung eine Art
Reanimationsarbeit. Nicht nur empfiehlt sie nämlich, Konflikte auszutragen,
statt sie zu ignorieren. Auch fordert sie dazu auf, dass wir uns ein Bild
von den Konflikten um uns herum machen, das unseren eigenen Standpunkt
überschreitet.
16 Nov 2021
## LINKS
[1] /Bebauungsplan-fuer-Esso-Haeuser-Areal/!5583962
[2] /Kuenstlerin-ueber-Stadtplanung-von-unten/!5651955
[3] /Debatte-um-Denkmal-in-Hamburg/!5803935
## AUTOREN
Anna-Sophie Schönfelder
## TAGS
Ausstellung
Hamburg
Arbeit
Konflikt
Kunst
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