# taz.de -- Ökobilanz der Fußball-WM in Katar: Groteske Widersprüche | |
> Die Fußball-WM 2022 in Katar soll klimaneutral sein. Wie das trotz des | |
> Einsatzes von Energiefressern klappen soll? Das ist die große Frage. | |
Bild: Nachhaltiges Sportevent? Das Stadion 974 in Doha soll nach der WM andersw… | |
Doha taz | Es brummt und dröhnt rund um Katars WM-Stadien. In diesen Tagen | |
findet in Doha und Umgebung der Fifa Arab Cup statt. Ein Turnier mit 16 | |
Teams aus der Region – ein Testlauf für die WM in rund einem Jahr. Das | |
Weltturnier 2022 soll das erste [1][mit dem Siegel der Klimaneutralität] | |
werden. So haben das der Fußball-Weltverband Fifa und das örtliche | |
Organisationskomitee vor wenigen Monaten angekündigt. Sogenannte | |
Klimaneutralität wird erreicht, wenn sich der Ausstoß von Treibhausgasen | |
und die Fähigkeit des Ökosystems, diese aufzunehmen, im Gleichgewicht | |
befinden. | |
Der Lärm rund um die Stadien könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich | |
hier um ein sehr ambitioniertes Ziel handelt. Denn es sind zahllose dicke | |
mit fossilen Brennstoffen betriebene Generatoren, die rund um die Arenen | |
platziert sind, um jene großen Mengen an Strom zu liefern, die hier | |
benötigt werden. Die Stadien sind schon ein Jahr vor der WM sämtlich | |
fertiggestellt. Und sie sind – das muss man einfach zugeben – wunderschön | |
geworden. | |
Viel zu groß und aufwendig natürlich, wenn man an die Zeit nach der WM | |
denkt. Aber architektonisch ist jedes für sich eine Augenweide und | |
technisch mit dem Neuesten ausgerüstet, was der Markt so hergibt. Dies ist | |
aber auch mit einer Menge von Energieaufwand verbunden. Besonders schlagen | |
hier die gewaltigen Klimaanlagen ins Kontor, mit denen – mit Ausnahme des | |
Ras-Abu-Aboud-Stadions („Stadium 974“) in der Nähe des Hafens – alle Are… | |
auf rund 22 Grad Innentemperatur heruntergekühlt werden. | |
Aktuell herrschen in Doha und Umgebung abends nur zwischen 23 und 25 Grad, | |
das wird auch nächstes Jahr um diese Zeit nicht anders sein. Man könnte es | |
auch hervorragend ohne die Kühlmaschinen aushalten. Aber die Anlagen wollen | |
ja getestet werden, schließlich gründeten sich die größten Zweifel in der | |
Fifa-Welt an einer WM in Katar an den Temperaturen von bis zu 45 Grad, die | |
hier im Sommer erreicht werden. Also rein mit den Klimaanlagen in die | |
Stadien – daran sollte es nicht scheitern. | |
## Komplett abbaubares Stadion | |
Nur: Wie soll beim Einsatz derartiger Energiefresser Klimaneutralität | |
erreicht werden? In einem von Fifa und Golfstaat vor wenigen Wochen | |
veröffentlichten Dokument zur Nachhaltigkeitsstrategie werden die | |
Verringerung von Emissionen, energieeffiziente Stadien und kurze | |
Transportwege angekündigt. Tatsächlich liegen die WM-Stadien alle derart | |
nahe beieinander, dass es tatsächlich eine WM der kurzen Wege geben wird. | |
Das „Stadium 974“, benannt nach der internationalen Vorwahl Katars und der | |
Anzahl von alten Schiffscontainern, die einen Großteil der Inneneinrichtung | |
ausmachen, wartet zudem mit einer Besonderheit auf: Es soll nach der WM in | |
Katar ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. So die Idee der | |
Organisatoren, die das Stadion als „bahnbrechend“ in Sachen Nachhaltigkeit | |
von Großevents anpreisen. | |
Derlei Vorgänge kritisiert Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe. | |
Gegenüber der Deutschen Welle merkte er an, Gastgeberländer würden mit dem | |
Bau teurer Infrastruktur für Sport-Megaevents den Herausforderungen in | |
Zeiten des Klimawandels nicht gerecht. Auch dann nicht, wenn eines von | |
acht WM-Stadien ab- und an anderer Stelle aufgebaut werden kann. „Ich | |
würde zuerst die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist, ein Stadion | |
nur für einen Zweck zu bauen“, sagte Sommer. Ein neues Stadion nur für | |
dieses Ereignis zu bauen und schon zu planen, dass es nicht mehr genutzt | |
wird, weil man es nicht mehr braucht, das sei „keine wirklich nachhaltige | |
Sache“. | |
Darüber hinaus steht in dem Strategiedokument der Veranstalter, dass die | |
„verbleibenden unvermeidbaren Emissionen ausgeglichen werden“ sollen. | |
Heißt: In Doha und Umgebung wurden etwa eine Million neuer Bäume gepflanzt. | |
Deren verzweifelte Versuche, in einem der trockensten Regionen der Welt | |
heranzuwachsen, lässt sich bei einem Gang durch die Stadt beobachten. Man | |
sieht dann auch die ständige künstliche Wasserzufuhr. In Doha sind Tausende | |
von Kilometern an Sprinklerschläuchen verlegt, die dem seltenen Grün das | |
wertvolle Nass zuführen. | |
Um jenes benötigte Wasser wiederum zu bekommen, verfügt Katar mittlerweile | |
über zehn riesige Meerwasserentsalzungsanlagen. Die allerdings auch wieder | |
– man ahnt es schon – mit einem hohen Energieaufwand betrieben werden | |
müssen. Unter dem Strich kann sich das Land dies alles finanziell leisten – | |
aber, auch das gehört zur Wahrheit, Katar war 2019 laut [2][International | |
Energy Agency das Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf weltweit.] | |
Dies liegt auch am Konsum und Freizeitverhalten, das nicht selten grotesk | |
wirkt. In der Mall im Stadtteil Aziziya liegt eingebettet in Supermarkt und | |
Edelboutiquen eine große Eislaufbahn, auf der sich nachmittags | |
Eishockeyspieler vergnügen. Im Ortsteil Lusail – etwas außerhalb liegend | |
und umgeben von Wüste – entsteht zudem gerade eine riesige Skihalle. Schön | |
kühl ist es da. | |
9 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Die-CO2-Bilanz-des-Fussball/!5624347 | |
[2] https://kommunalwirtschaft.eu/tagesanzeiger/detail/i30348/c000?view=presse_… | |
## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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