Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Startup für Secondhandware: Grüner Lifestyle für Faule
> Der Berliner Startup GreenCircle möchte den Kauf und Verkauf von
> gebrauchter Ware bequemer gestalten. Nette Idee – hat aber ein paar
> Haken.
Bild: Amazon in „grün“ – Verbraucher:innen müssen nichts mehr machen un…
Berlin taz | Wohl auch durch den Boom von Webseiten wie eBay-Kleinanzeigen
oder Kleiderkreisel existiert seit einigen Jahren ein Trend weg von
Neuwarenkauf hin zu Gebrauchtwaren. Auch der Firmenchef von GreenCircle,
Friedrich Köser, hat darin eine Geschäftsidee entdeckt und ist vergangenes
Jahr mitten in der Pandemie auf den Zug aufgesprungen. Und versucht
derzeit, mit Projekten wie „[1][Berlin tauscht]“ die Bevölkerung für sein
Unternehmen zu gewinnen.
Bei GreenCircle handelt es sich um ein Berliner Startup, über welchen der
Kauf und Verkauf von privater, gebrauchter Ware erfolgt. Anders als
eBay-Kleinanzeigen zum Beispiel, das dem selben Konzept folgt, setzt
GreenCircle aber auf die Bequemlichkeit der Verbraucher:innen – das
Unternehmen holt Ware, die verkauft werden soll, bei einem zu Hause ab, und
liefert Produkte, die bestellt wurden, zur selbstgewählten Stunde bis vor
die Haustür.
Für Nutzer:innen fällt daher die Arbeit wie das Fotografieren und
Hochladen von Produktinformationen weg. Außerdem übernimmt GreenCircle auch
die Kommunikation zwischen Kaufenden und Verkaufenden, sodass das nervige
Hin- und herschreiben wie Preisverhandlung und Terminvereinbarung entfällt.
„Wir merken, dass sehr viele Berliner Haushalte wertvolle Sachen zu Hause
haben, aber eben keine Zeit und Nerven, diese Sachen selbst zu verkaufen“,
erklärt Köser auf die Frage, warum er GreenCircle gegründet hat. „Unsere
Idee ist es also, lokalen Austausch von Second Hand so einfach zu machen,
dass du mit Sicherheit ein Produkt theoretisch morgen lieferbar vor deine
Tür kriegst.“
## Platz für neuen Ramsch
Allerdings wirft ein Blick auf die Webseite auch einige Fragen auf. So zum
Beispiel, ob GreenCircle nicht eher dazu beiträgt, Fast Fashion
voranzutreiben, indem es Nutzer:innen besonders einfach macht,
ungewollte Ware wieder zu „entsorgen“. Denn trotz der hohen Preise erinnern
die Produkte auf GreenCircle eher an Sachen aus einer kostenlosen
Ramschkiste als an hochwertige Secondhandware. Es werden hauptsächlich
Kleidung, Haushaltswaren und Bücher verkauft, also nichts, was es nicht
schon bei Humana oder in öffentlichen Bücherschränken gibt.
Und wenn man mal beim Stöbern ein Schnäppchen wie einen Staubsaugroboter
für 40 Euro entdeckt, ist er bereits „re:owned“, sprich: verkauft. Beim
Zählen der „re-owned“ Buttons wird übrigens schnell klar, dass die
Nachfrage nach den meisten Produkten auf GreenCircle wohl eher gering
ausfallen muss, da beispielsweise lediglich 12 von 371 Schuhen re:owned
wurden.
Vielleicht hat GreenCircle auch deswegen das neue Experiment „Berlin
Tauscht“ ins Leben gerufen, um ein wenig Werbung für ihr Unternehmen zu
machen. Bei dem im Oktober gestarteten und bis Dezember dauernden Projekt
wird aus ganz Berlin eine gigantische Tauschbörse kreiert – so zumindest
die Idee.
## GreenCircle oder GreenWashing?
Jede Person, die mitmachen will, wählt einen beliebigen Gegenstand, den sie
loswerden möchte, und wünscht sich hingegen einen anderen Gegenstand als
Tauschware im ungefähr gleichen Wert. Die Teilnehmer:innenzahl wird
optimistisch hoch auf 10.000 gesetzt, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
dieses Textes haben sich 624 Leute angemeldet.
Unabhängig davon, dass die Idee von Tauschbörse und digitalem Flohmarkt
nicht besonders innovativ ist, ist der ehrliche Anspruch des Umweltschutzes
dieses Unternehmens anzuzweifeln. Zum Beispiel schreibt GreenCircle, den
Transport der Waren mithilfe von Elektrofahrzeugen zu tätigen, die mit
grünem Strom betrieben werden. Gleichzeitig wird aber als Stromversorger
der Atomkonzern Vattenfall genannt.
Ebenfalls verwunderlich ist der Preis, der auf bestimmte Produkte
festgelegt wurde. Unter Haushaltswaren wird beispielsweise eine Ikea Lampe
angeboten, die für 20 Euro erworben werden kann. Der Neupreis dieses
Produktes liegt allerdings bei 13 Euro. Als Verbraucher:in muss der
Umweltschutzgedanke besonders hoch sein, um für das gebrauchte Produkt
sieben Euro mehr als für die Neuware zu bezahlen.
## Den Preis zahlen andere
Und zuletzt sollte der aktuelle Trend, gekaufte Ware innerhalb einer kurzen
Zeit geliefert zu bekommen, kritisch hinterfragt werden. Wie bereits bei
[2][Essenslieferungen von Gorillas] zu erkennen ist, bedeutet maximale
Komfortabilität von Verbraucher:innen auch maximaler Stress und
Ausbeutung für Mitarbeitende, die die Ware liefern müssen.
Bei GreenCircle können Produkte sogar am Wochenende bis 20 Uhr geliefert
werden, ca. neun Stunden nach dem Kauf. Immerhin ist derzeit Köser selbst
noch für die Lieferung zuständig, doch falls der Trend zur maximalen
Kund:innenzufriedenheit an Zulauf gewinnen sollte, sehen wir
vielleicht bald die Liefer:innen von GreenCircle neben denen von
Gorillas auf der Straße streiken.
15 Nov 2021
## LINKS
[1] https://berlintauscht.de/
[2] /Fahrradkuriere-in-Berlin/!5801656
## AUTOREN
Shoko Bethke
## TAGS
Greenwashing
Secondhand
Konsum
Tauschbörse
Start-Up
Prenzlauer Berg
Kolumne Die Nafrichten
Schwerpunkt Radfahren in Berlin
Mode
Secondhand
Sharing Economy
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tauschen statt kaufen: Gegen das Image von Second Hand
Noch immer ist es etwas gewöhnungsbedürftig, gebrauchte Dinge anzunehmen.
Die Berliner Tausch-Leih-Tage wollen dem entgegenwirken.
Ausmisten für ein neues Lebensgefühl: Ein Hoch auf Alman-Camouflage-Namen
Unser Autor macht dieses Jahr einen großangelegten Frühjahrsputz. Beim
ausmisten und verschenken Begegnen ihm viele verschiedene Charaktere.
Repaircafés in Berlin: Das geht doch noch!
In Berlin fallen jährlich 70.000 Tonnen Sperrmüll an. Repaircafés und
weitere Initiativen versuchen, dem Müll ein zweites Leben zu geben.
Renaissance von Secondhand-Mode: Auf Schatzsuche
Secondhand-Mode verspricht emotionalen Mehrwert. Der Umsatz wird sich in
den nächsten fünf Jahren auf 51 Milliarden Dollar verdoppeln.
Textilrecycling als Geschäftsmodell: Kleider machen Leute
Holger Hackbarths Geschäft sind alte Kleider. Er macht Putzlappen daraus
und schickt sie um die halbe Welt – und an Hipster zwischen Harz und Heide.
Kommentar Sharing Economy: Das neue Greenwashing
Gerne schreiben Unternehmen sich das Label „Sharing“ auf die Fahne. Doch
nicht immer ist Teilen ressourcenschonender.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.