Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- #MeToo in China: Die Mätresse packt aus
> Mit Vorwürfen von Chinas Tennisspielerin Peng Shuai gegen den
> Ex-Vize-Premier erreicht #MeToo die Politelite. Der Zensurapparat
> reagierte sofort.
Bild: Peng Shuai beim Tennisturnier in Melbourne. Ihre Vorwürfe und ihre Accou…
Peking taz | Der Vorwurf sexueller Gewalt, den die Tennisspielerin Peng
Shuai Dienstagnacht in einem Posting schildert, ist in der patriarchalen
Gesellschaft Chinas keine Seltenheit. Doch dass er öffentlich gegen einen
Spitzenpolitiker der Kommunistischen Partei erhoben wird, galt bislang als
unerhört.
Die 35-jährige Peng behauptet, dass sie vom heute 74-jährigen Zhang Gaoli
zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde. Zhang, der zwischen 2013 und 2018
Vize-Premierminister war, gilt als einer der mächtigsten Männer des Landes.
Auch wenn die Anklägerin von einer einvernehmlichen Affäre spricht, ja
sogar von Liebesgefühlen, besteht an ihrem Kernvorwurf kein Zweifel: Der
erste sexuelle Kontakt sei unter Zwang geschehen – eine Vergewaltigung
also.
„Auch wenn nur ich es bin – wie ein Ei, das gegen den Stein schlägt; eine
Motte, die in die Flamme fliegt, um Selbstzerstörung werbend: Ich werde die
Wahrheit über dich berichten“, heißt es in dem emotionalen Posting, den die
Tennisspielerin auf der Online-Plattform Weibo veröffentlicht hat.
## Die Details machen sprachlos
Verifizieren lassen sich die Anschuldigungen nicht. Doch es sind die
kleinen Details, die den Leser sprachlos zurücklassen: Peng, die 2013 im
Doppel das Wimbledon-Turnier gewann, macht sich mehrfach Schuldvorwürfe,
geißelt sich als vermeintlich „schlechtes Mädchen“. Und sie beschreibt ih…
Mutter, die die Tochter persönlich zu ihrem späteren Peiniger fährt – in
der naiven Annahme, sie werde von dem Spitzenpolitiker ausgezeichnet.
„Peng Shuais Enthüllung ist enorm wichtig“, kommentiert die chinesische
Feministin Lü Pin, die seit 2015 in den USA lebt: „Sie ermöglicht es den
Menschen, das wahre Gesicht der chinesischen Spitzenpolitiker wie nie zuvor
zu sehen“. Diese würden korrupt sein und ihre Macht missbrauchen.
Vor drei Jahren ist die „#MeToo“-Bewegung auch nach China übergeschwappt.
Es gab seither mehrere prominente Fälle, darunter auch gegen einen
[1][Fernsehmoderator] und Popstar. Doch bislang hat es kein weibliches
Opfer gewagt, Anschuldigungen gegen einen mächtigen Politiker zu erheben.
## Mediale Auslöschung
Beim diesem Fall ließ sich beispielhaft beobachten, wie der chinesische
Zensurapparat in Echtzeit funktioniert: Nach rund 20 Minuten wurde das
Posting von Peng Shuai gelöscht, später verschwand ihr persönlicher Account
und kurz darauf konnten User nicht einmal mehr ihren Namen suchen. Es ist
fast so, als ob eine Person des öffentlichen Lebens niemals existiert
hätte.
Die chinesischen User, gewöhnt an die umfassende Zensur, debattierten
natürlich trotzdem eifrig weiter. Nachdem jedoch sämtliche Beiträge auf
sozialen Medien gelöscht wurden, dachten sich die Nutzer Codewörter und
indirekte Anspielungen aus, um den Such-Algorithmus der Zensoren zu
umgehen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem am Ende jedoch der Staat
stets am längeren Hebel sitzt.
Dabei gehen die Zensoren nicht immer so rigoros vor. Als vor einigen
Monaten eine junge Frau ähnliche [2][Vorwürfe gegen den
kanadisch-chinesischen Popsänger Kris Wu] erhob, wurde dieser umgehend
verhaftet und von der Staatspresse zur moralischen Persona non grata
erklärt.
Denn damals passten die „#MeToo“-Anschuldigungen perfekt in die Agenda des
Politapparats, der eine Kampagne gegen den exzessiven Reichtum von
Celebrities führte.
## Offiziell herrscht Schweigen
Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass sexuelle Ausbeutung junger Frauen
auch unter chinesischen Parteikadern gang und gäbe ist, ja vor wenigen
Jahren noch geradezu stolz zur Schau gestellt wurde. Wer in die Provinzen
fuhr, wurde nicht selten von Lokalpolitikern begrüßt, die keinen Hehl um
ihre Mätressen machten.
Und in der Hauptstadt Peking gibt es nach wie vor ganze Wohnblocks, in
denen Parteiprinzlinge und Unternehmer ihre käuflichen Affären einmieten.
Der im Januar wegen Korruption hingerichtete Ex-Banker Lai Xiaomin soll gar
über 100 Geliebte in einem riesigen Wohnkomplex um sich geschart haben.
Offiziell jedoch will die Regierung nicht über das offensichtliche Problem
reflektieren, sondern kehrt es lieber unter den gesellschaftlichen Teppich.
Als ein Korrespondent das Thema bei der Pressekonferenz des Pekinger
Außenministeriums ansprach, lautete die nüchterne Antwort von Sprecher Wang
Wenbin: „Ich habe darüber nichts gehört und es ist keine diplomatische
Angelegenheit“.
3 Nov 2021
## LINKS
[1] /Drehbuchautorin-klagt-wegen-Belaestigung/!5735045
[2] /Chinesisch-kanadischer-Popstar-in-Haft/!5786234
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
KP China
Schwerpunkt #metoo
Internetzensur
Sexualisierte Gewalt
GNS
Kolumne Frühsport
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Alibaba
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verschwundende Tennisspielerin: Von der Macht des Sports
Die Volksrepublik lässt die Profitennisspielerin Peng Shuai verschwinden.
Um sich den Sport einzuverleiben, riskiert die Kommunistische Partei eine
Machtprobe.
Rätsel um verschwundene Tennisspielerin: „Ich habe mich nur ausgeruht“
Chinas Staatssender CGTN hat eine angebliche E-Mail der vermissten
Tennisspielerin Peng Shuai veröffentlicht. Kolleg:innen machen sich
Sorgen.
Tennisprofi in China verschwunden: Wo ist Peng Shuai?
Weltklasseprofi Peng Shuai wirft dem Vize-Premierminister Vergewaltigung
vor. Nun weiß niemand, wo sie ist. Die Profikollegen sind besorgt.
Sexuelle Übergriffe im Frauenfußball: Weitere Untersuchung angeordnet
Vorwürfe von sexuellen Übergriffen sollen ignoriert worden sein,
Spielerinnen wurden nicht geschützt. Eine weitere US-Fußballerin hat sich
geäußert.
Recherchen zu #MeToo: Es geht gerade erst los
Kommt nach dem Fall von Julian Reichelt die #MeToo-Debatte endlich richtig
in Deutschland an? Was Recherchen zu Machtmissbrauch so schwierig macht.
Missbrauchsvorwürfe bei Alibaba: MeToo bei Chinas Internetimperium
Eine Mitarbeiterin des Alibaba-Konzerns erhebt Missbrauchsvorwürfe. Sie
lösen eine landesweite Debatte über Unternehmenskultur aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.