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# taz.de -- Waschbären in Berlin: Ein dickes Fell
> Wo es viel Futter gibt und gute Verstecke, ist er nicht weit weg. Der
> Waschbär ist ein Zuwanderer, dem es fast schon zu gut gefällt in der
> Großstadt.
Bild: Klettert gern und gut, und hach ist er sweet: der Waschbär
Berlin taz | Die einen wollen ihn ausrotten, die anderen füttern ihn
täglich – kaum ein Wildtier polarisiert so stark wie der Waschbär. Für die
einen ist er ein flauschiges Felltier mit niedlicher Banditenmaske und
geschickten Pfötchen, für die anderen [1][ein Obsträuber und Plagegeist].
Und er lebt längst nicht nur im ländlichen Raum, sondern erobert nach und
nach auch die Städte. In Berlin gibt es nach einer Schätzung der Berliner
Senatsverwaltung für Umwelt bereits mehrere Hundert Exemplare. Tendenz
steigend.
Städte sind äußerst attraktive Wohnräume für Waschbären, die ursprünglich
im nord- und mittelamerikanischen Auenwäldern heimisch waren, sagt die
Biologin und Waschbär-Expertin Carolin Weh. Zur Pelznutzung und zu
Jagdzwecken wurden die Kleinbären im vergangenen Jahrhundert nach
Deutschland gebracht und sind teils aus den Pelzfarmen entwischt, teils
ausgewildert worden.
In der Nähe von Menschen finden die Waschbären viel Futter und gute
Verstecke. Und das ist eigentlich schon alles, was ein Waschbär braucht, um
glücklich zu sein. „Den werden wir nicht mehr los“, sagt Weh, die sich
mehrere Jahre wissenschaftlich mit den Tieren beschäftigt hat und nun im
Auftrag der Senatsverwaltung [2][eine Hotline und eine Vor-Ort-Beratung
anbietet].
## Leichtes Futter
In der Stadt leben Waschbären in einem kleineren Revier als auf dem Land,
da sie leichter Futter finden: süßes Obst, Abfälle, aber auch Regenwürmer,
Vogeleier, Frosch- und Krötenlaich – der Waschbär frisst fast alles und ist
ständig auf Nahrungssuche.
Und er ist dabei sehr geschickt. Er dringt in Hinterhöfe ein, plündert
Mülltonnen und Obstbäume, gräbt Rasenflächen um, klettert an Fallrohren
hinauf und macht sich im Dachstuhl ein Schlafquartier oder bekommt dort
sogar Junge. An Dachisolierungen kann der Schaden mitunter richtig teuer
werden.
Waschbären, die auch in der Stadt geboren werden und aufwachsen, lernen
andere Dinge als jene, die im Wald aufwachsen. Sie lernen zum Beispiel, in
Wohnhäuser einzudringen und dort die Essensvorräte zu plündern. Der
Wildtierbiologe Frank-Uwe Michler der Fachhochschule Eberswalde ist sich
sicher, dass das ein Problem ist, das Berlin noch vor sich hat. Michler hat
vor knapp zwanzig Jahren den Versuch wissenschaftlich begleitet, die
Waschbärpopulation in Kassel auszurotten. Kassel ist schon seit Längerem
die Waschbärenhauptstadt des Landes.
Sein Fazit: „Jagd auf den Waschbären zu machen ist nicht sinnvoll.“ Sie
müssen in Städten aufwendig in Fallen gefangen und dann getötet werden. Und
wenn Waschbären merken, dass in ihrem Revier noch Platz für weitere Tiere
frei geworden ist, bekommen sie einfach häufiger und mehr Junge. Die
Maßnahmen erhöhen also die Zahl an unerwünschten Wurfplätzen, reduzieren
aber nicht die Anzahl an Tieren. So die erfolglose Bilanz nach diesem
Versuch. Seiner Meinung nach sei es aber dagegen relativ leicht, ein
friedliches Miteinander von Mensch und Tier zu erreichen.
Carolin Weh kann auf dieses Wissen zurückgreifen, wenn sie Anrufern
erklärt, dass es nichts bringen würde, den Waschbären zu fangen oder gar zu
töten. Wir müssen lernen zu verstehen, wie der Waschbär tickt, was ihn
anzieht und was ihn abschreckt. Waschbären können hervorragend klettern,
aber auch sie brauchen einen Aufstieg.
Das können Fallrohre, Hausbewuchs oder ein nah am Gemäuer stehender Baum
sein. Fallrohre und Bäume können mit Platten oder Manschetten versehen
werden. Bewuchs kann vor dem Dach getrimmt werden. Klettern können sie sehr
gut, springen allerdings nicht. Daher verhindert ein niedriger Elektrozaun
das Eindringen der Tiere in einen Garten. Langes Gras lässt sich außerdem
weniger gut umgraben als kurzes. Niemals sollte Hunde- oder Katzenfutter
draußen länger stehen bleiben. Das lockt die Tiere ebenso an wie leicht
zugängliche Abfalleimer und Essensreste auf dem Kompost.
## Waschbärensichere Häuser
Fangen und wegschaffen darf Carolin Weh die Waschbären jedoch nicht. Werden
beispielsweise Junge im Gartenhaus oder auf Dachböden entdeckt, dann muss
abgewartet werden, bis diese groß genug sind und ausziehen. Danach sollte
das Haus waschbärensicher gemacht werden, damit nicht der nächste einzieht.
Manche Menschen fühlen sich alleingelassen und wollen sich selbst helfen,
so Carolin Weh.
Sie weiß von Fällen, in denen Menschen, die Tiere selber fangen und
erschlagen. Genauso weiß sie auch von Menschen, die die Tiere täglich
füttern, um sie dabei zu beobachten. Weh kann den Impuls, die hübschen
Tiere beobachten zu wollen, verstehen, muss dann aber darüber aufklären,
dass wilde Tiere ihr Futter selbst suchen müssen und sie ihre Scheu vor
Menschen zu ihrem eigenen Schutz brauchen.
Manchmal haben AnruferInnen aber auch einfach eine Begegnung mit einem
Tier, die sie verunsichert. „Einmal hat mich eine Frau angerufen und
gesagt, da sei ein verängstigter Waschbär vor ihrem Haus auf einem Baum“,
erzählt Carolin Weh. „Der musste ich einfach nur erklären, dass Waschbären
gut klettern können, aber Angst bekommen, wenn Menschen zu dicht an sie
herankommen. Ich habe die Frau also einfach gebeten, zurück ins Haus zu
gehen und den Waschbären sich selbst zu überlassen.“
Problematisch für das Image des Waschbären ist außerdem, dass er seit 2016
auf der EU-Liste für invasive Arten geführt wird. Viele Menschen nehmen ihn
deshalb noch schädlicher wahr, weil er anders als ein Marder nicht in die
deutschen Ökosysteme gehört. Es stimmt, dass Waschbären Vogeleier, Frosch-
und Krötenlaich und die Amphibien selbst fressen. Es ist jedoch nicht
wissenschaftlich belegt, dass Waschbären einen negativen Einfluss auf die
Biodiversität haben. Und aus unseren Ökosystemen verschwinden werden sie
sowieso nicht mehr.
7 Nov 2021
## LINKS
[1] /Waschbaeren-in-Leipzig/!5426449
[2] https://www.projekt-waschbaer.de/fileadmin/user_upload/Flyer_Waschbaer_Berl…
## AUTOREN
Anna Bordel
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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invasive Arten
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