Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Coronaregeln bei Veranstaltungen: Prinzip Hoffnung
> Veranstalter und Künstler legen Konzerte in das nächste Jahr vor, auch
> angesichts der Verschärfung der Coronaregeln durch den Senat.
Bild: Wird's schärfer? Konzerte finden, wie hier von Paul Kalkbrenner im Herbs…
Berlin taz | Berliner Fans der altehrwürdigen Essener Thrashmetalband
Kreator müssen genauso tapfer sein wie die von den Rostocker Deutschpunkern
Dritte Wahl. Noch vor Weihnachten hätten sie endlich mal wieder bei
Livekonzerten ihrer Lieblinge anständig headbangen oder pogen dürfen
sollen. Doch die angesetzten Termine wurden Ende Oktober kurzerhand
verschoben, auf den November 2022.
Seit eineinhalb Jahren Pandemie kennt man das Spielchen inzwischen:
Popkonzerte jeglicher Couleur und Größenordnung werden verlegt, erst
einmal, dann zum zweiten, dritten, vierten Mal. Berliner
Konzertveranstalter waren in den letzten Monaten fast ausschließlich damit
beschäftigt, ihre Acts weiter nach hinten ins Blaue hinein zu buchen,
getrieben vom Prinzip Hoffnung, dass beim nächsten Termin [1][die dann
aktuelle Coronalage] und die Behörden die Show endlich erlauben werden.
Seit Oktober darf in Berlins Veranstaltungsorten eigentlich wieder gerockt,
geschwitzt und die Sau rausgelassen werden, als hätte es dieses Horrorvirus
nie gegeben. Zumindest fast, zumindest bei 2G-Veranstaltungen, bei denen
ausschließlich Geimpfte und Genesene zugelassen sind, die dafür keine
Masken tragen und keinen Abstand einhalten müssen. Die große Mehrheit der
Konzerte in Berlin sind 2G. Und trotzdem geht die Verschieberei vorerst
fröhlich weiter. Vor allem bei den etwas größeren Veranstaltungen.
Neben Kreator und Dritte Wahl wurde ungefähr die Hälfte der bis Ende des
Jahres geplanten Konzerte in der für diese maßgeschneiderten Columbiahalle,
in die bis zu 3.500 Besucher und Besucherinnen passen, nun noch einmal
verlegt, in das nächste Jahr. Und in der noch weit geräumigeren
Max-Schmeling-Halle wurde jedes noch für 2021 anstehende Konzert
verschoben.
## Die Ärze hatten schon im September abgesagt
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Radek von Bronikowski, der mit seiner
Agentur Greyzone den Auftritt von Dritte Wahl in Berlin geplant hatte,
erklärt, dass speziell die etwas größeren Acts im Normalfall im Rahmen von
Tourneen auftreten würden. Und für die brauche es Planungssicherheit. Es
müsse absehbar sein, dass jeder Gig wirklich stattfinden könne, „denn es
kann sich niemand leisten, einfach Urlaub zu machen, wenn es in irgendeiner
Stadt dann doch nicht klappt“.
Die Ärzte etwa, Berlins ewig beliebte Band, haben im September ihre
Deutschlandtournee für dieses Jahr abgesagt. Mit der Begründung, es gebe
bundesweit keine einheitlichen Coronaregelungen für Konzerte und der ganze
2G-3G-Wirrwarr sei ihnen einfach zu blöd. Dann lieber nächstes Jahr. Im
gesamten Veranstaltungsbusiness mangele es zudem noch an Technikern und
überhaupt Fachkräften, „weil viele in andere Jobs gewechselt sind“. Ran
Huber, der sich in Berlin einen guten Namen als Organisator für kleine,
aber feine Konzerte gemacht hat, sagt, dass ihm eben erst ein Live-Event
von den Betreibern einer Berliner Spielstätte gecancelt worden sei.
Mit der Begründung: Zu wenig Personal vorhanden. Auch 2G, das gerade
überall als Problemlöser angepriesen wird, ist nicht unumstritten. Pasqual
Schwarz, Booker im Kreuzberger SO36, begrüßt erst einmal, dass er bei
2G-Veranstaltungen wieder sein übliches Zuschauerkontingent ausschöpfen
könne, sieht den Ausschluss Ungeimpfter, den das bedinge, aber kritisch.
Nur: Was ist die Alternative? Den Laden wieder schließen. Oder 3G? „Dann
aber muss das Konzert bestuhlt sein, es gilt Abstands- und Maskenpflicht.Da
würde etwa ein Konzert der Punkband Peter And The Test Tube Babys keinen
richtigen Spaß machen.“
Und finanziell würde sich 3G auch nicht lohnen, weil man bei bestuhlten
Gigs mit Abstandspflicht die Kapazität stark herunterfahren müsse. „Bei
lokalen Bands geht das vielleicht, aber nicht, wenn man auch noch Kosten
für Flug und Hotel miteinkalkulieren muss.“ Neben dem Ausschluss
Ungeimpfter gibt es bei 2G noch ein weiteres Problem. „Es gibt Bands, die
sagen, wir stecken immer noch tief in der Pandemie und finden es nicht
richtig, bei 2G aufzutreten, weil ja auch Geimpfte Überträger des Virus
sein können. Hatten wir auch schon“, so Pasqual Schwarz.
## Die vierte Welle rollt massiv
Und Ran Huber glaubt: „Auch vielen Konzertgängern ist 2G zu brenzlig. Die
würden eher auf 3G-Shows mit Abstand und Maske gehen, weil sie sich da
sicherer fühlen würden.“ [2][Ran Huber hat schon im Juni dieses Jahres],
als die meisten anderen Veranstalter sich das nicht trauten, Mini-Events
organisiert. Alles unter scharfen Coronaregelungen, vieles draußen im
Freien, erlaubt nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Besuchern und
Besucherinnen, ermöglicht nur durch Fördergelder. Er sagt, leichtgemacht
worden sei es ihm von den Behörden dabei nicht. Wenn er auf Freiflächen im
innerstädtischen Bereich etwas auf die Beine stellen wollte, habe er zu
hören bekommen: Geht nicht, wegen des Lärmschutzes. „Es war total
restriktiv. Kein Leben im Freien, womit man dem Ruf Berlins als Kulturstadt
gerecht geworden wäre, wurde etabliert.“
Huber ist sich nicht sicher, dass man dieses Leben im Freien nicht doch
noch einmal braucht. Jetzt, wo die vierte Welle immer massiver rollt. Und
niemand mit Sicherheit sagen kann, dass das neu erwachte Leben in Berlins
Konzerthallen nicht noch einmal Einschränkungen erfahren wird. Er mache nun
erst einmal Pause. Weil er schlichtweg zu viel gearbeitet habe. „Ich bin
froh, dass ich jetzt einfach nur beobachten kann, wie sich die Lage weiter
entwickelt.“
9 Nov 2021
## LINKS
[1] /Verschaerfte-Coronalage-in-Berlin/!5813449
[2] /Berliner-Stimmen-aus-der-Quarantaene-7/!5697103
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Musikgeschäft Berlin
Berliner Nachtleben
Insolvenz
Schwerpunkt Coronavirus
taz Plan
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipp der Woche: In Sachen Popkultur
Das Musikfilmfestival Soundwatch zeigt Dokumentationen über Musikgenres,
Popstars, randständige popkulturelle Phänomene und viele coole Frauen.
Nachrichten zur Coronakrise: Bayern ruft Katastrophenfall aus
Die Landesregierung begründet den Schritt mit der drohenden Überlastung der
Kliniken. Kanzlerin Merkel drängt weiter auf ein
Bund-Länder-Spitzentreffen.
Bundesland mit höchster Inzidenz: Mehr Corona-Kontrollen in Sachsen
Den sächsischen Kliniken droht die Überlastung. Seit Montag gilt landesweit
2G. Kontrollteams sollen dafür sorgen, dass die Regeln umgesetzt werden.
Stark steigende Infektionszahlen: Mit 2G gegen die 4. Welle ankämpfen
Der Senat verabredet schärfere Coronaregeln. Weithin soll 2G gelten, außer
beim Einkaufen und in Bus und Bahn.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.