Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg in Äthiopien: Es tobt die Entscheidungsschlacht
> Die Tigray-Rebellen sind in die strategisch wichtige Stadt Dessie
> eingerückt. Jetzt toben schwere Kämpfe mit Äthiopiens Armee.
Bild: Strategtisch wichtige Großstadt: Dessie, hier am 9. Oktober
Berlin taz | Kurz vor dem [1][Jahrestag des Kriegsbeginns] zwischen
Äthiopiens Regierung und der in der Nordprovinz Tigray dominanten
ehemaligen Regierungspartei TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) am 3.
November tobt zwischen beiden Seiten die bisher entscheidendste Schlacht.
Die TPLF [2][meldete am Samstag] die Einnahme der Großstadt Dessie rund 400
Kilometer nördlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Äthiopiens
Regierung dementierte, meldete aber am Sonntag heftige Kämpfe um die
Kontrolle der Stadt.
Dessie mit rund 600.000 Einwohnern ist ein Verkehrsknotenpunkt von
zentraler strategischer Bedeutung. Auf der 800 Kilometer langen
Nord-Süd-Straße von Tigrays Hauptstadt Mekelle bis zu Äthiopiens Hauptstadt
Addis Abeba liegt die Stadt etwa auf halbem Weg, dort, wo die
Ost-West-Straßenverbindungen Richtung Sudan im Westen und Dschibuti im
Osten kreuzen.
Ohne die Kontrolle Dessies verliert Äthiopiens Militär die Kontrolle über
wichtige Versorgungswege im Krieg gegen Tigray.
## Wie vor 30 Jahren
Schon 1991, als eine TPLF-geführte Rebellenkoalition von Tigray aus die
damalige kommunistische Militärdiktatur Äthiopiens unter Diktator Mengistu
Haile Mariam stürzte, besiegelte der Fall von Dessie im Mai 1991 das Ende
der Mengistu-Herrschaft; rund zehn Tage später war der Diktator
[3][geflohen] und die Rebellen marschierten [4][siegreich] in Addis Abeba
ein.
Eine Neuauflage dieses Feldzugs 30 Jahre später könnte die alten
TPLF-Generäle reizen, die zu den Veteranen des Befreiungskriegs von 1991
zählen.
Die Tigray-Generäle sehen sich militärisch in der Oberhand, da seit ihrem
Sieg 1991 die TPLF das Rückgrat der äthiopischen Armee geworden war. Indem
die TPLF 2020 mit Äthiopiens neuem Reformpremier Abiy Ahmed brach und
dieser sie Anfang November 2020 als terroristische Organisation einstufte
und ihr den Krieg erklärte, verlor Äthiopiens Regierung durch den Bruch mit
den Tigray-Kämpfern auch den wichtigsten Teil der eigenen Armee – und nun
zeigt die TPLF, was sie militärisch kann.
## Kriegsvertriebene und Amhara-Milizen
Dessie war jetzt der wichtigste Stationierungsort für Äthiopiens Armee, um
die Abwehrschlacht gegen die aus Tigray immer weiter nach Süden vorrückende
TPLF zu organisieren. Zu den Einwohnern Dessies haben sich in den
vergangenen Monaten mehrere zehntausend Kriegsvertriebene gesellt – zumeist
flüchtige Zivilisten der Amhara-Volksgruppe, die im an Tigray grenzenden
Norden der Amhara-Region vor der TPLF auf der Flucht sind.
Aus ihren Reihen haben die Behörden Milizen rekrutiert, die mit
rudimentärer Ausbildung an die Front gegen die TPLF-Rebellen geschickt
wurden. Die Kämpfe im Norden Amharas sollen nach unabhängigen Schätzungen
bereits mehrere tausend Tote gefordert haben.
## Luftangriffe auf Tigrays Hauptstadt
Um die TPLF-Logistik zu stören, hatte Äthiopien am 18. Oktober begonnen,
Luftangriffe auf Tigrays Hauptstadt Mekelle zu fliegen. Die beinahe
täglichen Bombardements, die mittlerweile auch andere Orte betreffen, haben
immer wieder zivile Opfer gefordert und einen kompletten Stopp der
UN-Versorgungsflüge nach Mekelle erzwungen.
Fast die gesamte Bevölkerung Tigrays ist von humanitärer Hilfe abhängig, da
Äthiopien die rebellische Provinz abriegelt. Zuletzt bekamen aber [5][nach
UN-Angaben] gerade noch rund vier Prozent der Bedürftigen in Tigray
Lebensmittelhilfen. Die TPLF-Offensive nach Süden soll in Reaktion darauf
die Blockade Tigrays brechen.
Seit Donnerstag haben die Rebellen Dessie mit schwerer Artillerie
beschossen. Die lokalen Behörden riefen die Bevölkerung auf, in ihren
Häusern zu bleiben und organisierten in der Nacht zu Samstag einen
taktischen Rückzug der äthiopischen Soldaten aus der Stadt. Video- und
Fotoaufnahmen bestätigten dann am Samstag den Einmarsch von TPLF-Kämpfern.
Am Sonntag rückte die äthiopische Armee jedoch wieder vor, um die Rebellen
in der Stadt einzukesseln und zu vertreiben. Berichten zufolge eroberte
aber die TPLF inzwischen die Nachbarstadt Kombolcha, die noch etwas näher
auf der Hauptstraße zu Addis Abeba liegt.
31 Oct 2021
## LINKS
[1] /Krieg-in-Aethiopien/!5726266
[2] https://www.reuters.com/world/africa/tigrayan-forces-seize-strategic-town-e…
[3] /!1718780/
[4] /!1717566/
[5] https://reports.unocha.org/en/country/ethiopia
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Äthiopien
Tigray
Rebellen
Kämpfe
Konflikt
Äthiopien
Äthiopien
Äthiopien
Äthiopien
Äthiopien
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Bericht zum Krieg in Äthiopien: Konflikt von „extremer Brutalität“
Die UN-Menschenrechtskommission erhebt schwere Vorwürfe gegen alle
Kriegsparteien in Äthiopien. Nun müssten juristische Ermittlungen folgen.
Eskalation in Äthiopien: Das Scheitern des Abiy Ahmed
Der Friedensnobelpreisträger hat sich gründlich entzaubert. Er stützt sich
auf eine gewalttätige politische Kultur, um seine eigene Haut zu retten.
Krieg in Äthiopien: Addis Abeba im Visier der Rebellen
Äthiopiens Regierung verhängt Ausnahmezustand, Addis Abebas Bevölkerung ist
zur Verteidigung aufgerufen. Tigrays Rebellen drohen mit Einmarsch.
Krieg in Äthiopien: Hungerblockade gegen Tigray
Der Krieg zwischen Äthiopien und den Rebellen in Tigray wird immer
brutaler. Hilfswerke warnen vor einer dramatischen Hungersnot in Tigray.
Konflikt in Tigray: Rebellen nehmen Unesco-Stätte ein
Kämpfer der Rebellenorganisation TPLF in Tigray sind in die benachbarte
Region Amhara vorgedrungen. Dort kontrollieren sie nun die Felsenkirchen
Lalibela.
Gewalttätiger Konflikt in Äthiopien: Die Nacht der Brandstifter
Früher lebten die Leute in Ataye friedlich zusammen. Jetzt ist der Ort
zerstört. Wie ein lokaler Konflikt die Ethnien Äthiopiens
auseinandertreibt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.