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# taz.de -- Bürgergeld statt Hartz IV: Etikettenschwindel
> Im rot-grün-gelben Sondierungspapier ist von einem Bürgergeld die Rede.
> Doch abgeschafft wird das menschenfeindliche Hartz IV-System damit nicht.
Bild: Montagsdemonstration in Leipzig gegen die Pläne zur Arbeitsmarktreform i…
Es gehört schon fast zum Einmaleins einfallsloser Marketingstrategen, einem
unbeliebten Produkt oder sogar Firmen einfach einen Namen zu verpassen, um
ihm neuen Glanz zu verschaffen. Das Söldnerunternehmen Black Water
benannte sich sogar gleich zweimal um, nachdem diverse Skandale – unter
anderem die Tötung irakischer Zivilisten – bekannt wurden.
Einen ähnlichen Trick versucht nun die SPD mit ihrer Umetikettierung des
Begriffs „Hartz IV“, der zwar nur inoffiziell das Arbeitslosengeld II
beschreibt, aber synonym für das menschenfeindliche Drangsalierungssystem
steht, das die rot-grüne Bundesregierung 2005 einführte. Im nun
veröffentlichten [1][Sondierungspapier] ist die Rede von der Einführung
eines neuen „Bürgergelds“ – ein Begriff, den die SPD schon seit Jahren zu
etablieren versucht – offenbar erfolgreich.
Die Online-Portale von Zeit, FAZ und NDR berichteten schon von einer
[2][„Abschaffung“ von Hartz IV]. Eine Deutung, die die wenigen teils
kryptisch formulierten Sondierungsabsätze kaum hergeben und die Medien
nicht übernehmen sollten. „Mitwirkungspflichten“ für Arbeitslose sollen
demnach erhalten bleiben. Das heißt mit ziemlicher Sicherheit:
Hartz-IV-Sanktionen, die einen schon kaum zum Leben reichenden Bedarfssatz
kürzen, werden weiter angewendet. Keine Pflicht ohne die Androhung von
Sanktion.
Apropos Bedarfssätze: Das „Bürgergeld“ soll zur „gesellschaftlichen
Teilhabe befähigen“. Was das heißt, bleibt auch hier offen. Selbst bei der
Erhöhung des Schonvermögens will man lediglich „prüfen“, ob man an den im
Zuge der Coronapandemie gelockerten Regelungen festhält.
Eine Abkehr vom Hartz-IV-System lässt sich darin nicht erkennen, außer, man
betrachtet „Hartz IV“ lediglich als Begriff – in diesem Fall könnten die
Parteien natürlich auch alles andere beliebig umetikettieren. Wieso macht
man aus dem ungeliebten [3][Ehegattensplitting] nicht ein
„Ehepartnersplitting“ oder für das Grünen-Milieu ein
Ehepartner:_*Innensplitting?
Seit Jahren sucht die SPD nach einem Umgang mit ihrer
Agenda-2010-Vergangenheit. Ignorieren hat nicht funktioniert, nun soll also
ein neuer Begriff her, um den Unwillen zur Veränderung zu kaschieren. Die
Hartz-IV-Kritiker in Jugendverbänden und der Zivilgesellschaft haben nun
die Aufgabe, ihre Parteispitzen zu substanziellen Verbesserungen bei Hartz
IV, pardon, dem „Bürgergeld“, zu verpflichten. Ansonsten wird einfach nur
ein Begriff verwendet, während die Opfer des Systems weiter leiden.
18 Oct 2021
## LINKS
[1] /Rot-gruen-gelbe-Sondierungen-beendet/!5805657
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Stichwort-Buergergeld,audio989960.html
[3] /Steuerreform-schaffe-Jobs-fuer-Frauen/!5807899
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
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Schwerpunkt Armut
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