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# taz.de -- Wahl, Tankstellenmord, Der Dritte Weg: Lindner muss liefern
> Die Entscheidung im Wahlkampf fällt wie bei der EM durch Eigentore. Und
> die Possierlichkeit des Sockenschusses endet bei Gewalt.
Bild: „Die Grünen reagierten bemerkenswert hilflos“
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbuch: Unerträgliche Spannung.
Und was wird besser in dieser?
Unerträgliche Spannung.
Wahlkampf vorbei, letzte Chance für Stimmen zum Spiel: Wer kriegt den Preis
für die beste Vorlage? Wer machte das schlimmste Foul?
Baerbock begründete ihre Spitzenkandidatur mit dem Grundgesetz. Bullshit,
das Wort „Kanzlerkandidatur“ kommt in der Verfassung nicht vor. Dann kam
die völlig erwartbare „Die Kaiserin hat ja gar keine Kleider an“-Phase, auf
die die Grünen bemerkenswert hilflos reagierten. Schließlich verengten sie
den mühselig aufgebauten Volksparteianspruch der Grünen auf heftigste
Klimabesserwisserei. EM-Style, die Entscheidung fällt durch Eigentore. Die
beste Flanke kam von Merkel: Unter Klimawandel, Corona, Globalisierung und
[1][ihrem Abschied] suchen viele etwas Kontinuität. Sogar, wenn sie
aussieht wie Olaf Scholz.
Wie lautet Ihre Prognose für die Koalitionsverhandlungen? Regierung vor
oder nach Weihnachten?
Kanzlerin Merkel sprach „aller Voraussicht nach das letzte Mal“ ihre
Neujahrsansprache, zur UN-Generalversammlung sandte sie jetzt den
Bundespräsidenten; sie meint es echt ernst. Und weiß auch nicht, was die
Lausebengels sich je nach Kommazahlen zusammenkaspern werden. Eben weil
FDP-Chef Lindner es voriges Mal vergeigt hat, muss er diesmal liefern. Wenn
er darf. Das spricht für Tempo.
Vor einer Woche hat ein Mann [2][einen jungen Tankstellenangestellten
erschossen, nachdem dieser ihn aufgefordert hatte, eine Maske zu tragen].
Die Politik über- und unterbietet sich im Schockiertsein. Und Sie?
Wer noch einen Beweis braucht, hat ihn hier: Die Possierlichkeit des
Sockenschusses endet bei Gewalt. Die selbsternannten Sektenführer und
Wiedergänger der Wiedertäufer möchten manche jetzt gern für den Mörder in
die Verantwortung nehmen. Aber, hey… in aller Regel sind die Standpunkte an
sich bescheuert genug, euch zu kritisieren.
Ungeimpfte sollen [3][bald keinen Lohnersatz mehr erhalten], wenn sie in
Quarantäne müssen. Sind die Bratwurstprämienzeiten vorbei?
Noch irrer: Die Arbeitgeber bleiben zur „Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall“ verpflichtet – können sich die Kohle jedoch nicht mehr, wie
bisher, bei den Gesundheitsämtern zurückholen. So kann Minister Spahn
prahlen, das Arztgeheimnis sei ein besonderer Vorzug des deutschen
Gesundheitswesens. Und es gleichzeitig ruinieren. Denn – geht der
Mitarbeiter in Quarantäne, ist er offensichtlich nicht geimpft. Ergebnis:
Chefs werden Mitarbeiter zur Impfung agitieren – das spart Geld. Und
Mitarbeiter sind verführt zu lügen, wenn sie ungeimpft sind und zur Arbeit
kommen, obwohl sie in Quarantäne müssten. Unter vielen seltsamen Maßnahmen
ist diese rekordverstümpert, oder sagen wir mal 9,7 von 10 Spahn.
In Sachsen-Anhalt ist eine Polizistin beurlaubt worden, [4][weil sie eine
Brieffreundschaft mit Stephan B., dem rechtsextremen Attentäter von Halle
geführt haben soll]. Mit wem in den Sicherheitsbehörden unterhalten Sie
denn derzeit Korrespondenz?
Man könnte blind an Kriminalpsychologinnen schreiben: „Hybristophilie, also
‚Übeltäterzuneigung‘, warum verlieben sich bevorzugt Frauen in Mörder?�…
korrekte Antwort wäre circa 1. Keine Ahnung, kaum Forschung, 2. Also
Voooorsicht und 3. Egal! Spannender ist doch, wie jemand mit offenbaren
Sympathien für Gewalt, Rassismus und Antisemitismus in den
sachsen-anhaltinischen Polizeidienst kommen konnte. Das könnte man
CDU-Innenministerin Zieschang schreiben.
Die rechtsextreme Kleinstpartei Der Dritte Weg musste [5][ihre Wahlplakate
mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“] nun doch abhängen. Warum hat das …
lange gedauert?
Das Oberverwaltungsgericht musste sich von dem Lachflash erholen über das
erstinstanzliche Urteil: Danach durften die Nazis ihre Plakate jeweils 100
Meter vom letzten Grünen-Plakat aufhängen. Hübsch absurd sich vorzustellen,
wie Polizisten Plakatabstände ausmetern müssen wie Schiris Strafstoßmauern.
Das Gericht hätte salomonischer entscheiden können: Neben jedes
Dritter-Weg-Plakat sei eines der „Partei“ zu pappen: „Hier könnte ein Na…
hängen.“ Das wäre so false balancing, dass es schon wieder right wäre.
Und was machen die Borussen?
Spielten so konfus, dass ich in Ruhe alle Spruchbänder der Gladbacher
Ultras lesen konnte: „Mut zur Normalität – volle Auslastung jetzt!“ –
„Kapazitätseinschränkungen aufheben“.
Fragen: Emeli Glaser, Rieke Wiemann
26 Sep 2021
## LINKS
[1] /Letzter-Balkan-Besuch-der-Kanzlerin/!5797366
[2] /Vorfall-an-Tankstelle-in-Idar-Oberstein/!5802559
[3] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5802915
[4] /Suspendiert-nach-Brieffreundschaft/!5802560
[5] /Nazi-Plakate-in-Bayern-und-Sachsen/!5795617
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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