# taz.de -- Empfehlung der WHO: Endlich ein Malaria-Impfstoff | |
> Die WHO empfiehlt erstmals die allgemeine Anwendung eines Impfstoffs | |
> gegen Malaria. Er soll vor allem Kindern in Afrika verabreicht werden. | |
Bild: Rund 260.000 afrikanische Kinder sterben jährlich am „Tropenfieber“ | |
BERLIN taz | Von einem „historischen Moment“ spricht Tedros Adhanom | |
Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, und das ist eher | |
noch untertrieben. Erstmals hat die WHO die allgemeine Anwendung eines | |
Impfstoffes gegen Malaria empfohlen. Der als RTS,S bekannte und unter dem | |
Namen Mosquirix verabreichte Impfstoff soll vorrangig an Kinder in Afrika | |
und anderen Regionen mit moderater bis hoher Übertragungsrate des am | |
meisten verbreiteten Erregers der tropischen Malaria verabreicht werden. | |
„Wir haben lange gewartet“, sagte die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, | |
Matshidiso Moeti. Die WHO-Empfehlung sei ein „Hoffnungsschimmer“ für Afrika | |
südlich der Sahara, das 94 Prozent aller Malariafälle weltweit zählt. Jedes | |
Jahr erkranken schätzungsweise 230 Millionen Menschen weltweit an Malaria, | |
zu 90 Prozent in Afrika, und über 400.000 Menschen, davon 260.000 | |
afrikanische Kinder, sterben jährlich an dem durch Mücken übertragenen | |
„Tropenfieber“. Es ist nach Meinung mancher Historiker für die Hälfte all… | |
Todesfälle in der Geschichte der Menschheit verantwortlich. | |
Forschung an Malaria-Impfstoffen gibt es schon seit Jahrzehnten; immer | |
wieder gab es Rückschläge. Der jetzt empfohlene Impfstoff basiert auf | |
Forschungen seit 1987 und wurde ab 2001 von der britischen Firma | |
GlaxoSmithKline (GSK) in Zusammenarbeit mit der globalen „Path Malaria | |
Vaccine Initiative“ entwickelt. GSK investierte insgesamt rund 700 | |
Millionen US-Dollar. Mehrere Testreihen über viele Jahre führten im Jahr | |
2015 zu einer positiven Bewertung durch die Europäische | |
Arzneimittelbehörde, gefolgt von der Empfehlung des wissenschaftlichen | |
Ausschusses der WHO im Januar 2016, seine Anwendung in Pilotprojekten | |
auszuprobieren. | |
In Ghana, Kenia und Malawi wurden daraufhin ab 2019 über 2,3 Millionen | |
Menschen mit RTS,S geimpft, davon über 800.000 Kinder, alles im Rahmen | |
bestehender staatlicher Impfprogramme für andere Krankheiten. „Ein | |
Malaria-Impfstoff, der über die Routineprogramme zur Impfung von Kindern | |
zur Verfügung gestellt wird, kann Kinder erreichen, die ansonsten nicht von | |
Malariakontrollmaßnahmen erreicht werden, einschließlich jenen in den | |
untersten sozio-ökonominischen Kategorien“, führen die WHO-Richtlinien zu | |
den Pilotprogrammen aus. | |
## Wirkungsgrad von Minus-30-Prozent | |
Die WHO vermeldet nun einen „hohen Wirkungsgrad“, nämlich eine „erheblic… | |
Verringerung (30 Prozent) der schweren tödlichen Malaria, selbst in | |
Gebieten, wo mit Insektiziden imprägnierte Netze weit verbreitet sind und | |
es einen guten Zugang zu Diagnose und Behandlung gibt“. Die Pilotprojekte | |
laufen noch weiter, um zu sehen, welchen Unterschied eine vierte Impfdosis | |
zusätzlich zu den bisherigen drei macht. | |
Für die Pilotprojekte hat GSK 10 Millionen Impfdosen gespendet und weitere | |
15 Millionen Dosen pro Jahr bis 2028 zugesagt. Finanziert werden die | |
Impfprogramme unter anderem vom Globalen Fonds der UNO gegen Aids, Malaria | |
und Tuberkulose und die internationale Impfstoffallianz Gavi, die auch | |
hinter dem globalen Corona-Impfprogramm Covax steht. | |
Mit der WHO-Empfehlung einer allgemeinen Nutzung kann nun eine im Januar | |
2021 getroffene Vereinbarung in Kraft treten, unter der die Firma Bharat | |
Biotech (BBIL) aus Indien RTS,S in Lizenz herstellt. BBIL, eines der | |
wichtigsten Pharamunternehmen Indiens, wäre dann ab 2029 der alleinige | |
Hersteller des Malariavakzins. Der Globale Fonds und Gavi werden nun nach | |
eigenen Angaben prüfen, „ob und wie ein neues Malaria-Impfprogramm in | |
Afrika südlich der Sahara finanziert werden kann“. | |
Eine Weiterentwicklung des RTS,S-Impfstoffs, die noch wirksamer sein soll, | |
gibt es bereits. Der R21-Impfstoff, entwickelt an der Universität Oxford, | |
wird aktuell unter anderem in Burkina Faso, Kenia, Mali und Tansania | |
getestet und hat nach ersten Erkenntnissen, die allerdings auf Daten von | |
nur 450 Kindern in Burkina Faso über den Zeitraum eines Jahres beruhen, | |
eine 77-prozentige Wirksamkeit. Vergleichbare Daten für RTS,S ergaben eine | |
56-prozentige Wirksamkeit. Die Entwickler von R21 hoffen auf eine Zulassung | |
im Jahr 2023; dann könnte er vom Serum Institute in Indien produziert | |
werden, so wie der von AstraZeneca entwickelte Covid-19-Impfstoff. | |
Alle Impfstoffentwickler warnen: Man dürfe nicht auf Impfungen allein | |
setzen, um Malaria zu besiegen. Prävention und allgemein zugängliche | |
medikamentöse Behandlung bleiben unverzichtbar. | |
7 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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