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# taz.de -- Versagen von Union und Grünen: Schwarze Republik am Ende
> Schwarz und Grün hätten es unter sich ausmachen können. Weil beide
> versagt haben, müssen sie nun mit Olaf Scholz um ein gepflegtes Weiter-so
> verhandeln.
Bild: Als Kanzlerpartei gewinnen, ganz egal, welches Gesicht auf den Plakaten p…
Diese schon heute historische Wahl steht für das Ende der schwarzen
Republik, in der seit sechzehn Jahren alles um die Union kreiste. Und ein
zweites historisches Novum kommt hinzu: Mehr als alle anderen
[1][Bundestagswahlen] zuvor ist diese Wahl von den Verlierern entschieden
worden. Nicht die Stärke der SPD, sondern das Versagen von CDU/CSU und
Grünen hat die deutsche Sozialdemokratie aus ihrer Agonie befreit.
Das zeigt schon der Vergleich mit der Lage von vor einem Jahr. Obwohl Olaf
Scholz zu diesem Zeitpunkt längst als Kanzlerkandidat nominiert war,
rangierte seine Partei damals in den Umfragen bleischwer bei nur 15 Prozent
– weit hinter der Union, aber auch klar hinter den Grünen. Alle Zeichen der
Zeit standen damals auf Schwarz-Grün. Die SPD ist somit nicht der
strahlende Sieger aus eigener Stärke, sondern Profiteur des historischen
Versagens zweier Parteien, die alle Möglichkeiten hatten, es unter sich
auszumachen.
In erster Linie versagte die CDU/CSU: Ihr Wahlergebnis ist das mit Abstand
schlechteste in der Geschichte der Union. Verantwortlich für das Scheitern
war zunächst eine absolute Selbstüberschätzung: In völliger Verkennung der
Lage setzte man auf den falschen Kandidaten. Die Schwäche der SPD, so die
Ironie der Geschichte, verleitete die CDU-Spitze zu dem Trugschluss, als
Kanzlerpartei gewinnen wir sowieso, ganz egal, welches Gesicht auf den
Plakaten prangt. Die Machtmaschine CDU/CSU hat über der Auseinandersetzung
zwischen Markus Söder und Laschet ihren alten Machtinstinkt verloren.
Diese Siegessicherheit hat sich bitter gerächt. Oder genauer: Sie wurde
bitter gerächt. Und zwar von niemand anderem als dem unterlegenen CSU-Chef,
der im Wahlkampf nie loyal zu Laschet stand. Die CDU musste die Erfahrung
machen, dass wer einen geschlagenen Markus Söder in den eigenen Reihen hat,
keine Feinde mehr braucht. Der „Wahlkampf“ der Union wurde so zu einem
Prozess fortgesetzter Selbstzerstörung, für den es nicht einmal einen Rezo
brauchte.
Der eigentliche Kipppunkt war jedoch Laschets Lachen in der
Flutkatastrophe. Von diesem Bild hat er sich nie wieder erholt. Stattdessen
begann der Aufstieg des Olaf Scholz – und gerade nicht der der Grünen,
obwohl die Flut ihnen eigentlich in ihr Thema spielte. Doch Annalena
Baerbock hatte sich mit ihrem geschönten Lebenslauf und den Plagiaten in
ihrem Buch zu diesem Zeitpunkt längst selbst aus dem Rennen um die
Kanzlerschaft genommen.
Im Ergebnis haben die Grünen ihre zwei wichtigsten Ziele klar verfehlt:
erstens deutlich über 20 Prozent der Stimmen zu erzielen und damit zweitens
die SPD als dominierende Kraft der linken Mitte abzulösen, wenn nicht sogar
die Kanzlerin zu stellen. Auf diese Weise haben sie die historische Chance
verspielt, durch ein weit stärkeres Ergebnis eine konsequente Klimapolitik
durchzusetzen.
Diesem Ziel werden in der kommenden Dreierkonstellation massive Widerstände
entgegenstehen. Wegen des historischen Absturzes der Union und der großen
Gewinne der SPD spricht schon jetzt alles für die Ampel. Dass sich alles
auf diese Koalition konzentriert, ist nur eine Frage der Zeit: sobald die
Proteste gegen eine Kanzlerschaft von Armin Laschet auch in den Reihen der
Union überhandnehmen.
Und dass die FDP zum zweiten Mal nach [2][Jamaika] 2017 eine
Dreierkoalition ausschließt, ist nahezu ausgeschlossen. Denn nichts
verlangt die Wählerschaft der FDP mehr, als an der Regierung beteiligt zu
sein. Und Christian Lindner hat dies schon vor geraumer Zeit ausdrücklich
versprochen.
Auch wenn die Grünen in der kommenden Ampel die zweitstärkste Kraft sind,
werden sie es schwer haben, ihrem Versprechen einer ökologischen Erneuerung
gerecht zu werden. Denn der Erfolg des Scholz-Wahlkampfs signalisierte ja
keineswegs den Willen der SPD – oder der Bevölkerung – zu einer
grundlegenden Veränderung oder gar zu einer radikalen Zäsur, sondern weit
eher eine bloß partielle Wende neben einem gepflegten Weiter-so in der
Merkel-Tradition. Am Ende war Scholz merkeliger als seine KonkurrentInnen.
Hier aber zeigt sich das ganze Dilemma dieser Wahl: Was heute erforderlich
ist, ist ein radikaler Wandel in ökologisch-sozialer Hinsicht. Andernfalls
werden die klimapolitisch entscheidenden Jahre bis zur Mitte dieses
Jahrzehnts ungenutzt verrinnen. Von einer Ampel ist dergleichen aber kaum
zu erwarten. Denn von einer konsistent ökologisch agierenden Koalition sind
die drei Parteien weit entfernt. Wie es zwischen der rot-grünen Forderung
nach höheren Steuern sowie neuen Schulden für milliardenschwere Umwelt- und
Infrastrukturprogramme und der Ablehnung all dessen durch die FDP zu einem
ökologisch produktiven Kompromiss kommen soll, ist momentan noch nicht
erkennbar.
Fest steht nur eins: Die FDP wird sich die Zustimmung zur Ampel teuer
abkaufen lassen. Für die Grünen dürfte es dagegen in einer Ampel keineswegs
leicht werden. Denn auch die SPD ist nach wie vor eher strukturkonservativ
– wie auch die Mehrheit der Bevölkerung. Das belegt die klare Absage an das
grüne Projekt der Erneuerung durch eine Mehrheit der Wählerinnen und
Wähler.
Die FDP schließlich steht sowieso eindeutig für weiteres
Wirtschaftswachstum. Jeder Gedanke an eine weit grundsätzlichere,
gesellschaftspolitische [3][Klimapolitik], die über die notwendigen Grenzen
des Wachstums oder gar über Konsumverzicht nachdenkt, wird von den
Wirtschaftsliberalen radikal abgelehnt. Die Anhänger der Grünen und vor
allem von Fridays for Future sollten daher von der kommenden
rot-grün-gelben Regierung lieber nicht zu viel erwarten. Denn auch mit der
Ampel werden die Bäume der ökologischen Erneuerung nicht in den Himmel
wachsen.
28 Sep 2021
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## AUTOREN
Albrecht von Lucke
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