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# taz.de -- Regierungskrise in Rumänien: Zermürbender Hickhack
> In Rumänien ist die Dreierkoalition geplatzt. Der
> reformistisch-neoliberale Juniorpartner USR-PLUS fordert den Rücktritt
> von Regierungschef Cîţu.
Bild: Nicht mehr Teil der rumänischen Regierung: Vier Minister der Allianz USR…
Berlin taz | Die seit zehn Monaten amtierende rumänische
Regierungskoalition steckt in einer schweren Krise. Vier Minister der
Allianz aus den Parteien „Union Rettet Rumänien“ (USR) und „Freiheit,
Einheit, Solidarität (PLUS) sind geschlossen zurückgetreten und haben die
ohnehin instabile Koalition verlassen. Diese besteht momentan nur noch aus
der Nationalliberalen Partei (PNL) und dem Demokratischen Verband der
Ungarn aus Rumänien (UDMR).
Die Zerwürfnisse zwischen den konservativ-neoliberalen Koalitionspartnern
wurden bereits vor einigen Monaten sichtbar, nachdem der inkompetente und
von der [1][Coronakrise] überforderte Gesundheitsminister Vlad Voiculescu
(USR-PLUS) von Premierminister Florin Cîţu (PNL) im April entlassen worden
war. Vor einigen Tagen folgte Justizminister Stelian Ion (USR-PLUS), dem
der Premier vorwarf, die Verteilung von Subventionen blockiert zu haben.
Zur Begründung des Rücktritts hieß es jetzt kryptisch seitens der USR-PLUS,
Cîțu habe „die Koalition bewusst und zynisch in die Luft gesprengt“, und
zwar im „eigenen politischen Interesse“. Der Hauptvorwurf der neoliberalen
reformistisch grundierten USR-PLUS gegen die Nationalliberalen bezog sich
auf ein umstrittenes regionales Entwicklungsprogramm, das jene Ortschaften
und Bezirke bevorzugt, in denen PNL-Anhänger als lokale Amtswalter
eingesetzt wurden bzw. als Bürgermeister wirken.
Die Verteilung finanzieller Ressourcen an eigene Parteifreunde hat
Tradition in Rumänien. Gegen diese Form der Korruptionsverschleierung, die
auch die sozialdemokratischen Vorgängerregierungen praktizierten, gingen in
den vergangenen Jahren Tausende auf die Straßen. Die jetzt geplatzte
Koalition hatte vollmundig versprochen, gegen jegliche Form der Korruption
vorzugehen und einen neuen, sauberen Politikstil durchzusetzen.
## Fette Zuwendungen
Die geplanten, fetten Zuwendungen für die Parteigänger des Premiers sind
aber auch ein Versuch, diese davon zu überzeugen, für Cîţu bei dem Ende
September stattfindenden Kongress als zukünftigen PNL-Chef zu stimmen. Der
derzeitige, frühere Ministerpräsident und noch amtierende PNL-Vorsitzende
Ludovic Orban soll ausgeschaltet und somit auch die Gefahr einer denkbaren
Ernennung zum Regierungschef gebannt werden.
Staatspräsident Klaus Johannis, der der PNL nahesteht, hält seine
schützende Hand über Cîţu, dessen sofortigen und bedingungslosen Rücktritt
die USR-PLUS fordert, um eventuell wieder der Regierungskoalition
beizutreten.
Inzwischen hintertreibt die PNL zusammen mit der oppositionellen und früher
als „rote Pest“ beschimpften pseudo-sozialdemokratischen Partei (PSD) die
Einbringung eines Misstrauensantrages. Den hatte die USR-PLUS zusammen mit
der rechtsradikalen, homophoben und fundamentalistischen Allianz für die
Vereinigung der Rumänen (AUR) unterschrieben, um die gesamte Regierung aus
ihrem Amt zu vertreiben.
Rumänische Medien behaupten, die PNL habe der PSD nun hinter verschlossenen
Türen versprochen, auch ihren Leuten etwas von dem 50 Milliarden Lei
schweren Kuchen des Entwicklungsprogramms zukommen zu lassen, wenn sie
behilflich sei, die Einbringung des Misstrauensantrages im Parlament zu
verzögern oder gar zu verhindern.
## Nicht vor den Karren spannen
In der Öffentlichkeit verkündete jedoch die PSD großspurig, sie wolle einen
eigenen Misstrauensantrag vorlegen, für den dann auch die Abgeordneten
anderer Parteien im Parlament stimmen könnten. Vor den Karren der USR-PLUS
und der AUR ließen sich die [2][Sozialdemokraten, die bei der letzten Wahl
2020 29 Prozent der Stimmen erhalten hatten], nicht spannen.
Sie vertreten die Meinung als Partei, dass der von Johannis in den
Regierungssattel gehobenen PNL mit ihren nur 25 Prozent nicht das Recht
zustehe, die Führung des Kabinetts zu beanspruchen. Aus diesem Grund lehnen
die Sozialdemokraten sowohl eine große Koalition als auch vorgezogene
Wahlen ab, die dem zermürbenden Hickhack ein Ende setzen könnte.
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /Corona-in-Rumaenien/!5752855
[2] /Parlamentswahl-in-Rumaenien/!5736864
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Regierung
Rumänien
Misstrauensvotum
Klaus Johannis
Covid-19
Schwerpunkt Coronavirus
Klaus Johannis
Rumänien
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