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# taz.de -- Serbisch-orthodoxe Kirche in Montenegro: Straßensperren gegen den …
> In Montenegro haben Hunderte Demonstranten versucht, die Amtseinführung
> von Bischof Joanikije zu verhindern. Sie fühlen sich von Serbien bedroht.
Bild: Musste mit dem Hubschrauber eingeschleust werden: Bischof Joanikije am Ta…
Sarajevo taz | Trotz zum Teil heftiger Proteste mit Straßenblockaden ist es
der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro doch noch gelungen, Bischof
Joanikije zu ihrem Oberhaupt zu küren. Hunderte Demonstranten haben am
Sonntag versucht, dies zu verhindern, und warfen mit Steinen und Flaschen.
Die Polizei setzte Tränengas ein, mehrere Beteiligte wurden verletzt.
Eigentlich war die Amtseinführung schon am Sonntag um acht Uhr geplant
gewesen, doch die wütenden Demonstranten blockierten die Zufahrtswege zum
Kloster der alten montenegrinischen Königsstadt Cetinje, wo die Zeremonie
stattfinden sollte. Der Metropolit und damit das [1][Oberhaupt der
serbisch-orthodoxen Kirche] in Serbien, Porfirije, musste mit anderen
Priestern mit einem Hubschrauber eingeflogen werden.
Für die Demonstranten war schon die Auswahl des Ortes der Zeremonie eine
Zumutung. Denn die bis 1918 als Königsstadt angesehene Stadt Cetinje wird
von der Mehrheitsgesellschaft als die eigentliche Hauptstadt ihres Landes
empfunden, als Symbol der montenegrinischen Unabhängigkeit von Serbien.
Montenegro war 2006 von Serbien unabhängig geworden.
Ausgerechnet im Kloster dieser Stadt den serbischen Metropoliten
einzuführen ist für viele Montenegriner eine Provokation ersten Ranges.
Denn der Vorgang symbolisiert für sie den Vorrang Serbiens vor Montenegro
und den Zugriff Serbiens auf Montenegro.
Als nach dem Ersten Weltkrieg das Königreich Jugoslawien entstand, setzte
Serbien den bis dahin herrschenden König ab und verwaltete das Land. Die
serbisch-orthodoxe Kirche zerschlug die montenegrinische Kirche und eignete
sich alle Klöster und Liegenschaften an. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg und
dem Sieg der Partisanen gegen den Faschismus wurde Montenegro als
gleichberechtigte Republik wieder aus der Taufe gehoben.
## Weg zur Unabhängigkeit
Mit dem Auseinanderfallen Jugoslawiens versuchte der damalige serbische
Staatschef Slobodan Milošević, Montenegro weiterhin an sich zu binden, doch
schon während des Krieges in Kroatien und Bosnien-Herzegowina taten sich
Spannungen auf, denn in Montenegro wuchs die Opposition gegen die
serbischen Aggressionskriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und später im
Kosovo. Der von Milošević eingesetzte [2][Präsident Milo Ðukanović]
versuchte zum Missfallen seines Mentors, sich schon Mitte der 1990er Jahre
Schritt für Schritt von Serbien abzulösen, 2006 schließlich gelang es ihm,
Montenegro zum Entsetzen der serbischen Nationalisten und der etwa 30
Prozent der Montenegriner, die sich als Serben fühlen, in die
Unabhängigkeit zu führen.
Ðukanović erkannte die neu erstandene montenegrinisch-orthodoxe Kirche als
autokephal an, also als unabhängige Nationalkirche. Und diese Kirche ging
daran, das 1918 von der serbisch-orthodoxen Kirche vereinnahmte Kirchengut
mitsamt der Klöster und riesigen Ländereien zurückzufordern.
Das rief aber den erbitterten Widerstand der serbischen Orthodoxen hervor.
Die pro-serbischen Kräfte geißelten im Gegenzug die Korruption des Regimes
Ðukanović und konnten bei der [3][Parlamentswahl im September 2020] so auch
serbienkritische Montenegriner auf ihre Seite ziehen. Es gelang, eine
Koalition aus pro-serbischen Nationalisten, in erster Linie nach außen hin
westlich ausgerichteten Liberalen und sogar einer Albanerpartei zu
schmieden.
Der Einfluss der serbisch-orthodoxen Kirche ist seither in Montenegro
deutlich gewachsen. Aber auch der Widerstand gegen sie hat sich, wie die
Blockaden vom Sonntag zeigen, wieder formiert.
5 Sep 2021
## LINKS
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[3] /Montenegro-nach-der-Parlamentswahl/!5713364
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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