| # taz.de -- Deutsche Unternehmen in China: Anzeige wegen Sklaverei | |
| > Eine Menschenrechtsorganisation hat deutsche Firmen wie den Discounter | |
| > Lidl angezeigt. Der Vorwurf: Sie profitierten von der Zwangsarbeit in | |
| > China. | |
| Bild: China bestreitet, Zwangsarbeiterinnen in Fabriken einzusetzen | |
| Berlin taz | Noch am Wochenende forderte Deutschlands Industrieverband BDI | |
| rote Linien für den Umgang mit China und appellierte an seine Mitglieder, | |
| sehr genau darauf zu achten, dass in ihren Wertschöpfungsketten an keiner | |
| Stelle Zwangsarbeit oder Kinderarbeit auftreten. China verstoße immer | |
| wieder gegen die globalen Regeln, etwa bei der Achtung der Menschenrechte, | |
| warnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. | |
| „Für Politik wie für Unternehmen gilt, dass sie ihre roten Linien kennen | |
| müssen, hinter die man nicht zurückgeht.“ Da müsse jedes Unternehmen für | |
| sich seine roten Linien finden, sagte der BDI-Chef. Für einige deutsche | |
| Unternehmen könnte diese Warnung zu spät kommen. Sie haben nun eine Klage | |
| am Hals. | |
| Die Menschenrechtsorganisation [1][European Center for Constitutional | |
| and Human Rights (ECCHR)] hat am Montag beim Generalbundesanwalt in | |
| Karlsruhe Strafanzeige gegen mehrere deutsche Textilmarken und Händler | |
| gestellt. Die Klage richtet sich gegen die Discounter Lidl, Aldi Nord und | |
| Aldi Süd, zudem die Kleidungsketten C&A und Hugo Boss. Die Organisation | |
| wirft den Firmen vor, „direkt oder indirekt von Zwangsarbeit von Uiguren“ | |
| in der chinesischen Region Xinjiang zu profitieren. Damit könnten die | |
| Unternehmen in Verbrechen gegen die Menschlichkeit involviert sein, lautet | |
| der Vorwurf. | |
| Die Klage des ECCHR gegen die deutschen Unternehmen hat es in sich. Seit | |
| Jahren weisen Nichtregierungsorganisationen auf das Risiko von Zwangsarbeit | |
| im Baumwoll- und Textilsektor in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang | |
| hin. Die Region ist Heimat der muslimischen Minderheit der Uiguren, die von | |
| den chinesischen Behörden systematisch unterdrückt werden. Hunderttausende | |
| Uiguren sollen Berichten zufolge in den letzten Jahren zeitweise in | |
| Umerziehungslager gesperrt worden sein. Die chinesische Regierung | |
| bestreitet das offiziell, chinesische Staatsmedien haben die Lager aber | |
| selbst mehrfach erwähnt. | |
| Zugleich ist Xinjiang Chinas mit Abstand größtes Baumwollanbaugebiet. Mehr | |
| als 80 Prozent der landesweit hergestellten Baumwolle kommen aus der | |
| Region. Das entspricht rund einem Fünftel der Weltproduktion. Ein Großteil | |
| davon wird noch immer per Hand gepflückt. Nach Angaben von | |
| Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights | |
| Watch werden oft Uiguren dafür eingesetzt. Die chinesische Regierung würde | |
| Uiguren unter anderem zur Arbeit in der Textilindustrie zwingen, heißt es | |
| in der fast 100-seitigen Klageschrift. Die angezeigten Unternehmen würden | |
| ihren Zulieferlisten zufolge aktuell in Xinjiang produzieren oder hätten | |
| das zumindest bis vor Kurzem getan, kann man darin weiterhin lesen. | |
| ## Modeunternehmen unter Druck | |
| Die angeklagten Unternehmen wiesen die Vorwürfe zurück. Lidl teilte dem | |
| ECCHR mit, dass es mit zwei Firmen in Xinjiang, die ehemalige Insassen der | |
| Umerziehungslager beschäftigt haben sollen, seit „über einem Jahr nicht | |
| mehr“ zusammenarbeite. Hugo Boss betonte, dass das Unternehmen keinerlei | |
| Zwangs- oder Pflichtarbeit oder jegliche Formen der modernen Sklaverei | |
| toleriere. „Wir gehen davon aus, dass bei der Herstellung unserer Waren | |
| unsere Werte und Standards eingehalten wurden und keine Rechtsverstöße | |
| vorliegen.“ Anderslautende Behauptungen weise das Unternehmen zurück. | |
| Auch andere internationale Modeunternehmen stehen unter Druck. Als die USA | |
| und EU im Frühjahr wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der | |
| Region Sanktionen gegen chinesische Regierungsmitglieder verhängten, | |
| erklärten Nike und [2][H&M], keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen. | |
| Daraufhin standen die Marken allerdings in China am Pranger. In den | |
| sozialen Medien rief unter anderem die einflussreiche Kommunistische | |
| Jugendliga zum Boykott dieser westlichen Marken auf. | |
| Das ECCHR fordert die Generalbundesanwaltschaft auf, „die mutmaßliche | |
| Zwangsarbeit und die mögliche rechtliche Verantwortung der Unternehmen zu | |
| untersuchen“. Die Leiterin des ECCHR-Programms Wirtschaft und | |
| Menschenrechte, Miriam Saage-Maaß, erklärte, es sei „inakzeptabel, dass | |
| europäische Regierungen China für Menschenrechtsverletzungen kritisieren, | |
| während die Unternehmen womöglich von der Ausbeutung“ der uigurischen | |
| Bevölkerung profitierten. | |
| Tatsächlich sind Unternehmen verpflichtet, völkerstrafrechtliche Standards | |
| einzuhalten, selbst wenn sie Geschäftsbeziehungen in repressiven Ländern | |
| unterhalten. Falls sich der Verdacht der Zwangsarbeit bestätigen sollte, so | |
| Saage-Maaß, sei es „höchste Zeit, dass die Verantwortlichen in den | |
| Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden“. | |
| 6 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ecchr.eu/ | |
| [2] /Chinas-Zorn-trifft-HM/!5757325 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Lee | |
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