# taz.de -- Britischer Außenminister zu Afghanistan: Raab in der Defensive | |
> In einer außerordentlichen Sitzung musste sich Dominic Raab Kritik zur | |
> Afghanistan-Strategie stellen. Zuvor wurde sein Rücktritt gefordert. | |
Bild: Dominic Raab in London, 01.09.2021 | |
LONDON taz | Trotz Sommerpause musste sich der [1][britische Außenminister | |
Dominic Raab] am Mittwoch in einer außerordentlichen Sitzung des | |
parlamentarischen außenpolitischen Ausschusses Westminsters wegen des | |
Debakels in Afghanistan verantworten. „Nach dem Abzug im August wurde eine | |
zunehmende Verschlimmerung der Lage angenommen“, sagte Raab. | |
„Dass aber vor Ende des Jahres Kabul [2][in die Hände der Taliban fallen] | |
würde, wurde auch von unserem Nachrichtendiensten als unwahrscheinlich | |
verstanden.“ Alle hätten den Abzug und dessen Konsequenzen zu optimistisch | |
eingeschätzt. Raab gestand jedoch, dass die Nato aus dieser | |
Fehleinschätzung lernen müsse. | |
Vor der Sitzung hatte die oppositionelle Labourpartei von einem neuen | |
„Suezkrisenmoment“ gesprochen, mit Verweis auf den internationalen Konflikt | |
in Ägypten 1956. So wurde vielfach Raabs Rücktritt gefordert, weil dieser | |
auch nach Ausbruch der Krise in Afghanistan seinen Urlaub auf Kreta nicht | |
vorzeitig abgebrochen hatte. | |
Der Außenminister aber gab sich während der fast zweistündigen Sitzung | |
gelassen und erwiderte auf die Vorwürfe, dass er im Nachhinein nicht in den | |
Urlaub aufgebrochen wäre. | |
## Beschwichtigungen des Außenministers | |
Tom Tugenhat, der konservative Vorsitzende des Ausschusses und ein Veteran | |
Afghanistans, konfrontierte Raab mit einer Risikoeinschätzung seines | |
eigenen Ministeriums vom 22. Juli diesen Jahres. In ihr wurde vor „rapiden | |
Gewinnen der Taliban“ nach dem Rückzug der [3][US-Nato-Truppen] gewarnt, | |
„die zum Fall von Städten und dem Kollaps der Sicherheitskräfte führen | |
könnten“, sowie „zu Massenvertreibungen und signifikanter humanitärer Not… | |
Das britische Außenministerium gab an, dass der Bericht nicht von | |
besonderer Maßgeblichkeit gewesen sei, weil er sich auf öffentliche Quellen | |
bezogen hätte statt auf Nachrichtendienste. | |
Auf die Frage, wie viele zur Ausreise berechtigte [4][Personen in | |
Afghanistan zurückgeblieben sind], zeigte sich Raab ratlos. Einige wenige | |
Hunderte, gab er an, und unterstrich, dass die meisten Personen evakuiert | |
seien. Insgesamt hätten die Briten 17.000 Menschen evakuiert. Seit März | |
hätte er zudem über 40 Treffen oder Telefongespräche zum Thema Afghanistan | |
geführt. Er würde noch am Abend nach Pakistan und Qatar fliegen, um weitere | |
Evakuierungen über Landbrücken zu koordinieren, beschwichtigte der | |
Außenminister weiter. | |
Eine typisch britische Frage, ob die Queen gefährdet sei, weil ein | |
Portraitbild von ihr in Kabul zurückgelassen wurde, dementierte Raab. | |
Normalerweise würde Derartiges vor Verlassen der Botschaft vernichtet. | |
2 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Vertretung-des-britischen-Premiers/!5674730 | |
[2] /Regierungsbildung-in-Afghanistan/!5797653 | |
[3] /Afghanistanpolitik-der-USA/!5792655 | |
[4] /Evakuierung-aus-Afghanistan/!5796816 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
## TAGS | |
Großbritannien | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Außenpolitik | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Krise der Demokratie | |
Schwerpunkt 9/11 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach dem Afghanistan-Desaster: Diskussion um EU-Eingreiftruppe | |
Lehren aus Afghanistan? Die EU-Verteidigungsminister:innen debattieren | |
Pläne für eine Interventionseinheit. Doch es gibt Widerstand. | |
Rettung aus Afghanistan: Die private Luftbrücke | |
Von Berlin aus versuchen Aktivist*innen, Menschen aus Afghanistan zu | |
retten. Von der Bundesregierung fühlen sie sich ausgebremst. Haben sie | |
damit recht? | |
Niedergang der westlichen Demokratie: Bye-bye, Linksliberalismus | |
Die westliche Demokratie scheiterte nicht erst in Afghanistan. Während die | |
Gesellschaft zerfasert, wird die Politik zum Einheitsbrei. | |
Afghanistanpolitik der USA: Wunschtraum am Verhandlungstisch | |
Als die USA 2020 mit den Taliban verhandelten, saßen sie einem Grundirrtum | |
auf: Sie glaubten, dass die Islamisten ein friedliches Ende des Krieges | |
wollten. |