# taz.de -- Klimaliste-Kandidat über CO2-Ziele: „Unser Ziel heißt 2030“ | |
> Ziele, „die nicht unsere Zukunft schützen“, seien sinnlos, sagt Antonio | |
> Rohrßen von der Klimaliste. Bei der Machbarkeit komme es auf die | |
> Prämissen an. | |
Bild: Sparen Ressourcen auch im Wahlkampf: Mitglieder der Klimaliste Berlin | |
taz: Herr Rohrßen, Klimaschutzsenatorin [1][Regine Günther (Grüne) hat in | |
der taz gesagt], bei der Frage, wer die konesquenteste Klimapolitik mache, | |
komme es vor allem auf die Umsetzbarkeit an. Nur radikale Forderungen | |
aufzustellen, bringe nichts. Das richtet sich an Parteien wie Ihre. | |
Antonio Rohrßen: Ich würde dem entgegenhalten, dass Klimaziele sinnlos | |
sind, die nicht unsere Zukunft schützen. Auch Fridays for Future haben sich | |
ja nicht beliebige Zeithorizonte für die Nettonull bei klimarelevanten | |
Emissionen ausgedacht. Diese Zahlen kommen aus der Wissenschaft, sind etwa | |
aus dem IPCC-Bericht abgeleitet. Große Teile der Wissenschaft flehen uns | |
regelrecht an, das Notwendige zu tun, damit wir weiter einen lebenswerten | |
Planeten haben. Und auch Frau Günther will sich doch nicht vorwerfen | |
lassen, dass dieses Leben nicht mehr lebenswert ist. | |
Was sind Ihre Zielzahlen? | |
Die Klimaliste setzt das Ziel an, dass Berlin bis 2030 klimaneutral oder | |
sogar klimapositiv ist. Dem liegt ein von uns errechnetes CO2-Restbudget | |
von etwa 86 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten zugrunde. Das böte uns eine | |
Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit, noch unter dem 1,5-Grad-Limit zu bleiben. | |
Auch die Senatorin beruft sich auf wissenschaftliche Studien, wenn sie | |
sagt, Klimaneutralität in Berlin sei vor den 2040er Jahren nicht | |
realistisch. | |
Der Knackpunkt sind die Prämissen, die die von der Senatsverwaltung | |
kürzlich veröffentlichte Studie des IÖW zugrunde legt. Dazu gehört ein | |
Wirtschaftswachstum in einer bestimmten Höhe, aber auch die Annahme, dass | |
unser Mobilitätsverhalten weitestgehend gleich bleibt. Wir treffen andere | |
Annahmen und kommen deshalb zu anderen Ergebnissen – insofern widersprechen | |
wir gar nicht der Studie. | |
Was sind Ihre Annahmen? | |
Wir rechnen nicht mit hohem Wachstum, aber auch nicht mit einem | |
gleichbleibenden Flächenverbrauch pro Kopf. Den können wir senken. | |
Wie denn? | |
Die Stadt kann viel dafür tun, Wohnfläche pro Kopf zu reduzieren, indem sie | |
Wohngemeinschaften oder den Umzug in kleinere Wohnungen fördert. | |
Sollte Berlin dann nicht gleich versuchen, dafür zu sorgen, dass die | |
EinwohnerInnenzahl nicht weiter wächst? | |
Das würde ich nicht so sehen. Menschen können ja auch in einer Großstadt | |
relativ effizient leben – weil sie sich Verkehrsmittel teilen und im | |
Schnitt auf kleineren Flächen wohnen als auf dem Land. Sie müssen nur die | |
Möglichkeit bekommen, klimaneutral zu leben. | |
Eine objektive Restriktion für ein schnelle CO2-Reduktion ist der Mangel an | |
HandwerkerInnen, die für die energetische Gebäudesanierung zur Verfügung | |
stehen. | |
Warum werden denn nicht mehr ausgebildet? Was wir brauchen, ist ein | |
Ausbildungs-Sprint für diese Zukunftsberufe. Warum macht Berlin diese | |
Berufe nicht attraktiver? Es gibt den Vorschlag, ein Bildungszentrum im | |
ehemaligen Tempelhofer Flughafen aufzubauen. Eine andere Möglichkeit in | |
Bezug auf die Gebäudesanierung ist die Förderung der seriellen Sanierung, | |
die in Straßenzügen mit ähnlichen Gebäuden quasi nach dem | |
Copy-Paste-Verfahren umgesetzt wird. In anderen Ländern gibt es das schon. | |
Auch beim Denkmalschutz könnte man die Dinge künftig etwas entspannter | |
sehen. Denkmalschutz ist wichtig, aber wir wollen immerhin die Klimakrise | |
aufhalten. | |
Fordern Sie als Klimaliste Einschnitte, die sich die Grünen nicht zu | |
fordern trauen? | |
Eine ganze Menge sogar. Wir möchten BürgerInnenräte einführen, die | |
beschließende, nicht nur beratende Funktion haben. Deren erste Aufgabe wäre | |
es, gesellschaftliche Zielindikatoren festzulegen. Das sind dann vielleicht | |
nicht mehr Profitabilität und wachsender Wohlstand, sondern Gemeinwohl und | |
Ökologie. Danach würde sich die künftige Gesetzgebung richten. Wir haben | |
auch konkrete inhaltliche Ziele: Zum Beispiel arbeiten und konsumieren wir | |
viel zu viel, darum fordern wir 52 Feiertage im Jahr, was auf eine | |
Viertagewoche hinausläuft. Wir wollen, dass jedes Jahr zehn Prozent der | |
Parkplatzflächen in der Stadt entsiegelt oder dem Radverkehr zur Verfügung | |
gestellt werden. Und wir fordern die Reduktion der Emissionen aus dem | |
Flugverkehr am BER um 75 Prozent innerhalb von 5 Jahren. | |
Wie soll das funktionieren? | |
Die Fluglinien müssen sich überlegen, ob sie Flüge reduzieren – oder so | |
schnell wie möglich klimaneutrales Fliegen entwickeln. | |
22 Sep 2021 | |
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[1] /Umweltsenatorin-ueber-Klimaschutz/!5797991 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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