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# taz.de -- Theaterstück „99 Schritte zum Meer“: Klimawandel als Familiend…
> Die Bremer Shakespeare Company zeigt mit „99 Schritte zum Meer“ ein
> Mehrgenerationenstück. Sogar die Dinausaurier leben darin noch.
Bild: Unterwegs Richtung Zukunft: Probenfoto des Theaterstücks „99 Schritte …
Waldbrände in Australien, Hochwasser in Nordrhein-Westfalen, Artensterben,
eine Jugend, die streikt. Und dann noch ein niederschmetternder
[1][IPCC-Bericht]: So fühlt sich Klimawandel an. Möchte man darüber ein
Theaterstück schreiben, muss man parallel wohl sicherheitshalber
Dauernachrichtensendungen laufen lassen, um auch ja keine Katastrophe zu
verpassen, so könnte man meinen.
Oder aber: Man erzählt eine Geschichte. Eine Familie, ihr Hotel auf einer
kleinen Insel und ein Meeresspiegel, der steigt. Der Klimawandel als Erbe,
als [2][intergenerationeller Konflikt], als Familiendrama. „99 Schritte zum
Meer“ heißt das Stück, das am 24. September im Theater am Leibnizplatz
Premiere feiert. Damit will sich die Bremer Shakespeare Company nun an das
große Thema „Klima“ wagen.
Die Handlung geht zurück in eine Zeit um 1980 und schaut in eine nahe
Zukunft. Ein Hotel auf einer kleinen Insel am Nordseestrand, ein
Wirtschafts- und Familienunternehmen. Die Eltern, die es aufgebaut haben,
sterben früh. Der Sohn beschließt, der Insel den Rücken zu kehren.
Seine Zwillingsschwester, die eigentlich Meeresbiologin werden wollte,
übernimmt das Hotel zunächst widerwillig und macht daraus schließlich ein
klimaneutrales Biogasthaus – von dem mit Braunkohle verdienten Geld ihres
Ehemannes. Ihr Kind, eine junge Frau in ihren 20ern, sucht nach Wegen, sich
aufzulehnen und der Klimakrise global zu begegnen. Sie geht nach China, um
dort Karriere zu machen. Sie will radikaler sein als ihre Eltern und
Großeltern. Sie findet, der Wandel muss neue Technologien miteinbeziehen
und er muss schneller gehen.
„99 Schritte zum Meer“ ist ein Mehrgenerationenstück, eine
Mehrperspektivengeschichte. „Das Thema ist inhaltlich so breit, wir können
nicht die große Welt erzählen“, sagt Peter Lüchinger, Schauspieler der
Bremer Shakespeare Company und Teil der Besetzung im Stück. „Aber was wir
können, ist ein Familienalbum aufmachen, durch das der Zuschauer
durchblättert, mit Schlaglichtern auf den Lebensgeschichten und Haltungen
einzelner Personen.“
Das Stück springt in den Zeiten, ist nicht eindimensional und nicht
chronologisch. Man wolle über die Not der Figuren und die Wege, die sie
finden, emotionalisieren und Räume auftun, in denen das Publikum sich
selbst hinterfragen kann, nicht aber klimawissenschaftliche Fragen
beantworten, so Lüchinger.
Bigger Picture. Wie gehen wir mit unserer Umwelt um? Was haben wir mit
unserem Handeln verursacht? Was geben wir weiter? Und an wen? Wie muss
Widerstand aussehen? Und wie können wir Einfluss auf Wandel nehmen? Das
Wort „Erbe“ soll in dem Klimastück eine zentrale Rolle spielen. Erben kann
man Geld oder ein familiengeführtes Hotel. Aber eben auch einen steigenden
Meeresspiegel.
Was außerdem eine Rolle spielt: Fantasie. In „99 Schritte zum Meer“ sind
die Dinosaurier nicht ausgestorben, sondern an die gegenwärtige Umwelt
angepasst und schlauer als zuvor. Der verstorbene Vater kehrt in seinen
Haltungen und seinem Geist Generationen später in Form eines jungen Kochs
in das Hotel zurück. Theatrale Behauptungen in einem leeren Raum. Keine
Stühle, keine Filmkulisse, keine Abbildung der Realität soll es auf der
Bühne geben.
Simone Sterr, ehemals leitende Schauspiel-Dramaturgin am Theater Bremen,
hat das Stück geschrieben, Regisseur Ralf Siebelt hat es in Szene gesetzt.
Ein Jahr lang hat sich das Ensemble mit dem Thema „Klima“ beschäftigt,
immer wieder über mögliche Ansätze debattiert – nicht zuletzt auch in den
sogenannten Netzgesprächen, in denen die Shakespeare Company im Vorfeld
Wissenschaftler*innen und Interessierte per Zoom zu Vorträgen und
Diskussionen einlud. Schon hier war immer wieder formuliert worden, man
wolle „der Natur eine Stimme geben, die sie sonst nicht hat“.
Nun ist das ein Vorhaben, das auch jeder zweite Super-Kapitalist
mittlerweile für sich entdeckt zu haben scheint. Spätestens seit Greta sich
vor drei Jahren mal über ein paar ganz grundsätzliche wirtschaftliche und
klimapolitische Missstände beschwerte und damit Millionen Menschen hinter
sich vereinte, kann man in jedem Fast-Fashion Geschäft T-Shirts kaufen, auf
denen so was wie „Save the Planet“ steht und in jede x-beliebige Talk-Show
zappen, um x-beliebige Promis und Politiker*innen sagen zu hören, dass
ihnen dieses Thema „wirklich auch total am Herzen liegt“.
Shakespeare hingegen ist wohl nicht der erste, dem man das Thema
„Klimawandel“ Ende des 16. Jahrhunderts als persönliches Steckenpferd
zuschreiben würde. Warum also die Bremer Shakespeare Company? Und warum
gerade jetzt? „Weil es uns alle beschäftigt, im Theater, aber auch privat“,
sagt Peter Lüchinger.
Viele der Schauspieler*innen hätten selbst Familie und Kinder, erbten
und vererbten also irgendwas. Erde und Weltklima zum Beispiel.
Neben den Shakespeare-Inszenierungen gebe es im Spielplan der Company immer
auch eine zweite Schiene, die Dramatikerwerkstatt, in der das Ensemble
Themen entwickele. Aktuelle Themen. Das Thema „Klimawandel“ schwirre da
schon lange herum. Darüber hinaus könne man sich von Shakespeare den einen
oder anderen Trick abgucken, sagt Lüchinger. So habe Shakespeare oft an
großen Welten kleine Welten erklärt. Der Klimawandel als
Familiengeschichte.
„Shakespeare hat indirekt erzählt, er hat nicht klar gesagt, was gut und
was böse ist, sondern Figuren in Konflikte treten lassen und sie so sehr
nah an den Zuschauer gebracht“, sagt Lüchinger. „Die Leute haben dann
gemerkt, dass das irgendwie was mit ihnen zu tun hat.“ So ähnlich solle das
auch in „99 Schritte zum Meer“ sein. Zumindest, dass der Klimawandel
tatsächlich etwas mit jedem Einzelnen zu tun hat und auch eine gewisse
Verantwortung impliziert, wäre wohl eine durchaus sinnvolle
Publikums-Erkenntnis. Gerade jetzt. Zwei Tage vor der Wahl.
24 Sep 2021
## LINKS
[1] /UN-Klimaziele-vor-dem-Scheitern/!5797656
[2] /Generationenkonflikt-ums-Klima/!5801905
## AUTOREN
Johanna Sethe
## TAGS
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