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# taz.de -- Neue Sicherheitsallianz „Aukus“: Australiens Wackeldiplomatie
> Die neue Aukus-Kooperation hat Australien auf einen Schlag wichtige
> Freunde gekostet. Das hat auch mit fehlendem diplomatischem Geschick zu
> tun.
Bild: Schönes Meer, schlechte Stimmung: Der geplante Kauf US-amerikanischer U-…
Canberra taz | Die australische Journalistin Laura Tingle hatte am
Wochenende einen verspäteten Tipp für Emmanuel Macron: Der französische
Präsident hätte vor seinem Treffen mit dem australischen Premierminister
Scott Morrison im Juni im Pariser Élysée-Palast dessen Lebensgeschichte
studieren sollen, bevor er sich vom Australier als Freund zelebrieren ließ.
Tingle erinnerte Macron an Morrisons Verhalten vor drei Jahren gegenüber
dem damaligen Premierminister Malcolm Turnbull. Der ultrarechte Flügel von
Turnbulls Regierungskabinett forderte damals seinen Kopf wegen dessen
vermeintlich progressiver Klimapolitik. Morrison, damals Minister, legte
seinem Chef vor laufender Kamera den Arm auf die Schulter und garantierte
ihm mit glühenden Worten Loyalität. Zwei Tage später putschte er Turnbull
aus dem Amt. Als [1][„Stich in den Rücken“] verurteilten damals
Kommentatoren das Verhalten Scott Morrisons.
Genau diese Worte nutzte der französische Verteidigungsminister Jean-Yves
Le Drian letzte Woche in einer Reaktion auf Morrisons [2][Stornierung eines
57 Milliarden Euro schweren Vertrags] für den Bau und die Lieferung einer
Flotte konventionell betriebener U-Boote. Stattdessen will Australien von
den Vereinigten Staaten mit Nuklearstrom angetriebene U-Boote erwerben.
Der „Deal“ ist Teil einer neuen Sicherheitsallianz zwischen den Vereinigten
Staaten, Großbritannien und Australien. Aukus – in Anlehnung an die
englischen Abkürzungen der beteiligten Staaten – soll die strategische
Allianz im indopazifischen Raum stärken und ist primär eine Antwort der
drei Staaten auf Chinas Expansionsgelüste im Pazifik.
## Scharfe Reaktion aus Paris
Peking war brüskiert und warf den drei Ländern eine
„Kalte-Krieg-Mentalität“ vor. Diese Reaktion war zu erwarten gewesen von
einem Land, das sich in diesem strategisch wichtigen Teil der Welt immer
selbstbewusster benimmt, auf diplomatischer und auf militärischer Ebene.
Deutlich mehr Sorge ausgelöst hat jedoch die Reaktion Frankreichs, dem
wichtigsten Freund Australiens in der Europäischen Union.
Macron reagierte auf den „Vertrauensbruch“ mit der Rückberufung der
französischen Botschafter in Washington und Canberra „zu Konsultationen“
nach Paris. Botschafter Jean-Pierre Thébault, Frankreichs Amtsträger in
Australien, soll aus den Medien von der Stornierung des U-Boot-Vertrages
erfahren haben.
Die Schärfe der Reaktion in Paris soll das Weiße Haus überrascht haben.
Einem Zeitungsbericht zufolge habe die Biden-Administration es Canberra
überlassen, Frankreich über den laut der amerikanischen Regierung „größten
strategischen Schritt Australiens seit Generationen“ zu informieren. Es war
eine Aufgabe, die höchstes diplomatisches Geschick benötigt hätte.
Doch Washington habe nicht mit dem hohen Grad an Mittelmäßigkeit der
australischen Diplomatie unter Morrison gerechnet, meinten australische
Beobachter am Sonntag. Laut dem führenden Politikkommentator Peter Hartcher
habe Australien eine „beeindruckend inkompetente diplomatische Leistung“
gezeigt. „Ein Anruf am Vorabend von Canberra nach Paris gilt nicht als
Diplomatie“.
## Vor zwei Wochen klang alles noch ganz anders
Das Gefühl des Vertrauensbruchs in Paris wird durch die Tatsache verstärkt,
dass die australische Außenministerin Marise Payne und
Verteidigungsminister Peter Dutton erst vor zwei Wochen gegenüber ihren
französischen Amtskollegen erklärt hatten, „die Zusammenarbeit mit der
Verteidigungsindustrie vertiefen und ihre Fähigkeiten in der Region
verbessern“ zu wollen. „Die Minister unterstrichen die Bedeutung des
künftigen U-Boot-Programms“, hieß es in einer Verlautbarung.
Doch Mangel an Voraussicht und diplomatischem Fingerspitzengefühl beklagt
nicht nur die „Grande Nation“. Am Wochenende meldeten Australiens nördliche
Nachbarn Malaysia und Indonesien ihre Besorgnis über die Folgen der
jüngsten Entwicklung für das globale strategische Gleichgewicht. Auch diese
Länder – beide gelten als Freunde und sind wichtige Wirtschaftspartner –
scheinen von Canberra nicht oder zumindest nicht rechtzeitig informiert
worden zu sein.
Das „Aukus-Debakel“, wie ein Beobachter es am Sonntag nannte, ist nur das
jüngste Beispiel diplomatischer Fehltritte durch Australien. Canberras
aggressive Rhetorik gegenüber China ist legendär. Verteidigungsminister
Peter Dutton impliziert in seinen Reden regelmäßig, China sei eine
militärische Bedrohung für Australien und den Rest der Welt.
Vor einem Jahr löste Ministerin Marise Payne in Peking eine Welle von
Handelsboykotten gegen Australien aus, als sie und Morrison forderten, man
müsse in China eine Untersuchung nach der Ursache des Covid-19-Virus
einleiten und damit das Land vor der Weltöffentlichkeit bloßstellte. Solche
Forderungen mögen zwar durchaus legitim sein, sagen führende
Diplomatieexperten. Aber sie müssten im direkten Kontakt mit den
betroffenen Ländern geäußert werden, nicht über brüskierende
„Megafon-Diplomatie“.
## Vertrauen zerstört
Die Situation hat sich derart zugespitzt, dass führende Politiker der
beiden Länder seit über einem Jahr nicht mehr miteinander sprechen. Der
frühere Premierminister Kevin Rudd, ein Chinesisch sprechender Ex-Diplomat,
meinte am Samstag, die Morrison-Regierung werde von „diplomatisch und
sicherheitspolitisch Inkompetenten“ geführt, die „Australiens guten Namen
rund um die Welt beschmutzen“.
Australien mag mit Aukus zwar auf den verstärkten Schutz seines
traditionellen Bündnispartners USA hoffen. Aber die Kosten dafür sind hoch.
Nicht nur werden befreundete Nachbarstaaten wie Indonesien Australien noch
mehr als bisher als „Hilfssheriff der USA im Pazifik“ empfinden, wie der
ehemalige konservative Premierminister John Howard es formuliert. Die
Chancen, dass Australien Pläne für einen Freihandelsvertrag mit der EU noch
realisieren kann, sind drastisch geschrumpft. Ein Veto von Frankreich gilt
als möglich.
„Ich sehe nicht, wie wir unseren australischen Partnern noch trauen
können“, so Frankreichs Europa-Minister Clément Beaune. Wenig Freunde
dürfte Australien auch bei den Klimaverhandlungen Ende Oktober in Glasgow
haben. Die Morrison-Regierung arbeitet laut gut informierten Kreisen
derzeit eine Public-Relations-Strategie aus. Damit will sie die
Weltgemeinschaft überzeugen, am Ausbau der lukrativen Gas- und
Kohleindustrie festhalten zu dürfen, während andere Staaten ihre
CO2-Emissionen drastisch einschränken sollen.
Beobachter gehen davon aus, dass die Behauptungen und Versprechen Canberras
von den Teilnehmerländern nun deutlich stärker unter die Lupe genommen
werden dürften, als dies noch vor wenigen Tagen der Fall gewesen wäre.
19 Sep 2021
## LINKS
[1] /Neues-Pazifik-Buendnis/!5802238
[2] /U-Boot-Deal-Streit-mit-USA-und-Australien/!5802327
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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