# taz.de -- Klimacamp vorübergehend abgehängt: Kein Klimastreik zur Kirchenze… | |
> Seit einer Woche campen Klimaaktivist*innen direkt vor dem Rathaus | |
> in Hannover. Am Sonntag rückte die Polizei an und entfernte Plakate. | |
Bild: Am Sonntag von 7 bis 11 Uhr sollen die Klimaaktivist*innen bitte mal nich… | |
Eigentlich hätte es ein normaler Sonntagmorgen im Klimacamp Hannover werden | |
können – so wie auch schon in den letzten zwei Monaten. Aber ausgerechnet | |
an diesem Sonntag hat die Polizei etwas gestört: die Banner, die im Camp | |
aufgehängt waren. Um kurz vor sieben Uhr morgens traf die Polizei ein, um | |
die Aktivist*innen aufzufordern, sie abzuhängen. Als sich die | |
Campmitglieder weigerten, entfernten die Einsatzkräfte alle Transparente | |
und Fahnen. Dabei kam es laut Campmitgliedern zum Einsatz von Gewalt und | |
dem Eindringen in die Privatsphäre der Campmitglieder vonseiten der | |
Polizei. Insgesamt nahmen 15 Polizist*innen an dem Einsatz teil. | |
Pünktlich um 11 Uhr händigten sie die entfernten Plakate dem Camp wieder | |
aus. | |
Einsatzanlass war laut Polizeidirektion Hannover die Ahndung festgestellter | |
Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Explizit hätten die | |
Aktivist*innen gegen das niedersächsische Feiertagsgesetz verstoßen. | |
Dieses besagt, dass Versammlungen an Sonn- und Feiertagen zwischen 7 und 11 | |
Uhr zu unterbrechen sind und sogenannte „Hilfsmittel zur Meinungskundgabe“ | |
wie Banner und Transparente in dieser Zeit entfernt werden müssen. Das | |
Gesetz bezieht sich explizit auf den Schutz von Gottesdiensten und | |
religiösen Feiern. Die Polizei hatte das Camp gleich zu Beginn etlichen | |
Auflagen unterworfen, unter anderem der Einhaltung des Feiertagsgesetzes. | |
Die Aktivist*innen des Klimacamps halten die Auflage für | |
unverhältnismäßig und verfassungswidrig. „Wieso sind die Banner | |
ausgerechnet jetzt ein Problem, wo es die letzten acht Sonntage auch nicht | |
schlimm war?“, fragt sich Linn, die Sprecherin des Klimacamps. Für die | |
Aktivist*innen, die erst vor gut einer Woche von der Wiese neben dem | |
Rathaus auf den Trammplatz direkt vor das Rathaus gezogen sind, ist das nur | |
ein Stein von vielen, die ihnen in den Weg gelegt wurden. | |
## Ein Alibi, um den Aufbau des Camps zu verzögern | |
Der hannoverische Rechtsanwalt Detlev Manger vertritt das Klimacamp und | |
half den Aktivist*innen bei der Anmeldung des Camps und bei rechtlichen | |
Fragen. Er erzählt von vielen Schwierigkeiten. Das Camp sollte eigentlich | |
schon im Juli auf dem Trammplatz entstehen. „Der Antrag wurde zwar nicht | |
formell abgelehnt, aber lange hinausgezögert“, erinnert sich Manger. Weil | |
noch eine Kunstveranstaltung auf dem Trammplatz abgehalten werden sollte, | |
sei den Aktivist*innen ein Alternativplatz auf einem Grünstreifen neben | |
dem Rathaus angeboten worden. Die Veranstaltung, wegen der sie nicht gleich | |
auf den Trammplatz ziehen konnten, habe aus einer Kunstaktion und einer | |
Ausstellung an vier Bauzäunen in einer kleinen Ecke des Trammplatzes | |
bestanden. Für Manger lediglich ein Alibi, um den Aufbau des Camps zu | |
verzögern. | |
Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizeidirektion dem Camp eine Liste | |
mit Beschränkungen übermittelt. Sie sollten eine Versammlungsleitung | |
benennen, festgelegte Verkehrswege freihalten, keine offene Feuerstelle | |
haben – und auch das niedersächsische Feiertagsgesetz einhalten. | |
Campsprecherin Linn erinnert sich, dass den Auflagen aber noch nicht | |
nachgegangen wurde, solange die Aktivist*innen auf der Wiese waren: | |
„Das wird offensichtlich erst jetzt relevant, wo das Klimacamp auf dem | |
Trammplatz als Störung wahrgenommen wird.“ Auch die Polizeidirektion kann | |
keine Aussage dazu treffen, ob zuvor schon gegen die Beschränkung verstoßen | |
wurde. | |
Nach dem Ende der Kunstveranstaltung konnte das Camp vor einer Woche | |
umziehen. Das habe die Versammlungsbehörde nicht verhindern können, „dazu | |
hatten sie rechtlich keine Handhabe“, sagt Manger. „Aber das Camp war | |
unerwünscht.“Das sei ihm von Anfang an klar gewesen und es sei auch so | |
kommuniziert worden. „Dabei sind doch ständig Veranstaltungen auf dem | |
Trammplatz“, wundert sich der Rechtsanwalt. | |
Einmal auf dem Trammplatz angekommen, bekamen die Aktivist*innen sofort | |
Gegenwind: Die CDU-Ratsfraktion Hannover sah aufgrund der Nähe des Camps | |
zum Rathaus die Neutralität der Wahl bedroht und schaltete die | |
Kommunalaufsicht im niedersächsischen Innenministerium ein. Svenja Mischel, | |
Sprecherin des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport | |
bestätigt, dass das CDU-Schreiben vorliegt und aktuell geprüft wird. Grüne | |
und Die PARTEI Hannover sprachen sich kritisch gegenüber der CDU-Haltung | |
aus. | |
## Klage am Verwaltungsgericht | |
Linn sagt, dass seit dem Umzug auf den Trammplatz jeden Tag die Auflagen | |
des Camps kontrolliert würden. Das sei davor nicht so gewesen. Am | |
vergangenen Freitag habe die Polizei dem Camp angekündigt, die Auflagen am | |
Sonntag zu kontrollieren. „Das zeigt uns, dass wir ganz klar als störend | |
auf dem Trammplatz angesehen werden“, so Linn. | |
Die Aktivist*innen haben sich daraufhin mit dem Rechtsanwalt Manger, | |
der auch beim Einsatz dabei war, beraten und sich dazu entschieden, die | |
Banner hängen zu lassen. Manger hatte das der Polizeidienstleitung am | |
Sonntag zusammen mit der Versammlungsleitung des Camps erklärt und damit | |
ein Ordnungswidrigkeitsverfahren in Kauf genommen. Doch die Polizei habe | |
nach einer Rücksprache mit Vorgesetzten nicht darauf reagiert, sondern | |
stattdessen mit dem Abhängen der Plakate und Banner begonnen. Dabei soll es | |
zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Manger meint, von der Einsatzleitung | |
gehört zu haben, dass die Anweisungen „von höherer Stelle“ kämen. | |
Nach Aussagen der Campmitglieder sollen Einsatzkräfte auch | |
Quarzsandhandschuhe getragen haben – im Einsatz der Polizei nicht erlaubte, | |
mit Sand gepolsterte Spezialhandschuhe, die etwa gegen Messerangriffe | |
schützen, aber auch besonders große Verletzungen anrichten können. Dem | |
Sprecher der Polizeidirektion, Michael Bertram, zufolge ergab eine interne | |
Abfrage, dass ein Beamter tatsächlich Quarzsandhandschuhe getragen hat. | |
Darüber hinaus trugen drei weitere Beamte andere als die dienstlich zur | |
Verfügung gestellten Schutzhandschuhe. Betram versichert, dass alle vier | |
Fälle dienstrechtlich überprüft würden. Die Polizei habe laut Bertram keine | |
Eskalation am Einsatzort erwartet und arbeite prinzipiell deeskalativ. | |
Manger hat nun am Verwaltungsgericht Hannover Klage gegen die Verfügung | |
eingereicht und erhofft sich, dass das Feiertagsgesetz auf | |
Verfassungswidrigkeit geprüft wird. Die Aktivist*innen sehen den | |
Polizeieinsatz als reine Schikane, wollen aber weitermachen und an ihrem | |
Camp festhalten. | |
7 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Pascal Luh | |
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