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# taz.de -- CDU-Spitzenkandidat über den Wahlkampf: „Der Wind kommt halt von…
> Auch für Berlins CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist Klimaschutz eines der
> großen Themen. Er stellt die Glaubwürdigkeit der SPD in Frage.
Bild: Eigentlich war er ja für Markus Söder: Kai Wegner (l.) neben Armin Lasc…
taz: Herr Wegner, wie gut verstehen Sie sich eigentlich mit Franziska
Giffey?
Kai Wegner: Wenn man im Bundestag gemeinsam arbeitet, sieht man sich und
spricht auch das eine oder andere Mal miteinander. Und wir haben ja jetzt
auch viele Begegnungen im Wahlkampf – ich sehe die anderen
Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten derzeit ja gefühlt häufiger als
meine Familie. Ich glaube, dass wir menschlich gut miteinander klarkommen.
Die Frage drängt sich ja auf, da Berlin auf ein rot-schwarz-gelbes Bündnis
hin zu steuern scheint, das erst die zweite Deutschland-Koalition nach
Sachsen-Anhalt wäre.
Darüber entscheiden die Wähler. Ich bin aber überrascht über die eine oder
andere Forderung, die die SPD in ihrem Wahlprogramm aufstellt. Das hat ja
mit den letzten 20 Jahren, in denen die SPD in Berlin den Regierenden
Bürgermeister gestellt hat, nichts mehr zu tun. Man entdeckt eine neue
Liebe zur U-Bahn oder zur Vorschule – alles langjährige Forderungen von
mir. Deswegen bin ich erstaunt über diese neue inhaltliche Ausrichtung der
SPD. Die Frage ist nur, wie glaubwürdig das ist.
Je glaubwürdiger die SPD wird, umso schlechter für die CDU, oder? Denn es
nutzt Ihnen ja nichts, sich an Rot-Rot-Grün abzuarbeiten, wenn sich Frau
Giffey selbst davon distanziert.
Das stimmt, das macht sie. Aber am 26. September stehen erst mal Parteien
zur Wahl. Und wenn ich mir die Verantwortlichen innerhalb der SPD anschaue,
dann waren die allermeisten die letzten fünf, zehn oder auch fünfzehn Jahre
dabei. Und all das, was man jetzt verspricht, hätte man ehrlicherweise in
all diesen Jahren machen können – hat man aber nicht.
Und doch scheint sich Franziska Giffey bislang erfolgreich davon abkoppeln
zu können. Die Grünen halten ihr schon vor, die CDU zu kopieren. Der
Vorwurf kam zuletzt auch aus der CDU selbst. Und Giffeys Slogan „Ganz
sicher Berlin“ zielt ja tatsächlich aufs CDU-Kernthema Sicherheit.
Wenn die SPD das jetzt auch so sieht, freut mich das. Aber wer will, dass
sich wirklich etwas verändert in dieser Stadt – bei der inneren Sicherheit,
bei der U-Bahn, bei der Bildung, beim Mobilitätsgesetz und vielen anderen
Dingen – der sollte das Original wählen, und das Original ist die CDU.
Bei der U-Bahn ist die SPD allerdings schon länger auf dem Kurs, auf dem
Sie auch sind, nämlich Ausbau und Erweiterung.
Mag sein – aber wie viele Kilometer wurden denn tatsächlich ausgebaut? Ich
kann es Ihnen sagen: In den letzten fünf Jahren von Rot-Rot-Grün ist kein
einziger Kilometer neu geplant worden. Und ich kann mich auch noch gut
erinnern, als wir von 2011 bis 2016 mit der SPD regiert haben: Da wollte
die SPD unsere Initiativen zur U-Bahn erst im Juni 2016 mittragen. Im
Herbst 2016 haben SPD, Linke und Grüne den Parlamentsbeschluss im Senat
aber wieder kassiert. Das waren fünf verlorene Jahre des Stillstands.
Da gucken Sie jetzt aber gerade ganz weit zurück, wenn wir über die
rot-schwarze Koalition von 2011 bis 2016 reden.
Das ist ja der Punkt: Wir reden über vieles schon so lange, aber es
passiert zu wenig. Wissen Sie, ich glaube, wir haben in Berlin in vielen
Politikbereichen doch gar kein Erkenntnisproblem, wir haben ein
Umsetzungsproblem.
Das ist ja nicht neu, das hat schon eine vom rot-rot-grünen Senat
eingesetzte Kommission festgestellt – und das auch nicht zum ersten Mal.
Es geht darum, nicht so viel reden, sondern zu machen, ein Problem zu
erkennen, eine Lösung anzubieten und die dann im Senat umzusetzen. Das muss
der neue Politikansatz in der Stadt sein. Und dann werden wir auch viele
Berlinerinnen und Berliner davon überzeugen, dass Politik doch etwas
verändern kann.
Da ist schon wieder das Problem der Abgrenzung zu Frau Giffey, die seit
Jahren als anpackende Macherin auftritt und als Ministerin Dinge mit so
griffigen Namen wie Gute-Kita-Gesetz oder Starke-Familien-Gesetz auf den
Weg brachte.
Man kann sich ja viele Gedanken über Namen machen, das stört mich auch
nicht, aber Gesetze müssen vor allem tatsächlich gut sein, also auch
funktionieren. Und wenn ich mir die Situation in den Kitas in Berlin
anschaue, dann stelle ich fest, dass dort 26.000 Plätze fehlen. Wenn so
viele von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, dann passt es nicht
zusammen, wenn man keinen Betreuungsplatz für sein Kind findet.
Giffey hin oder her – die Berliner SPD profitiert aktuell merklich vom
Aufschwung der Sozialdemokraten auf Bundesebene. Wie deprimierend ist es
für Sie, dass das bei der CDU umgekehrt ist?
Man wünscht sich natürlich immer Rückenwind, und zurzeit kommt der Wind
halt von vorn. Das Entscheidende ist, dass man trotzdem gerade steht. Bei
meinen Gesprächen vor Ort mit den Berlinerinnen und Berlinern erfahre ich
viel Zuspruch. Außerdem sind es noch drei Wochen bis zur Wahl, da kann sich
der Wind auch wieder drehen.
Doch gerade das könnte ein Problem für Sie sein: Dann würde die Berliner
CDU am 26. September zwar stärkste Partei, bliebe aber ziemlich sicher in
der Opposition, weil mutmaßlich weder SPD noch Grüne Ihre Juniorpartner
sein wollen.
Ich möchte Rot-Rot-Grün in dieser Stadt beenden und die CDU zur stärksten
Kraft machen. Ich setze nicht auf Platz, sondern auf Sieg.
Sie waren im Frühjahr einer der wenigen CDU-Landesvorsitzenden, die sich
offen für Markus Söder und nicht für Armin Laschet ausgesprochen haben.
Fühlen Sie sich jetzt durch das Umfragetief bestätigt?
Darum geht es gar nicht. Ich habe immer gesagt, dass wir zwei starke
Ministerpräsidenten haben, die beide das Zeug zum Kanzler haben, und dazu
stehe ich auch noch heute. Ja, ich war für Markus Söder, ich kenne ihn
unheimlich lange, und ich schätze sehr, was er in Bayern macht, wie er dort
anpackt, wie er Probleme angeht. Jetzt ist die Entscheidung getroffen,
Armin Laschet ist unser Kanzlerkandidat, und ich kämpfe dafür, dass er
Bundeskanzler wird. Und wenn die CDU die nächste Bundesregierung anführt,
wird Markus Söder ein gewichtiges Wort mitsprechen.
Es hat den Eindruck, dass sich dieser Wahlkampf auf Bundesebene nur durch
Fehler oder ein Lachen an falscher Stelle entscheidet, nicht aber durch
Inhalte. Wie sehen Sie das?
Auch wenn es derzeit nicht einfach aussieht, bleibe ich unerschütterlicher
Optimist. Wir haben jetzt noch knapp drei Wochen Zeit, und vor acht Wochen
hatten wir eine ganz andere Situation in den Umfragen. Das hat sich so
schnell gedreht und genauso schnell kann sich das wieder zurückdrehen.
Aber was sollte denn noch passieren? Es wirkt so, als könnten Olaf Scholz
und Franziska Giffey sich jetzt am besten drei Wochen einschließen und die
Dinge weiter ihren Lauf nehmen lassen.
Wissen Sie, wir haben in diesem Wahlkampf ganz viel gesprochen über
Plagiate, über Bücher, die abgeschrieben wurden, über das Lachen an einer
falschen Stelle. Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen
Deutschland steht, sind das Nebensächlichkeiten, die am Ende des Tages
nicht wahlentscheidend sein dürfen und es auch nicht sein werden. Am Ende
des Tages wird es um Themen gehen.
Das passiert doch aber gerade nicht. Eine Umweltkatastrophe folgt auf die
andere, und die Werte der Partei, die am meisten auf Klimaschutz setzt, die
Grünen, gehen ähnlich stark runter wie die der CDU.
Auf der Straße im Wahlkampf erlebe ich das anders. Da ist Klimaschutz ein
großes Thema, die Bürger sprechen mich oft darauf an. Es ist ja auch die
Frage, wie ich mit dem Thema umgehe: Setze ich auf Angebote, um die
Klimawende hinzubekommen, oder setze ich auf Verbote? Ich will Klimaschutz
mit Turbo statt mit Veto.
Jetzt ist mit Blick auf eine mögliche Deutschland-Koalition schon zu hören,
ein solches Bündnis würde Berlin auf die Außenbezirke und Kleingärten
reduzieren und stehe nicht für die eigentlich alternative, links-bunte
Hauptstadt.
Berlin ist nicht nur der innere S-Bahn-Ring: Berlin ist der Kollwitzplatz
genauso wie Frohnau oder wie die tollen Gegenden am Müggelsee. Ich glaube,
diese Stadt hat endlich eine Politik verdient, die die ganze Stadt in den
Blick nimmt. Die letzten fünf Jahre waren auch hier geprägt von einem
Gegeneinander, nämlich Innenstadt gegen Außenbezirke. Mit mir wird es keine
solche Politik geben: Ich werde Lösungen entwickeln, die für alle
funktionieren.
7 Sep 2021
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
CDU Berlin
Kai Wegner
Abgeordnetenhauswahl 2021
Die Linke Berlin
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