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# taz.de -- Die Wahrheit: Dreckiges Geld
> In Berlins beliebtem Stadtteil Prenzlauer Berg flattern immer noch die
> menschlichen Heuschrecken im schwarzen Porsche um die Häuser.
Seit unser Mietshaus per grundsteuersparendem Share-Deal an ein
internationales Heuschreckenkonsortium verkloppt wurde, gibt es wöchentlich
neue Hiobsbotschaften. „Die Eigentümerschaft“, wie sie stets vornehm in den
Schreiben der Hausverwaltung genannt wird, geruht durch den Geschäftsführer
A. vertreten zu werden. Dessen gelegentliche Anwesenheit im Haus ist daran
zu erkennen, dass sein schwarzer Porsche wahlweise den Behinderten- oder
den Carsharing-Parkplatz besetzt. Mehr Klischee ist kaum möglich. Aber was
will man machen, normale Parkplätze sind knapp und was für den Plebs, der
es nicht so eilig hat wie unser Leistungsträger A.
Ich verstehe ihn vollkommen. Wir Mieter wohnen hier seit Jahrzehnten faul
vor uns hin und weigern uns, auszuziehen, um der Luxussanierung Platz zu
machen und endlich jungen Erbenfamilien ihren Traum vom Prenzlauer Berg zu
erfüllen. Manchmal fragen wir uns zwar, ob diesen eigentlich bewusst ist,
dass sie an einem gigantischen Verdrängungskampf teilnehmen und ziemlich
direkt für Schicksale verantwortlich sind, die man als anständiger Mensch
niemandem wünschen sollte. Aber werden wir das je erfahren?
Selbstverständlich nicht. Wir sind dann ja längst weg.
Was an Mieterschutz im ehemaligen größten Milieuschutzgebiet der
Bundesrepublik noch übrig geblieben ist, juckt „die Eigentümerschaft“ nic…
die Bohne. Sicher, manchmal verliert sie einen Prozess, so wie jenen, den
wir gegen eine plötzlich im Hausflur angebrachte Überwachungskamera
angestrengt haben. Da Geld aber keine Rolle zu spielen scheint, entwickelt
sie ständig neue Ideen. Herrlich! So ein Mietshaus bietet eine schier
unendliche Palette an Möglichkeiten der Schikane!
Ihr wollt, dass kaputte Fenster repariert werden? Eine verschimmelte Wand
saniert wird? Ihr fordert, dass wir uns darum kümmern? Eine fette
Mieterhöhung könnt ihr haben und sonst gar nix! Und wenn ihr der nicht
sofort zustimmt, liegen wöchentlich Mahnschreiben für euch im Kasten, ihr
asoziales Mieterpack!
Seit zwölf Tagen haben wir nun kein warmes Wasser mehr. Ein bisschen blöd
für die Pflegebedürftigen und die Babys im Haus, aber die sollen sich mal
nicht so haben. Der Heizkessel ist nämlich final defekt. Es liegt zwar ein
Angebot der Vertragssanitärfirma vor, aber Ihro Durchlaucht Geschäftsführer
A. möchte und wird nun in aller Ruhe Preise vergleichen. Dass die Anlage
seit Jahren muckt und gern auch im tiefsten Winter die Arbeit einstellt,
ficht ihn nicht an, er wohnt hier ja nicht. Beschwerden? Verzweiflung?
Klagen? Geht mir aus der Sonne, denkt sich A.
Übertriebene Reinlichkeit ist der Apotheken Umschau zufolge gar nicht gut.
Bis zu dreißig Prozent Mietminderung sind laut Mieterverein drin, wenn das
Warmwasser fortgesetzt ausbleibt. Der Abschlag tröstet wenig. Er ist
buchstäblich dreckiges Geld.
2 Sep 2021
## AUTOREN
Ulrike Stöhring
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Berlin Prenzlauer Berg
Gentrifizierung
Miete
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