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# taz.de -- Die Wahrheit: Wir formulieren positiv
> Post von der Rechtsschutzversicherung? Sie wollen doch nur dein Bestes!
> Also dein Geld. Oder so.
Bild: Laut einer Verordnung müssen 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag …
Meine Rechtsschutzversicherung hat mir einen lieben Brief geschrieben. Er
beginnt geradezu fröhlich und schlägt mir, ohne konkret zu werden, vor, es
doch mal mit Mediation zu versuchen. Oft sei ein Rechtsstreit durchaus zu
vermeiden, und genau dabei würde man so gerne helfen.
Ich sehe ihn sofort vor mir: einen frisch gewaschenen Mediator, der flugs
vorbeigejoggt kommt, wenn wieder Ärger droht. Ein Bild der Erleichterung.
Im weiteren Verlauf allerdings wird der Ton des Schreibens rauer, und das
macht mir dann doch Sorgen.
Ich rufe an und erkläre, dass es sich bei meiner Gegnerin nicht um eine
drollig verdrehte Nachbarin handelt, die man mithilfe von Pralinenpräsenten
zum Einlenken bewegen kann. Dass wir, also alle Mieterinnen unseres Hauses,
von einem Immobilienhai aggressiv und mit Schikanen aus unseren Wohnungen
gedrängt werden.
Frau W. am Versicherungstelefon tut professionell freundlich ihr Bedauern
kund und erklärt mir, was eine Mediation ist, bis ich ihr glaubhaft machen
kann, das verstanden zu haben. Dann wird sie konkret und erklärt mir, dass
Versicherungen Wirtschaftsunternehmen seien, keineswegs gewillt, Geld zu
ihren eigenen Ungunsten auszugeben. Umgehend tue ich die naive Überzeugung
kund, dass wir doch einen Vertrag hätten, der besagt, dass ihr
Wirtschaftsunternehmen mich gegen bestimmte Zumutungen des Lebens
unterstützen würde. Im Gegenzug würde ich jährlich und pünktlich meine
Beiträge zahlen …
## Pause
An dieser Stelle entsteht eine bedeutungsvolle Pause. Frau W. spricht nun
etwas langsamer und auch deutlich strenger mit mir. Den Unterlagen zufolge
hätten meine Klagen auf Heizbarkeit der Wohnung, auf Schimmelbeseitigung
und auf Unterlassung einiger schikanöser Handlungen im Haus zwar
Berechtigung, würden aber zunächst auch einiges an Geld kosten. Honorar für
die Briefe meiner Anwältin zum Beispiel.
Ich atme durch. Ich sehe den schmalen Rücken des tapferen kleinen Konzerns
unter der Last meiner fünf Anwaltsbriefe zusammenbrechen und das gefeuerte
Personal mit Kartons in den Armen weinend das Stammhochhaus in Frankfurt am
Main verlassen.
Nachdem ich mich ausgiebig geschneuzt und ein bisschen gefasst habe, frage
ich, wie ich helfen könne.
## Als es noch Drohbriefe gab
Mit einem Na-geht-doch-Luftholen findet Frau W. zu mir zurück. Der
vorliegende Brief sei ja nur ein Sensibilisierungsschreiben. Für die
Zukunft. Ich antworte ihr, dass ich schon etwas älter sei und dass man so
etwas früher Drohbrief genannt hätte. Frau W. lacht glockenhell: „Wir
formulieren positiv!“
Später höre ich in den Nachrichten, dass ein brutaler Militärschlag im
Auftrag Putins in einem Nachbarland von einer „privaten Militärfirma“
ausgeführt worden sei. In alter Zeit, als es noch Drohbriefe gab, hießen
die Jungs Söldner. Und noch früher Mörder. Aber so sagen wir das jetzt
nicht mehr.
16 Nov 2021
## AUTOREN
Ulrike Stöhring
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Versicherungskonzern
Drohbrief
Inlandsflüge
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